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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Garten-Experte Staude für Faule: "Diese Pflanze kann praktisch nicht kaputtgehen"
Eigentlich gelten Stauden als trockenverträglich – und gut gewappnet für die Klimakrise. Doch auch unter Rittersporn, Aster und Co. gibt es Gewinner und Verlierer. Staudengärtner Till Hofmann klärt auf.
Stauden sind die Lieblinge der Hobbygärtner. Erstens sind die Pflanzen mehrjährig. Man spart sich die jährliche Neubepflanzung. Zweitens verschönern sie mit ihrer Blütenpracht Garten und Balkon. Und drittens gelten sie zumeist als anspruchslos und pflegeleicht.
Damit das tatsächlich so ist, braucht es die eine oder andere Vorüberlegung, denn gerade der Standort der Staude entscheidet über Sein oder Nichtsein – vor allem in der Klimakrise: Hier müssen Akelei, Fetthenne und Glockenblume, aber auch Lavendel oder Margerite mit den sich verändernden Bedingungen wie Hitze, Trockenheit und Wassermangel zurechtkommen. Aber welche Stauden sind besonders davon betroffen und welche nicht?
Wir haben jemanden gefragt, der es wissen muss: Till Hofmann ist Staudengärtner, Dozent, Autor und Besitzer einer Gärtnerei im unterfränkischen Rödelsee. Stauden sind für den 54-Jährigen in erster Linie keine Deko-Artikel, sondern "eine Art von Mosaikteilen, die mit den Jahren zu Vegetations-Bildern heranwachsen". Deshalb bietet er Stauden neben den gewohnten Verwendungskategorien wie Blütenfarben, Jahreszeiten oder den so wichtigen Standortansprüchen, auch nach deren ökologischen Verbreitungsstrategien an. Und: Er kennt die Wünsche, aber auch Sorgen und Nöte der Hobbygärtner gut. Im t-online.de-Interview verrät er Tipps und Tricks rund um Stauden.
Herr Hofmann, der Bund deutscher Staudengärtner hat 2020 das trockenverträgliche Ziergras Panicum zur Staude des Jahres gewählt. Wollten die Juroren in Zeiten der Klimakrise ein Zeichen setzen?
Die Gattung Panicum, die im Deutschen Rutenhirse heißt, gehört ja seit vielen Jahren zum festen Sortimentsinventar. Zwei Dinge waren entscheidend: Einerseits ist die Staude äußerst flexibel. Sie kommt im heißen Sommer wochenlang ohne Wasser aus, hat aber mit einem feuchten Sommer, wenn er denn käme, auch kein Problem. Dann wächst sie eben etwas höher und kräftiger. Andererseits, und das ist der zweite Grund, sind in den letzten 15 Jahren viele neue Sorten in den Handel gekommen. Das betrifft die Wuchsform und Größe, aber auch das Farbenspektrum der Belaubung: von früh einsetzenden Sommer- bis hin zu späten Herbstfärbungen. Das macht die Staude auch für Hobbygärtner interessant.
Das Panicum ist also ein Klimagewinner. Welche Stauden gehören zu den Klimaverlierern?
Wir als Staudengärtner zählen in unseren Gärtnereien zwischen 1.000 und 3.000 Arten und Sorten. Unter denen gibt es immer Gewinner und Verlierer. Hier bei uns in Unterfranken, wo es im Sommer besonders heiß und trocken ist und wo die Zwei-Grad-Erwärmung bereits heute Realität ist, sind einige der asiatischen Waldstauden, die ja aus Sommermonsun-Gebieten stammen, etwas schwieriger zu kultivieren. Zum Beispiel Rodgersia (Schaublatt). Auch Cimicifuga (Silberkerze) und Astilbe (Prachtspiere) haben Probleme mit Hitze und starker UV-Strahlung. Nicht zuletzt der herrliche Rittersporn bereitet leider zusätzliche Mühe. Was aber nicht bedeutet, dass man sie nicht pflanzen sollte. Gerade im Schatten und in kühleren Gartenecken sind sie sicherlich noch eine gute Wahl. Dennoch merkt man, dass die Erderwärmung einigen Pflanzen nicht bekommt. Einige gewinnen, andere verlieren. Aber es ist nicht aussichtslos, denn neue Arten aus passenden Klimazonen geraten in den Fokus. Das ist die gute Nachricht.
