Experten vermuten Zyklus Keuchhusten-Welle grassiert in Deutschland
Neuer Höchststand bei der Zahl der Keuchhusten-Infektionen: Im Jahr 2016 registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) 22.119 Fälle - mit Abstand die meisten seit dem Beginn der bundesweiten Meldepflicht im Jahr 2013. Damals waren es rund 12.600 Patienten pro Jahr, 2015 rund 14.000. Impflücken begünstigten die Ansteckung mit den hochansteckenden Bakterien.
"Wir sehen hier wahrscheinlich beides: eine Krankheitswelle, aber auch eine zunehmend bessere Erfassung", sagte Wiebke Hellenbrand, Infektionsforscherin am RKI.
Keuchhusten ist hochansteckend
Seit Jahresbeginn wurden bereits 1554 neue Keuchhusten-Patienten an das RKI gemeldet. Hellenbrand vermutet, dass die Welle auch mit einem typischen Zyklus der Erregers zu tun hat: In Ostdeutschland werden Pertussis-Infektionen bereits seit 2002 erfasst. Höhepunkte waren die Jahre 2007 und 2012 - die Zeit könnte also wieder reif sein.
Besonders gefährlich ist Keuchhusten für Säuglinge. 2016 starben in Deutschland drei Babys an der Infektion - das sind untypisch viele. Erst ab dem zweiten Lebensmonat können sie gegen die Erkrankung geimpft werden, wie die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts (STIKO) erklärt. Generell lässt sich demnach in den ersten vier bis fünf Monaten kein sicherer Immunschutz für Säuglinge erreichen.
Bakterien verbreiten sich auch durch Sprechen
Der Schrecken, den Keuchhusten vor der Schutzimpfung seit den 1930er Jahren hatte, ist fast vergessen. Damals seien in Deutschland 10.000 Säuglinge pro Jahr an der hochansteckenden Infektion gestorben, so Hellenbrand. Die Bakterien verbreiten sich durch Husten, Niesen oder Sprechen über winzige Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum.
Bei der Einschulung waren nach den jüngsten RKI-Daten für 2014 fast 97 Prozent der Kinder in Ostdeutschland und 95 Prozent in Westdeutschland gegen Keuchhusten geschützt. Ganz anders bei den Erwachsenen - da ist es je nach Lebensalter nur jeder fünfte bis zehnte. Bei jungen Eltern hat ein Drittel einen Impfschutz, bei Schwangeren ein Fünftel. Dabei gelten Familien mit kleinen Kindern als Hauptrisikogruppe.
Impfung muss immer wieder aufgefrischt werden
"Keuchhusten ist bei der Bevölkerung und auch bei Hausärzten noch nicht vollständig im Bewusstsein", sagte Hellenbrand. Dazu kommt, dass die Impfung ihre Tücken hat. Sie muss immer wieder aufgefrischt werden. "Aber wir haben nichts Besseres."
Allein bei Kleinkindern sind es vier Teilimpfungen gegen Keuchhusten. Dazu kommen zwei Auffrischungen, einmal im Kindes-, einmal im Jugendalter. Für Erwachsene wird ein Pertussis-Schutz zusammen mit der Auffrischung für Tetanus und Diphtherie empfohlen - aber vielfach einfach vergessen. "Wahrscheinlich reicht der empfohlene Abstand von zehn Jahren auch nicht aus", sagte Hellenbrand. Erlischt der Impfschutz, können sich Menschen auch nach überwundener Infektion erneut anstecken.
Kontaktpersonen sollten geimpft sein
Ist eine junge Mutter nicht geimpft, hat ihr Baby bis zur ersten Immunisierungsmöglichkeit im Alter von zwei Monaten keinen Schutz. Es gebe deshalb Überlegungen, Schwangeren die Impfung generell zu empfehlen, sagte die Expertin. Zumindest kommt die Keuchhusten-Forschung mit der Meldepflicht nun weiter voran. "Wir hatten noch nie so viele Daten."
Wer Kontakt mit Säuglingen hat, sollte sich gegen Keuchhusten impfen lassen. Das kann etwa Eltern, Großeltern, Geschwisterkinder und Tagesmütter oder -väter betreffen, die in den vergangenen zehn Jahren nicht gegen Keuchhusten geimpft wurden.
Hustenanfälle treten häufig nachts auf
Zu Beginn der Erkrankung zeigen sich für ein bis zwei Wochen leichte Erkältungsbeschwerden mit Schnupfen, Husten und Schwächegefühl. Danach ist ein langwieriger, trockener Husten typisch. Es kommt zu krampfartigen Hustenstößen, die häufig mit einem keuchenden Einziehen der Luft enden. Die zahlreichen Hustenanfälle können sehr quälend sein und treten bei vielen Betroffenen vorwiegend nachts auf. Die Infektion dauert in der Regel vier bis sechs Wochen. Nur im Frühstadium lässt sich Keuchhusten erfolgreich mit Antibiotika bekämpfen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.