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US-Wahl: Autor sieht Sieg von Donald Trump als Ende der Nato


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US-Starautor Don Winslow
"Dann kriegt die Nato den Abschiedskuss"

InterviewVon Marc von Lüpke

Aktualisiert am 24.06.2024Lesedauer: 8 Min.
Donald Trump: Der frühere US-Präsident will das Weiße Haus zurückgewinnen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump (Archivbild): Der frühere US-Präsident will das Weiße Haus zurückgewinnen. (Quelle: Carolyn Kaster/dpa)
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Donald Trump will das Weiße Haus zurückerobern – allen Skandalen zum Trotz. Die Auswirkungen könnten verheerend sein. Krimiautor Don Winslow will einen Wahlsieg Trumps verhindern. Wie das gelingen soll, erklärt Winslow hier.

Donald Trump strebt zurück an die Macht und hat durchaus realistische Chancen, erneut Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Don Winslow, internationaler Bestsellerautor und Trump-Gegner, will das verhindern. Auch dafür hat er seine Karriere aufgegeben, um sich dem Kampf gegen Trump zu widmen.

Wie will Winslow das anstellen? Welche Gefahren drohen den USA, Europa und dem Rest der Welt, wenn Trump zurückkehren sollte? Warum sollte viel mehr über Joe Biden gesprochen werden als über Trump? Und wovon handelt Winslows kürzlich veröffentlichtes Buch "City in Ruins"? Diese Fragen beantwortet Don Winslow im Interview.

t-online: Herr Winslow, haben Sie schon Pläne für den 6. November 2024, den Tag nach der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten?

Don Winslow: Ja. Ich hoffe, dass ich einen tiefen Seufzer der Erleichterung ausstoßen werde. Zwar trinke ich nicht, werde es aber kräftig feiern, wenn Donald Trump ein weiteres Mal von Joe Biden besiegt werden wird.

Der Kampf ums Weiße Haus dürfte überaus hart werden. Haben Sie keine Sorge, dass Donald Trump siegreich sein könnte?

Ich habe große Angst davor, wie alle anderen auch. Es ist so absurd und surreal, dass dieser Mann als Präsidentschaftskandidat der Republikaner antritt. Trump ist ein Verräter, ein Aufrührer, ein Faschist und Rassist, dazu auch noch ein frisch schuldig gesprochener Gangster. Unglaublich. Ich werde tun, was ich kann, um Trumps Wiederwahl zu verhindern.

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Das Gleiche haben Sie bereits beim US-Wahlkampf 2020 getan – vor allem im Internet mit millionenfach geklickten Videos. Haben Sie Furcht vor Vergeltung, falls Trump gewinnt?

Ich fürchte Trumps Rache nicht. Die Vorstellung einer Auswanderung im Falle von Trumps Sieg ist verlockend, aber ich bin nicht dazu erzogen worden, einfach abzuhauen. Auch wenn es hart auf hart kommt, bleibe ich. Jetzt aber sollten wir uns alle daran erinnern, dass wir Trump das letzte Mal geschlagen haben. Warum sollte uns das nicht noch einmal gelingen? Dazu müssen wir dafür sorgen, dass die Wahlbeteiligung steigt, denn das zahlt auf das Konto der Demokraten ein. Wissen Sie aber, was mich wirklich stört?

Bitte.

Trump, Trump, Trump, Trump, Trump. Alle reden so viel über diesen Typen. Joe Biden hat 15 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, die Arbeitslosigkeit ist nahezu historisch niedrig und die Inflation geht zurück. Über diese Erfolge muss doch viel mehr gesprochen werden als immer nur über Trump.

Zur Person

Don Winslow, geboren 1953 in New York City, ist ein weltweit bekannter Schriftsteller. Vor seiner Karriere als Autor war Winslow unter anderem Privatdetektiv. Mittlerweile hat er mehr als 20 internationale Bestseller veröffentlicht. Darunter mit "Tage der Toten", "Das Kartell" und "Jahre des Jägers" eine Trilogie über den Drogenkrieg in Mexiko und den USA. Kürzlich ist mit "City in Ruins" Winslows neuestes und letztes Buch als dritter Teil seiner "Danny-Ryan-Trilogie" erschienen.