Stichwort: Eigenschutz. Welche Strategien entwickeln Stauden vor zu viel Sonne?
Es sind die bekannten Methoden, auf die Stauden an extremeren Standorten schon immer zurückgreifen: kleine, behaarte, wachsartige, harte oder dickfleischige Blätter. Die schützen die Pflanze bei starker Sonneneinstrahlung vor Verdunstung. Andere sind Tiefwurzler und trotzen so längeren Trockenperioden. Auch viele Zwiebelblumen sollten mit ihrer Sommerruhe zukünftig noch besser gedeihen.
Was kann man tun, dass der Boden im Staudenbeet nicht zu stark austrocknet?
Der beste Tipp ist das Mulchen, also den Erdboden mit Material abdecken, das die Verdunstung verringert. Entweder konventionell mit Rindenmulch, was sich eher für halbschattige bis schattige Standorte eignet. Oder mit mineralischen Mulchstoffen wie Splitt, Kies, Sand oder mit Mischungen daraus. Was immer man verwendet, wichtig ist, dass man überhaupt mulcht. Denn jedes Mulchen sorgt dafür, dass der Boden, besonders die obere Schicht, wo die meisten Wurzeln sind, länger kühl und feucht bleibt. Letztlich wird der Boden durch die Mulchschicht auch fruchtbarer, weil das Bodenleben aktiver bleiben kann. Das kommt der Staude zugute.
Und wenn die Staude einen schattigen Standort hat?
Dann reicht es, den Boden mit ein wenig Laub zu bedecken, das vielleicht die Staude oder ein Gehölz nebenan selbst abgeworfen hat. Falls kein Laub da wäre, einfach im Garten woanders einsammeln und auf dem Staudenbeet verteilen.
Beginnt die Staudensaison wirklich immer früher?
Ja, die Nachfrage beginnt zeitiger. Ob das gärtnerisch sinnvoll ist, sei dahingestellt. Der Kunde will halt etwas pflanzen, sobald die Sonne rauskommt. Ich bremse da immer eher ein wenig. Wer Stauden zu früh pflanzt, hat eigentlich keine Vorteile. Ich würde nicht vor Mitte März beginnen.
Warum?
Im zeitigen Frühjahr ist es zumeist noch zu kalt und man muss mit Frösten rechnen. Das haben wir dieses Jahr besonders gemerkt. Zwar erwärmt sich die Luft schnell, aber eben nicht der Boden. Das Wurzelwachstum ist deshalb noch sehr zögerlich. Von Mitte März bis Mitte November ist Pflanzzeit, wobei der Spätsommer und der Herbst zusätzliche Vorteile bringen.
Welche sind das?
In dieser Zeit fällt durchschnittlich mehr Regen, vor allem ist die Verdunstung in den länger werdenden Nächten stark reduziert, man muss weniger gießen. Und die dann nicht mehr heißen, sondern kühleren Tage bieten günstige Bedingungen für die allermeisten Arten. Zudem ist der Boden noch warm und die Pflanzen kommen in ihrem Wachstum schneller voran. Zu dieser Zeit haben die Stauden dann noch ein Viertel Jahr Zeit, um gut vor dem Winter einzuwurzeln.
Wir haben jetzt viel über Stauden im Garten gesprochen. Welche eignen sich im Kübel oder im Blumenkasten für den Balkon?
Das ist eine häufig gestellte Frage. Wichtig ist die Lage des Balkons, aber auch die Größe des Pflanzgefäßes und das Substrat. Potenziell geeignet sind sehr viele Pflanzen. Die ganz wachstumsstarken Stauden lässt man allerdings eher weg. Es bieten sich Pflanzen an, die über eine lange Blüte hinaus zusätzliche Qualitäten zeigen, zum Beispiel schöne Blattrosetten oder einen interessanten Wuchs. Gräser sind noch immer unterrepräsentiert, da viele Kunden sehr auf bunte Blüten fixiert sind und dabei übersehen, dass diese nur eine gewisse Zeit blühen.
