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Coronavirus-Folgen in den USA und Trump-Politik: "Amerika droht Hunger"


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Corona-Krise in den USA
"Amerika droht Hunger"

InterviewVon Fabian Reinbold

Aktualisiert am 23.04.2020Lesedauer: 4 Min.
Nationalgardist in New York bei der Essensausgabe: "Viele Amerikaner sind finanziell zerbrechlich."Vergrößern des Bildes
Nationalgardist in New York bei der Essensausgabe: "Viele Amerikaner sind finanziell zerbrechlich." (Quelle: Mike Segar/reuters)
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Die Corona-Krise zeigt in den USA besonders heftige Folgen. Was macht die Amerikaner so anfällig? Und warum stehen plötzlich Luxusautos in den Schlangen der Essensausgaben? Eine US-Ökonomin erklärt es.

Die Verwerfungen der Corona-Krise zeigen sich in den USA bereits besonders deutlich. Die Arbeitslosenzahlen schnellen in Höhe, eine kleine Protestbewegung fordert die schnellstmögliche Öffnung des Landes und in den Essensausgaben im ganzen Land bilden sich lange Schlagen.

"Viele Amerikaner sind finanziell zerbrechlich, sie sind äußerst schlecht für Schocks gerüstet, wie wir sie jetzt in der Corona-Krise erleben", sagt die Washingtoner Ökonomin Annamaria Lusardi im Interview mit t-online.de.

Die Professorin erklärt, warum die USA als Volkswirtschaft wohl deutlich härter vom wirtschaftlichen Einbruch erwischt werden und weshalb auch Bürger mit Luxusautos in der Schlange der Essensausgabe stehen.

t-online.de: Die Bilder von langen Schlangen vor den Essensausgaben in den USA gingen um die Welt. Wie kommt es, dass Amerikaner mit dicken SUVs und teuren Pickup-Trucks kein Geld für Essen haben?

Lusardi: Es gibt immer wieder solche Bilder – denken Sie einmal an den Regierungsstillstand Anfang 2019, als die Behörden geschlossen blieben. Da haben wir nach zwei Wochen sogar Regierungsangestellte in diesen Schlangen gesehen, also Leute mit einem relativ guten Job.

Woran liegt es also?

Die USA sind ein Land mit einer sehr geringen Sparrate, was auch bedeutet, dass viele Bürger kaum Notreserven beiseitelegen. Viele Amerikaner sind finanziell zerbrechlich, sie sind äußerst schlecht für Schocks gerüstet, wie wir sie jetzt in der Corona-Krise erleben. Weil so viele Bürger auf der Kante leben, fürchte ich, dass die USA dieser Schock schwerer erschüttern wird als andere Länder.

Annamaria Lusardi, 57, ist Professorin für Wirtschaft und Rechnungswesen an der George Washington University in der US-Hauptstadt. Dort leitet sie das "Global Financial Literacy Excellence Center", das sich der Finanzkompetenz der Bürger widmet. Sie hat zu diesem Thema das US-Finanzministerium und ihr Heimatland Italien beraten.

Binnen eines Monats sind 22 Millionen Jobs weggefallen.

Der hoch flexible Arbeitsmarkt ist eine Stärke, kann in der Krise aber auch zur Schwäche werden. Aus unseren Studien zur finanziellen Zerbrechlichkeit wissen wir, dass die Amerikaner über das Einkommen ihre finanziellen Probleme lösen wollen. Ist das Geld knapp, arbeiten sie mehr: übernehmen einen Zweit- oder einen Drittjob. Das ist in Amerika einfacher als in Europa. Aber in dieser Krise ist die Arbeit stillgelegt, fallen Jobs weg, also ist die US-Wirtschaft besonders getroffen und den Arbeitnehmern fällt der Mechanismus weg, ihre finanziellen Nöte über mehr Arbeit auszugleichen. Viele Absicherungen hängen zudem unmittelbar vom Job ab, wie etwa die Krankenversicherung. Man verliert beides zeitgleich. Deshalb sind die Schlangen vor den Essensausgaben so lang.

Warum sparen Amerikaner so wenig?

Die US-Wirtschaft basiert auf Konsum und es ist hier sehr leicht, sich Geld zu leihen. Kreditkarten sind allgegenwärtig. Man kann Kredite aufs Haus aufnehmen, auf den Lohn, auf die zukünftige Karriere. Ich könnte nicht das Einkommen eines Amerikaners einschätzen, indem ich mir sein Auto anschaue – während das in Europa oft möglich ist. Die meisten Amerikaner haben ein Auto, finanzieren es aber über viele Jahre, haben ein Haus, aber Hypotheken, haben eine private Altersversorgung – aber müssen sich jetzt in der Krise daran bedienen.

