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Schweineherztransplantation: Rettung beim Warten auf ein Spenderorgan?


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Medizinischer Meilenstein
Wird die Herztransplantation von Schweinen bald Standard?


Aktualisiert am 14.01.2022Lesedauer: 5 Min.
In einer Klinik in Baltimore haben Ärzte erstmals einem 57-jährigen Patienten ein genetisch modifiziertes Schweineherz eingesetzt.Vergrößern des Bildes
In einer Klinik in Baltimore haben Ärzte erstmals einem 57-jährigen Patienten ein genetisch modifiziertes Schweineherz eingesetzt. (Quelle: Tom Jemski/University of Maryland School of Medicine/dpa)
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Die Nachricht, dass in den USA erstmals ein Schweineherz in einen Menschen transplantiert wurde, weckt Hoffnungen bei allen, die auf ein Spenderorgan warten.

Zwei Herzchirurgen erklären, welche Bedeutung der Eingriff für die Transplantationsmedizin hat und welche Fragen er aufwirft – aus medizinischer und ethischer Sicht.

Schon lange versuchen Forscher, Organe in Schweinen zu züchten, die für Menschen medizinisch nutzbar sind – neben Herzen auch Nieren oder Lungen. Doch noch nie wurde ein tierisches Herz in einen Menschen verpflanzt. Die medizinische Premiere in den USA könnte eine neue Ära für die Transplantationsmedizin einläuten.

Schweineherztransplantation ein "medizinischer Meilenstein"

Die Fachwelt ist euphorisch und spricht von einem Durchbruch. "Man kann das absolut als medizinischen Meilenstein bezeichnen", sagt Professor Hermann Reichenspurner, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung.

Dennoch fehlen wichtige Informationen über die Vorbereitung und Durchführung der OP. Das macht eine umfassende medizinische Beurteilung schwierig. "Wir wissen derzeit noch zu wenig über die Hintergründe und Vorarbeiten zu dem Eingriff", sagt Professor Jan Gummert, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung und Leiter der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen.

Offene Fragen zum Eingriff in den USA

"Ohne den Erfolg der Kollegen in den USA schmälern zu wollen, gibt es noch zu viele offene Fragen." Es sei beispielsweise noch nicht publiziert, welche abwehrschwächenden Medikamente der Patient in welcher Dosierung erhalten habe.

Ohne diese Informationen seien keine konkreten Aussagen möglich, ob das Verfahren geeignet sei, routinemäßig in der klinischen Praxis eingesetzt zu werden.

Manipulierte Gene verhindern die Abstoßung

In Deutschland wird schon seit Jahrzehnten zum Thema Xenotransplantation, also der Verpflanzung von Tierorganen in den Menschen, geforscht. Auch an genmodifizierten Schweinen. Ziel ist es, ein Verfahren zu entwickeln, dass Tierherzen in den menschlichen Körper verpflanzt werden können, ohne dass es zu Abstoßungsreaktionen kommt. "Das Entscheidende bei der genetischen Manipulation ist, dass das Schweineherz vom Körper des Menschen nicht als solches erkannt wird, sondern als menschliches Herz betrachtet wird", sagt Reichenspurner.

Wäre das nicht der Fall, würde es innerhalb von 30 bis 40 Minuten abgestoßen. Abstoßungen gebe es auch gegenüber menschlichen Spenderorganen. Allerdings könnte man diese mit Medikamenten in den Griff bekommen, die das Immunsystem unterdrücken.

Wie lange schlagen Schweineherzen?

Wie lange der transplantierte Patient mit dem Schweineherz leben kann und ob sich Abstoßungsreaktionen zeigen, weiß keiner. "Seriöse Aussagen zu seinen Überlebenschancen lassen sich aus der Ferne nicht machen", sagt Gummert. Man wisse noch zu wenig über die genauen Umstände wie zum Beispiel die Vorerkrankungen des Patienten. Auch Reichenspurner wagt keine Prognosen: "Ob Schweineherzen wirklich so lange halten und so lange schlagen wie menschliche Herzen, kann man nicht vorhersagen."

"Selbst wenn das Ganze bei dem amerikanischen Patienten jetzt über Wochen oder Monate funktioniert, ist das erst mal ein Einzelfall", sagt Gummert. "So eine neue, bahnbrechende Therapie muss man erst einmal in aufwendigen klinischen Studien untersuchen". Erst dann könne man solide Aussagen darüber treffen, wie lange Menschen mit einem tierischen Spenderherz im Durchschnitt leben können.

Wie weit ist Deutschland?

Doch wie realistisch ist es, dass Xenotransplantationen bald auch in Deutschland durchgeführt werden? Reichenspurner ist zuverlässig: "Das entsprechende Know-how ist vorhanden und entsprechende Vorbereitungen laufen schon."

Der Herzchirurg verweist dabei auf den Münchner Herzchirurgen Professor Bruno Reichart, der führend auf diesem Gebiet ist und sich schon seit über 20 Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigt. Das Projekt werde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. In München sei auch bereits eine Firma gegründet, die sich mit der Kommerzialisierung der transgenen Schweine für medizinische Zwecke beschäftige.

