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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Politologe Münkler "Beobachten einen Umbruch der Macht"
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Die USA und Russland nähern sich an, zum Leidwesen der angegriffenen Ukraine. Doch diese Entwicklung ist nur Teil einer globalen Machtverschiebung, sagt Politologe Herfried Münkler.
Die liberale und regelbasierte Weltordnung ist nicht erst seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Schwinden begriffen. Aber: Seit dem 20. Januar 2025 beschleunigt sich der Verfall enorm. Auch der renommierte Politologe Herfried Münkler warnt darum vor einem Ende des westlichen Wertebündnisses.
"Was wir beobachten, ist das Ende des transatlantischen Westens als geopolitischer Akteur", sagt der emeritierte Professor der Berliner Humboldt-Universität im Gespräch mit t-online. "Dies wird begleitet von einer Wiederkehr imperialen Denkens und Agierens bei Russen, Chinesen und jetzt auch bei den US-Amerikanern im Hinblick auf den Panamakanal, auf Kanada und Grönland."
Trump schickt sich an, den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. Allerdings scheinen dabei die ukrainischen Interessen eine untergeordnete oder gar keine Rolle zu spielen. In Saudi-Arabien haben sich diese Woche eine amerikanische und eine russische Delegation unter Führung von Außenminister Marc Rubio und Sergej Lawrow zu ersten Gesprächen getroffen. Beide Regierungen wollen zudem ihre Beziehungen demnach verbessern, was einen Bruch mit der Politik von Trumps Vorgänger Joe Biden darstellt.
Selenskyj als "Diktator" bezeichnet
Zuvor schon hatte Trump mit verschiedenen Aussagen international Unruhe ausgelöst: Panama etwa behandle die USA in Bezug auf die wichtige Wasserstraße Panamakanal "unfair", Trump bezeichnete Kanadas Premierminister Justin Trudeau als "Gouverneur", und Grönland, das politisch zu Dänemark gehört, will Trump "kaufen". Zuletzt rief Trumps Vizepräsident J. D. Vance auf der Sicherheitskonferenz in München heftige Kritik hervor. Vance hatte in seiner Rede europäischen Staaten "undemokratisches Verhalten" vorgeworfen.
Was daraus für Europa, das über das transatlantische Bündnis Nato eng mit den USA verbunden ist, folgt, erklärt Herfried Münkler so: "Die Europäer müssen sich entscheiden, ob sie in dem sich ausbildenden System der fünf Vormächte dabei sein wollen." In seinem Buch "Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert" hatte Münkler die USA, China, Russland, Indien und möglicherweise die Europäische Union als diese Vormächte ausgemacht. Münkler sagte t-online weiter: "Oder ob die Europäer ein Befehlsempfänger Washingtons oder auch Moskaus beziehungsweise Pekings sein wollen." Der Politologe resümiert: "Darum geht es bei dem jetzt zu beobachtenden Umbruch der Macht."
Hinter den Äußerungen Trumps gegen sein Land vermutet Justin Trudeau Interesse an den reichen Bodenschätzen Kanadas. Auch die Bodenschätze der Ukraine sind für Trump ein Thema. Politisch äußerte sich der US-Präsident gegenüber seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj despektierlich, dieser sei laut Trump ein "Diktator ohne Wahlen". Diese Aussage Trumps rief scharfe Kritik etwa von Bundeskanzler Olaf Scholz hervor.
- Statement von Herfried Münkler
- Eigene Recherche
- tagesschau.de: "Was ist dran an Trumps Aussagen zum Panamakanal?"
- spiegel.de: "Grönland als Teil der USA? Laut Rubio meint es Trump ernst"
- tagesschau.de: "Eine beispiellose Abrechnung mit Europa"
- ORF.at: "Kanada rüstet sich nach Trump-Ansagen"
- tagesschau.de: "Trump nennt Selenskyj 'Diktator ohne Wahlen'"