Das war doch einmal anders.

Ja, doch seit den Achtzigerjahren stagnieren die Löhne für alle ohne Hochschulabschluss. Während die größten Kosten für Wohnen, Gesundheit und Ausbildung in den vergangenen drei Jahrzehnten stark gestiegen sind.

In Europa staunt man, warum so viele Menschen am Abgrund stehen in der größten Volkswirtschaft der Welt, die die letzten zehn Jahre einen Boom erlebt hat.

Ja, wir leben in einem der reichsten Länder, aber auch in einem sehr ungleichen Land. Ohne Hochschulabschluss ist es schwer, einen guten Job zu bekommen und überhaupt noch Teil der Mittelklasse zu bleiben. Die Finanzmärkte ändern sich und werden komplexer. Es wird schwieriger für normale Bürger, die richtigen finanziellen Entscheidungen zu treffen. Und schließlich hat sich der Arbeitsmarkt stark verändert durch die Gig Economy, in der viele Jobs keine gute Absicherung bieten. Vielleicht müssen die Amerikaner lernen, dass unsere Fähigkeit zu arbeiten nicht das einzige Mittel ist, um ein gutes Leben zu führen.

Rechnen Sie damit, dass diese Krise daran etwas ändern wird, dass viele Amerikaner von paycheck zu paycheck leben?

Das hoffe ich zumindest. Aber ich will gar nicht generell Leute verurteilen dafür, dass sie von paycheck zu paycheck leben, weil ich weiß, dass es für viele schwer ist, Überschüsse zu haben. Kurzfristig werden wir sicher Folgen sehen und die Bürger werden größere Vorkehrungen treffen. So war das auch nach der Wirtschaftskrise der Dreißigerjahre, die schwere Narben hinterlassen hat und die folgende Generation wieder sparsamer wurde. Aber je stärker die Wirtschaft wieder anzieht, desto mehr dürften die Lektionen verblassen. Wir empfehlen auf unserer Website, wie man mit Finanzen in der Notsituation umgehen sollte – und ich hoffe, dass die Menschen auch etwas von den Notgeldern beiseite legen.

Die US-Regierung verteilt jetzt Helikoptergeld. Schecks über 1.200 Dollar an US-Bürger. Ist das der richtige Schritt?

Richtig, weil viele den Schock allein nicht abfedern können. Aber wie weit kommen sie mit dieser Summe? Vielleicht eine Mietzahlung oder eine Hypothek. Wir müssen also die Menschen, die nicht arbeiten können, langfristiger unterstützen. Amerika droht Hunger, den es ohne die erwähnten Essensausgaben schon geben würde. Da braucht es mehr Unterstützung durch die Regierung, mehr Hilfen für kleine Unternehmen und ich hoffe sehr, dass das Land im Anschluss Vorbereitungen trifft, um für die nächste Krise besser gerüstet zu sein.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Kann das Helikoptergeld ein Schritt zu einem Grundeinkommen für die Bürger sein? Im Vorwahlkampf der Demokraten war dies ein Thema: 1.000 Dollar pro Monat für jeden Bürger.

Solch ein Programm ist etwas für wohlhabende Länder, weil es so viel kostet. Mein Gefühl ist allerdings, dass solch ein Vorhaben wahrscheinlich kurzfristig gar nicht möglich ist, weil die Krise die öffentlichen Schulden so dramatisch ansteigen lassen wird. Staaten wie die USA werden bald überlegen müssen, wie sie ihre Schulden begleichen.

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Schon vor der Krise waren die USA mit mehr als 23 Billionen Dollar extrem verschuldet.

Ja, Donald Trump, der wahrlich kein Linker ist, hat die Schulden schon stark ansteigen lassen und durch die ganzen Hilfspakete wird die Schuldenlast wirklich extrem in die Höhe geschraubt. Das wird den Spielraum der Politik in der Zukunft sehr stark einschränken. Denn woran wir die Verbraucher stets erinnern, gilt ja auch für die Volkswirtschaften: Früher oder später muss jeder seine Schulden begleichen.

Verwendete Quellen
  • Das Interview mit Annamaria Lusardi führte US-Korrespondent Fabian Reinbold am Telefon.
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