Wenn Biden Thema ist, beherrscht oft sein Alter die Diskussion – auch bei uns in Europa.

Eben. Vergleichen Sie doch mal die geistige Schärfe eines Joe Biden mit der von Donald Trump, einem Typen, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob er jemals ein Buch gelesen hat. Biden hingegen ist ein anständiger Mann mit Erfahrung und Verständnis für die internationale Politik – gerade für die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland. Trump besitzt keinerlei Loyalität, außer zu sich selbst. Ich wünschte, die europäische Presse würde mehr über Bidens Leistungen berichten als ständig nur dieses endlose negative Gerede.

In Europa ist die Furcht vor einer zweiten Präsidentschaft Trumps groß.

Die europäische Angst vor Donald Trump ist überaus berechtigt. Wenn er wieder ins Amt kommt, dann kriegt die Nato den Abschiedskuss, die Ukraine erst recht.

Joe Biden hatte sich bei Amtsantritt das Ziel einer Versöhnung der Amerikaner gesetzt, ein schwieriges Unterfangen angesichts des politischen Gebarens von Donald Trump und dessen Republikanern. Wie gespalten ist das Land derzeit?

Die Spaltung ist in den letzten Jahren stärker und emotionaler geworden. Die USA besitzen ein ziemlich kurzes Gedächtnis, das ist ihr Segen und Fluch zugleich. Ich versuche, die Leute immer wieder an den 6. Januar 2021 und an Trumps Putschversuch zu erinnern, aber die meisten scheinen das schon wieder vergessen zu haben.

Das ist ein Fluch. Worin besteht der Segen?

Wir Amerikaner neigen aufgrund unseres kurzen Gedächtnisses dazu, ziemlich unverwüstlich und zukunftsorientiert zu sein. Meine Hoffnung ist, dass wir ab dem 6. November in eine neue Ära eintreten werden, in der sich die erhitzten Gemüter etwas beruhigen und der Wahnsinn, in dem wir uns noch befinden, zurückgeht. Ich glaube, dass die Menschen einfach geistig erschöpft sind. Zählen wir nur ein paar Entwicklungen auf: erst Trump, dann Covid, gefolgt vom Putschversuch am 6. Januar 2021, dann Putins Angriff auf die Ukraine und der Krieg im Nahen Osten. Kein Wunder, dass die Menschen eine große mentale und emotionale Müdigkeit verspüren. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Demokraten ihre Basis aktivieren und gerade auch die müden Leute zur Wahl gehen.

Die demokratische Basis wird aber gerade in den sogenannten Swing States nicht reichen?

Wir müssen mit den unentschlossenen Wählern sprechen, richtig. Und alle Menschen immer wieder daran erinnern, was während der ersten Präsidentschaft Trumps passiert ist. Bei einer zweiten Amtszeit würde es noch schlimmer, es steht so viel auf dem Spiel. Dagegen muss immer wieder betont werden, was die Administration von Joe Biden bislang alles Gutes geleistet hat.

Besteht die Chance, auch bisherige Trump-Wähler anzusprechen?

Ja. Zunächst einmal müssen sich ältere Republikaner fragen lassen, ob sie sich wirklich hinter eine Bewegung stellen wollen, die die amerikanische Demokratie angreift? Denn Trump ist ein Möchtegerndiktator. Und nicht nur das, er hat sich auch des sexuellen Übergriffs schuldig gemacht. Ich hoffe, dass viele Frauen ihn nicht wählen werden und ihre Männer ebenfalls nicht. Mein Gott, dieser Typ hat damit geprahlt, Frauen ungestraft in den Intimbereich fassen zu können. Ich lebe hier in Kalifornien in einer Gegend, in der drei Viertel meiner Nachbarn Cowboys sind. Wissen Sie, was diese Leute eigentlich mit einem Kerl anstellen würden, der Frauen so behandelt?

Ich habe eine Ahnung.