Welche Sorten empfehlen Sie?
Mexikanisches Federgras und Fetthenne, das funktioniert immer. Gerade im Steingartensortiment findet man Passendes für den Balkon, zum Beispiel die im Frühjahr und Frühsommer blühenden Polsterstauden. Dazu zählen Nelke, Glockenblume, Sonnenröschen. Sie sind alle sehr gut geeignet, weil ihre Polster außen dekorativ an den Kübeln überhängen und den knappen Platz erweitern. Aber auch hartlaubige, mediterrane Pflanzen oder Halbsträucher wie Lavendel mögen einen Platz auf dem Balkon.
Stauden sollte man nach der ersten Blüte zurückschneiden, damit sie im Spätsommer ein zweites Mal austreiben. Funktioniert das bei allen?
Es gibt ein paar Stauden, bei denen das funktioniert, zum Beispiel dem Rittersporn. Den man übrigens nicht in einen Balkonkübel pflanzen sollte, sondern in ein kühles Waldbeet. Ein Klassiker ist auch der Gartensalbei. Er blüht recht zuverlässig ein zweites Mal, wenn man ihn rechtzeitig zurückschneidet, auch Witwenblume und Grasnelke können das. Man sollte nicht warten bis sich in den Blüten die Samenstände bilden, sondern aktiv werden, wenn die Blüten noch Farbe zeigen. Dann komplett herunterschneiden. Wenn man den Boden feucht hält, bekommt die Pflanze Lust, wieder Blätter und Blüten zu treiben. Dann hat man einen zweiten Flor im Spätsommer.
Gibt es eigentlich eine Staude für Faule? Damit meine ich: pflanzen, aber nichts weiter tun und sich trotzdem über Blüten und Blätter freuen.
Ja klar. Die findet man etwa in alten, verwilderten Gärten. Dort können manche Stauden Jahrzehnte überleben, ohne dass sie gegossen oder gepflegt werden. Zum Beispiel die Bergenie, eine fettfleischige Pflanze mit glänzendem Laub, die aussieht wie ein großer Steinbrech, und die es auch in vielen Sorten gibt. Diese Pflanze kann praktisch nicht kaputtgehen und gedeiht fast an jedem Standort. Aber auch das erwähnte Panicum gedeiht völlig autark, solange es genug Licht bekommt.
Die Bergenie gehört zu den bienenfreundlichen Stauden, oder?
Richtig. Und nicht nur sie. Das Schöne an den Stauden war und ist, dass ihre Bienenfreundlichkeit schon immer riesig war. Man kommt gar nicht drum herum. Die Stauden sind einfach in ihrer Vielfalt bienenfreundlich und auch in dieser Hinsicht nachhaltig. Besonders auffällig ist das bei allen Lamiaceae, also Lippenblütlern wie Lavendel, Thymian und Salbei, oder Dickblattgewächsen wie Fetthenne sowie die vielen Asternsorten. Diese und viele andere Stauden sind schon immer Futter und Lebensraum gewesen, heute sagt man halt "Bienenmagneten".
Was ist Ihre Lieblingsstaude?
Puh, die wechselt natürlich fast täglich.
Keinen All-Time-Favorite?
Ich stehe hier gerade in der Gärtnerei und könnte Ihnen ganz viele nennen. Zufällig sehe ich aber die Aster sedifolius 'Nanus' (Wilde Zwerg-Aster) – eine kompakt wachsende, dicht verzweigte, heimische Wildstaude. Sie sieht ganzjährig aus wie ein kleines Weidenbüschlein in hellem, freundlichen Grün.
Blüht in Blauviolett, allerdings recht spät im September und Oktober und erinnert dabei ein wenig an Lavendel. Die Staude ist sehr bienenfreundlich und trockenverträglich. Und man kann sie auch in Balkonkästen pflanzen.
Dann können Sie sich ja schon mal auf den Herbst freuen. Bis dahin wünschen wir einen blütenreichen Sommer. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hofmann.
- Telefoninterview vom 21. Juli 2020