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Türkei: Freibriefe, Flüchtinge, Tränengas – Lage an türkisch-griechischer Grenze


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Freibriefe, Flüchtinge, Tränengas
Die Lage an der EU-Außengrenze – erklärt in fünf Minuten


Aktualisiert am 05.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Migranten an der griechisch-türkischen Grenze: Die Situation ist angespannt, die Lebensbedingungen schlecht. Immer wieder kommt es zu Gewalt.Vergrößern des Bildes
Migranten an der griechisch-türkischen Grenze: Die Situation ist angespannt, die Lebensbedingungen schlecht. Immer wieder kommt es zu Gewalt. (Quelle: dpa)
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Der türkische Präsident fühlt sich von der EU allein gelassen. Als Druckmittel benutzt er Flüchtlinge – die sitzen nun an der Grenze fest. Wie ist die Lage vor Ort und wie reagiert Deutschland? Ein Überblick.

Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Grenzen seines Landes zur EU hin geöffnet hat, strömen Tausende Flüchtlinge Richtung Griechenland. Willkommen sind sie dort nicht, die Grenzen bleiben dicht. Die Flüchtlinge harren aus oder versuchen, eigenmächtig und illegal auf die andere Seite zu gelangen. Die Lebensbedingungen an der Grenze sind extrem schlecht, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Wieso reisen die Menschen trotz der Situation an die Grenze?

Erdogan erklärte im türkischen Fernsehen, dass die Grenze geöffnet wurde – ein Freibrief für die Geflüchteten, sich auf den Weg zur EU-Außengrenze zu machen. Zumindest haben viele Geflüchtete es so verstanden. Eigens dafür angemietete Busse haben Hunderte Menschen an das Grenzgebiet gebracht. Vielen ist offenbar nicht klar, dass die Türkei ihre Grenze zur EU hin zwar öffnen mag, Griechenland und damit die EU dies allerdings nicht tun und der Weg für sie deshalb verschlossen bleibt.

Woher kommen die Geflüchteten, die an der Grenze zwischen Türkei und Griechenland ausharren?

Die Menschen, die nun an die Grenzen drängen, kommen vor allem aus Ländern wie Afghanistan, dem Irak und dem Iran. Auch einige afrikanische Geflüchtete sowie Palästinenser hat etwa der BR-Korrespondent Oliver Mayer-Rüth, der von der türkischen Grenze aus berichtet, ausgemacht. Es seien nicht überwiegend Syrer, die jetzt in die Europäische Union drängen wollen.


Ein Grund dafür ist das EU-Türkei-Abkommen, das den syrischen Flüchtlingen in der Türkei eine Art Sonderstatus gibt. Sie werden – wenn auch nicht ausreichend – darüber versorgt. Menschen aus anderen Herkunftsländern stehen dagegen schlechter da. So sind es offenbar auch sie, die sich als erste in Bewegung setzen, um ihre Chance auf ein Leben in der EU wahrzunehmen.

Wie ist die Lage an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland aktuell?

Tränengas, körperliche Gewalt, Brandanschläge: An der Grenze ist in der vergangenen Woche ein gewaltiger Konflikt hochgekocht. Auf den griechischen Inseln gab es neben Protesten auch Angriffe auf Geflüchtete, Helfer und Journalisten. Vor allem auf Lesbos. Boote wurden dort am Anlegen gehindert, eine leerstehende Erstaufnahmeeinrichtung in Brand gesteckt. Viele Hilfsorganisationen haben ihre Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen abgezogen. t-online.de erfuhr von Freiwilligen vor Ort, dass die Polizei nicht nur die Geflüchteten angeht, sondern auch Helfern gegenüber aggressiv auftreten soll.

Am Grenzfluss Evros auf dem Festland zwischen Griechenland und der Türkei wurden am frühen Donnerstagmorgen wieder Ansammlungen von Menschen am Grenzübergang von Kastanies beobachtet. Sicherheitsbehörden rechnen offenbar mit einem neuen Ansturm von Menschen, die versuchen werden, in die EU zu gelangen. Es gab an den Grenzübergängen Proteste der Geflüchteten, die die Öffnung der griechischen Grenze forderten. Aktuell sei die Lage auf dem Festland angespannt, aber ruhig, heißt es von der Deutschen Presseagentur dpa.