Genau. Ganz sicher sollte man einen solchen Typen wie Trump nicht wählen. Also, ich glaube nicht, dass diese Konservativen für Biden stimmen, aber wir können sie vielleicht davon überzeugen, zumindest Trump keine Stimme zu geben. Es gibt die alten Werte noch, auch wenn die Republikaner so tief gesunken sind. Sie beschmeißen sich selbst mit Dreck. Wenn es noch irgendeine Hoffnung für diese Partei gibt, besteht sie darin, dass manche Leute nach einer Niederlage im November erkennen, in welches Wahldesaster sie dieses "Make America Great Again" geführt hat. Ob dann eine neue Partei entstehen könnte oder die alten Republikaner ihr Rückgrat wiederfinden? Ich weiß es nicht.

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Wie erklärt sich Trumps anhaltende Popularität?

Gerade an der deutschen Geschichte lässt sich gut erkennen, wie Demagogen arbeiten. Sie haben das Talent, Menschen, die sich ansonsten unwichtig fühlen, das Gefühl von Bedeutung zu geben. Viele Amerikaner mit geringerer Bildung und Einkommen sehen nun in einem angeblich milliardenschweren Immobilienmakler ihren "Retter". Das bedeutet, dass auch wir Demokraten keine gute Arbeit geleistet haben, weil wir offensichtlich nicht genug mit diesen Menschen sprachen.

Dafür erhalten die Amerikaner reichlich Ansprache über rechte Medien wie Fox News. Welche Rolle spielt das?

Eine sehr große. Millionen Amerikaner erhalten Fehl- und Desinformationen, oft von Fox News. So bekommen sie eine Lüge nach der anderen, sie schlucken sie einfach. Darüber hinaus ist es Trump erfolgreich gelungen, eine alte Ader der amerikanischen Politik anzuzapfen: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Wenn wir uns heute anschauen, was Trump über Menschen aus Mexiko und Mittelamerika sagt, kann ich Ihnen aufzeigen, wie von ähnlichen Leuten im 19. Jahrhundert und später über Einwanderer etwa aus Irland, Italien und auch Deutschland gesprochen wurde.

Sie treten Trump etwa auf X, dem früheren Twitter, entgegen. Dort gebietet seit einiger Zeit Elon Musk, der die Nähe zu Trump sucht.

Wir können uns die Schlachtfelder nicht immer aussuchen. Ich spreche klar, ich spreche hart, um Trump entgegenzutreten. Auch auf X. Denn das ist, was wir gerade wirklich brauchen.

Zu diesem Zweck haben Sie auch Ihre erfolgreiche Karriere als Schriftsteller aufgegeben, das gerade erschienene Buch "City in Ruins" ist Ihr letztes. Was ist das für ein Gefühl?

Es ist wichtig, den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören nicht zu verpassen und in Würde zu gehen. Mit meiner Entscheidung bin ich im Reinen. Sie war bittersüß, aber sie steht. Die letzten Seiten von "City in Ruins" zu schreiben, war aber sehr emotional. Das gebe ich zu.

Reden wir über "City in Ruins", das den letzten Teil einer Trilogie darstellt. Der Clou besteht darin, dass Sie sich bei den drei Büchern von antiken Klassikern wie der "Ilias" von Homer und der "Aeneis" von Vergil haben inspirieren lassen. "City in Ruins" spielt nun im amerikanischen Zockerparadies Las Vegas. Warum?

Der Lebenszyklus von Danny Ryan, meinem Protagonisten, folgt dem Leben der antiken Sagengestalt Aeneas, dem die Flucht aus dem brennenden und untergehenden Troja gelang. Was war seine Mission? Ein Imperium zu errichten. So weit, so gut. Wo zum Teufel baut man aber im Amerika der 1990er-Jahre ein Imperium auf? Es hat lange gedauert, bis ich es herausgefunden habe. Natürlich, Las Vegas, denn dort kann man bauen, was man will.

Vorausgesetzt, man verfügt über das nötige Kapital.

