Bielefelder Allgemeinmediziner Hausarzt Klaus Reinhardt wird Ärztepräsident

Mit drei Stimmen Vorsprung setzte sich der Mediziner gegen drei Konkurrenten durch. Im Vorfeld der Wahl äußerte der neue Präsident bereits scharfe Kritik – unter anderem an der Regierung.
Seit Jahrzehnten führten nur Klinikärzte die Bundesärztekammer – nun ist ein Hausarzt der neue deutsche Ärztepräsident. Der Bielefelder Allgemeinmediziner Klaus Reinhardt setzt sich denkbar knapp mit drei Stimmen Vorsprung im dritten und letzten Durchgang auf dem 122. Ärztetag in Münster durch. Der 59-Jährige wird sich nun an seinem Ziel messen lassen müssen, "mehr Zeit für unsere Patienten" zu erreichen.
Reinhardt lag in drei Wahlgängen vorne
Mit insgesamt vier Bewerbern war das Rennen um die Nachfolge des nach acht Jahren ausgeschiedenen Ärztepräsidenten Frank Ulrich Montgomery stark besetzt. Reinhardt lag in allen drei Wahlgängen knapp vorne. Am Ende reichten seine 124 Stimmen, um sich gegen die Niedersächsin Martina Wenker durchzusetzen. Diese hatte die erste Frau in der gesundheitspolitisch mächtigsten Organisation der deutschen Ärzte werden wollen.
Reinhardt kam am 22.Mai 1960 als Sohn eines Ärzteehepaares in Bonn zur Welt. Er machte in Bielefeld Abitur, zog dann zum Studium von Philosophie und Jura 1980 nach Bonn, bevor er sich zum Medizinstudium entschloss. Dies absolvierte er von 1982 bis 1989 im italienischen Padua. Reinhardt arbeitete zunächst in der Schweiz, bevor er 1993 die Praxis der Eltern in Bielefeld übernahm.
Seit vier Jahren im Vorstand der Bundesärztekammer
Parallel zu seiner Arbeit als Arzt setzte sich Reinhardt bald auch gesundheitspolitisch in Verbänden ein. Er übte Ehrenämter bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, bei der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, im Verband Freier Berufe und in der Akademie für medizinische Fortbildung aus.
Die größte Präsenz erreichte er aber im Hartmannbund, dessen Landesverband Westfalen-Lippe er seit 2005 führt und bei dem er 2011 Bundesvorsitzender wurde. Seit vier Jahren ist er auch im Vorstand der Bundesärztekammer und dort Vorsitzender im Ausschuss Gebührenordnung.
Wofür Reinhardt sich einsetzen möchte
Schon seit Jahren beklagte Reinhardt als Vertreter des Hartmannbundes den Zeitdruck in seinem Beruf. Zu wenig Zeit für die Patienten, zu viel Bürokratie, so lautete zusammengefasst die Kritik. "Wir brauchen mehr Zeit für ärztliches Handeln", erklärt er nach der Wahl. Ärztliche Zuwendung und Empathie seien Basis für das Vertrauen der Patienten – für die dafür nötigen Freiräume werde er kämpfen.
Reinhardt scheint dabei in dem von vielen unterschiedlichen Interessen geprägten Gesundheitswesen keine Konflikte zu scheuen. Im Vorfeld seiner Wahl teilte er im Bielefelder "Westfalen-Blatt" kräftig aus.
Kritik an Bundesgesundheitsminister Spahn
Die Krankenkassen und Kostenträger nennt er bei der von den Ärzten geforderten Reform des Honorarsystems "die phantasielosesten Beteiligten" in dieser Sache. Wäre er Bundesgesundheitsminister, "würde ich denen Beine machen".
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisiert er ebenfalls. Der mache seinen Job zwar "sehr engagiert". Das Tempo seiner Gesetzesvorhaben sei aber "viel zu hoch", das verunsichere die Beschäftigten im Gesundheitswesen genau wie die Patienten. Auch die von der SPD geforderte Bürgerversicherung lehnt Reinhardt ab, davon halte er "nichts".
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In der Ärzteschaft erhoffen sich manche mit der Personalie einen Neuanfang in der Bundesärztekammer. Reinhardt sandte nach seiner Wahl einen Aufruf zur Geschlossenheit. "Im Gesundheitswesen ist der Kulturwandel im vollen Gang. Wenn wir diesen Wandel gestalten wollen, muss sich die Ärzteschaft auf die verbindenden Elemente besinnen und eine intelligente Vorwärtsstrategie entwickeln."
- Nachrichtenagentur AFP
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.