Wie geht Griechenland damit um, dass immer mehr Geflüchtete versuchen ins Land zu gelangen?

Griechenland will Flüchtlinge ausweisen, die in den vergangenen Tagen illegal ins Land gekommen sind. "Unser Ziel ist es, sie in ihre Länder zurückzubringen", sagte Einwanderungsminister Notis Matarakis am Mittwochabend der Athener Nachrichtenagentur. Die Menschen sollten zunächst in die nordgriechische Stadt Serres gebracht und dann ausgewiesen werden. Dies gelte für alle, die nach dem 1. März illegal eingereist seien. An diesem Tag hatte Griechenland angekündigt, einen Monat lang keine Asylanträge mehr anzunehmen.

Ein Schiff der griechischen Marine hat am Mittwoch die Insel Lesbos erreicht, um Hunderte Migranten an Bord zu nehmen. Die rund 400 Betroffenen, die ab März die Ostägäis-Insel von der Türkei aus erreichten, sollen zunächst an Bord des Schiffes bleiben, dann in ein geschlossenes Camp auf dem Festland gebracht und anschließend in ihre Herkunftsländer ausgewiesen werden, sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. Auch auf anderen Inseln im Osten der Ägäis würden die neu Angekommenen zwecks Ausweisung festgehalten.

Außerdem erwägt die griechische Regierung offenbar, zur Bewältigung der Flüchtlingskrise auch geschlossene Lager auf kleinen, unbewohnten griechischen Inseln zu errichten. Die Idee, solche Lager auch auf Lesbos, Samos und Chios sowie dem Festland zu errichten, stößt auf Gegenwehr der Bevölkerung. In einem ersten Schritt sollen nun Matarakis zufolge 2.000 Flüchtlinge und Migranten die momentan überfüllten Lager verlassen und in bestehende Unterkünfte auf dem griechischen Festland gebracht werden. Es handele sich dabei um Menschen, deren Asylverfahren gute Aussichten auf Erfolg hat.

Wie positioniert sich Deutschland zu dem Konflikt an der EU-Außengrenze?

Die Frage nach dem Umgang mit den Geflüchteten hat den Bundestag erreicht: Am Mittwochabend hat die große Koalition gegen die Aufnahme von 5.000 schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland gestimmt – obwohl zahlreiche Sozialdemokraten einen entsprechenden Antrag der Grünen inhaltlich eigentlich weitgehend befürworten. Viele SPD-Abgeordneten gaben jedoch eine persönliche Erklärung ab, in der sie betonten: "Ich bin für die Aufnahme von Geflüchteten im Rahmen einer europäischen Koalition der Vernunft." Nur so könne den Betroffenen umfassend geholfen werden. "Eine Zustimmung zum Antrag der Grünen würde dies nicht erreichen."

Bei der Union stießen die Forderungen der Grünen auf deutliche Ablehnung. Der CDU-Abgeordnete Alexander Throm warnte, ein deutscher Alleingang würde die Bemühungen um ein gemeinsames europäisches Asylsystem konterkarieren.

Für den deutschen Innenminister ist klar, dass die EU-Grenzen dicht bleiben. Horst Seehofer sagte, für ihn sei klar, "dass die Grenzen Europas nicht geöffnet sind für diese Flüchtlinge aus der Türkei und das gilt auch für unsere Grenze." Und weiter: "Wir müssen dieses Thema in den Griff bekommen, sonst haben wir 2015 plus." Überraschend zeigte er sich aber offen für die europäische Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus griechischen Flüchtlingslagern. Er warb dafür aber für eine "Koalition der Willigen" in der EU.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
  • Tagesschau.de: Türkisch-griechische Seite – live zur Lage vor Ort
  • Eigene Recherche
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