Das ist die Voraussetzung, ja. Als Krimiautor muss man sich mit der Geschichte des Verbrechens und insbesondere der Geschichte des Verbrechens in Las Vegas ziemlich gut auskennen. Verschiedene Epochen prägten die Stadt, von einer Gründungsphase mit Bugsy Siegel über Tony Spilotro bis hin zu den Neunzigerjahren, als Unternehmen dort zu Einfluss kamen. Las Vegas ist der Traum eines jedes Schriftstellers, eine Stadt, die Verheißung und Albtraum gleichzeitig ist.

Sie haben Jahrzehnte an der Trilogie gearbeitet. Warum haben Sie auch angesichts Ihrer vielen anderen Bücher an diesem Projekt so lange festgehalten?

Ich wollte es einfach zu Ende bringen. Manche Geschichten lassen einen einfach nicht los. Das erste Buch, "City on Fire", war relativ einfach, weil es der Handlung der "Ilias" folgt: Der darin beschriebene Trojanische Krieg war im Grunde ein Bandenkrieg. Das Vergangene und die Geschichte des Romans zu parallelisieren, war entsprechend einfach. Aber als ich dann in andere Phasen von Dannys Ryans Leben einstieg, bestand das Problem darin, zeitgenössische Entsprechungen zu antiken Ereignissen zu finden, die in unserer Zeit einen Sinn ergeben. Und zwar Entsprechungen, die sich nicht erzwungen anfühlen, nicht nur repräsentativ, sondern modern und völlig glaubwürdig.

Klingt schwierig.

Das war es auch. Ich bin ein paar Mal daran gescheitert. Einmal habe ich ein paar hundert Seiten Manuskript weggeworfen. Tatsächlich brauchte ich einfach Zeit. Wenn ich diese drei Bücher in meinen Dreißigern geschrieben hätte, wären sie ziemlich schlecht geworden. Ich brauchte mehr Reife, mehr Lebenserfahrung und mehr Zeit zum Schreiben.

Haben Sie vor dem Hintergrund Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung einen Ratschlag an junge Schriftsteller?

Meiner Erfahrung nach setzen sich die Leute oft zu ambitionierte Ziele und scheitern daran. Sie betrachten sich dann selbst als Versager und hinterfragen nicht den Prozess an sich. "Macht das Machbare", das ist mein Rat an junge Schriftsteller. Zwei Seiten am Dienstag, zwei weitere am Donnerstag, das ist ein besseres Ziel als zu sagen: "Dieses Jahr schreibe ich meinen Roman." Setzt euch machbare Ziele, aber tut es dann auch. Und gebt niemals auf.

Dieser Regel sind Sie auch selbst gefolgt.

Mein erstes Buch ist reihenweise von Verlegern abgelehnt worden. Es gab eine Reihe von harten Momenten. Ich erinnere mich, wie ich einmal in der Einfahrt stand und mich fragte, wie ich mir noch Lebensmittel leisten könne. Aber wir Schriftsteller sollten nicht so viel jammern. Auch andere Berufe haben es schwer, fast jeder, den ich kenne, egal, was er macht, hat schon Ablehnung erfahren.

Antike Sagen in die Gegenwart zu versetzen, ist ein riskantes Unterfangen. Haben Sie darüber nachgedacht, auf die sichere Bank William Shakespeare zu setzen und eines von seinen Dramen in unsere Zeit zu versetzen?

"Der Pate" ist eine Nacherzählung von Shakespeares "Heinrich der Vierte". Das ist große Literatur, aber ich wollte tiefer und weiter zurückgehen. Deswegen habe ich die antiken Klassiker als Vorbild genommen. Ich war einfach erstaunt über ihre Ähnlichkeit mit Krimis. Alle Themen, die wir in meinem geliebten Krimi-Genre behandeln, haben schon Griechen und Römer behandelt. Klassiker sind nicht ohne Grund Klassiker – und zwar, weil sie ewige menschliche Zustände ansprechen.

Nun könnten die US-Wahlen dramatisch enden. Was ist Ihre Erwartung?

Ich habe keine Kristallkugel. Sicher weiß ich nur, dass ich so hart wie möglich für einen guten Ausgang kämpfen werde.

Herr Winslow, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Don Winslow via Videokonferenz
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