Derzeit arbeiten die Wissenschaftler an Medikamenten zur Kontrolle von Abstoßungsreaktionen. In klinischen Tierstudien erhofft man sich, vertiefte Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob und in welcher Form Herztransplantationen vom Schwein zum Menschen auch in Deutschland umgesetzt werden könnten.

Eine Vision wird langsam Wirklichkeit

Bis Tierorgane routinemäßig in deutschen Kliniken bei Patienten eingesetzt werden, ist es aber noch ein langer Weg. Die Schweineherztransplantation in den USA sei zweifelsohne ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung, sagt Gummert.

"Aus meiner Sicht ist es aber immer noch eine Vision, die jetzt ein wenig realistischer geworden ist. Ich würde nicht wagen zu sagen, dass solche Eingriffe schon in zehn Jahren zur Routine werden. Aber es wäre natürlich eine tolle Sache, wenn das gelingen sollte."

Ob und wann das neue OP-Verfahren in Deutschland eingesetzt werden kann, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Zum einen müssen weitere Studien erfolgen, zum anderen muss die Zulassungsbehörde grünes Licht geben. Das könne möglicherweise in Europa länger dauern als in den USA, sagt Reichenspurner. "In den letzten Jahren war die FDA, die amerikanische Zulassungsbehörde, immer etwas schneller als ihr europäisches Pendant."

Sind ethische Bedenken berechtigt?

Die Vorstellung, dass Tiere gezüchtet und genetisch manipuliert werden, um Menschen als Ersatzteillager für Operationen zu dienen, weckt bei vielen Unbehagen. Xenotransplantationen können zwar Menschenleben retten, berühren gleichzeitig aber auch einen ethischen Grenzbereich.

Gummert hat hierzu eine klare Haltung: "Xenotransplantationen sind aus ethischer Perspektive akzeptabel, denn Schweine werden auch zur Herstellung von Speisen gezüchtet." In diesem Punkt gebe es auch eine gesellschaftliche Akzeptanz, anders als bei Affen, die dem Menschen näher stehen und nicht als Nahrungsmittel verwendet werden.

Reichenspurner sieht das ähnlich: "Solange wir genügend Schweine für Braten haben, sollten wir auch genügend Schweine für Spenderherzen haben".

Organisches Tiermaterial schon lange im Einsatz

"Tierische Ersatzteile zu verwenden ist nichts Ungewöhnliches und hat eine lange Tradition", sagt Reichenspurner. Der Chirurg verweist auf Herzklappen von Schweinen und Rindern, die bereits seit über 50 Jahren in der Kardiologie verwendet werden.

Organisches Material von Tieren wird auch in anderen medizinischen Bereichen schon lange eingesetzt. Millionen Diabetiker spritzten sich Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Schwein und Rind, bis das besser verträgliche gentechnisch produzierte Hormon therapeutische Alternativen brachte. Auch die Haut von Schweinen hilft bei der Behandlung von Brandopfern vorübergehend.

Blick in die Zukunft: Wie weit darf Medizin gehen?

Dennoch ist eine Herztransplantation vom Schwein zum Menschen qualitativ anders zu beurteilen als die Verwendung tierischer Zellen oder tierischen Gewebes. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob Tiere als "Biomasse" für medizinische Zwecke gezüchtet werden dürfen.

Bei der Einpflanzung von Tierorganen in den Menschen werden zwei unterschiedliche Organismen in einem Körper vereint – ein Vorgang, der so von der Natur nicht vorgesehen ist. Führt man diesen Gedanken weiter, könnte die Entwicklung dazu führen, dass Menschen im Laufe ihres Lebens mehrfach tierische "Ersatzteile" erhalten, um körperliche Defizite und Verschleißerscheinungen auszugleichen und auf diese Weise Mischwesen entstehen.

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Informationen zum Thema Herztransplantation erhalten Sie in der von der Deutschen Herzstiftung herausgegebenen Zeitschrift "Herz" unter dem Titel "Die zweite Chance: Hilfe für schwache Herzen". Die Broschüre ist kostenfrei zu bestellen unter Tel. 069 955128-400 oder unter www.herzstiftung.de/bestellung.

Ein solches Szenario sieht Gummert jedoch nicht als realistisch an. "Man muss sich keine Sorgen machen, dass durch Xenotransplantationen Hybridwesen entstehen könnten oder dass der Mensch durch die Operation genetisch verändert werde."

Diese Risiken gibt es

Eine mögliche Gefahr sieht er eher darin, dass Viren im genetischen Material der Tiere vorhanden sein können, die in den menschlichen Organismus gelangen. Allerdings gibt es mittlerweile gentechnische Verfahren, durch die das Problem zumindest bei Transplantationen von Schweineherzen wahrscheinlich gelöst werden konnte.

"Solange es um Organe wie Herz, Niere und Bauchspeicheldrüse geht, sehe auch ich kein Problem", sagt Reichenspurner. "Anders wäre es, wenn wir über ein Organ des Nervensystems sprechen würden wie Augen, Ohren oder gar das Gehirn. So etwas wäre aus meiner Sicht undenkbar."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Deutsche Herzstiftung e.V.
  • Scientists and clinicals perform historic first successful transplant of porcine heart into adult human with end-stage heart desease, Online-Publikation der University School of Medicine Faculty, vom 10.1.2022
  • Baltimore doctors transplant pig heart. CBS Baltimore, 10.1.2022
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