Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Virologe Kekulé erklärt Löst dieses Virus die nächste Pandemie aus?
Über fünf Millionen Deutsche leiden zurzeit an einer Atemwegserkrankung. Parallel dazu laufen in China die Krankenhäuser voll. Droht das hier auch?
Seit einigen Tagen kursieren in den sozialen Medien Bilder überfüllter Krankenhäuser in China. Bislang ist nicht ganz klar, was dahintersteckt. Vermutet wird ein Ausbruch des sogenannten Humanen Metapneumovirus (hMPV). Auch in Deutschland steigt die Zahl der Infektionen mit dem Erreger: Der aktuelle Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zu akuten respiratorischen Erkrankungen meldet einen – wenn auch geringen – Anstieg. Demnach wurde hMPV in der ersten Kalenderwoche in elf Prozent der eingereichten Proben nachgewiesen (im vorhergehenden Bericht waren es sieben Prozent).
Weitaus häufiger wird jedoch Influenza detektiert (21 Prozent), gefolgt von Rhinoviren (15 Prozent). In sechs Prozent der Fälle wurde Covid-19 entdeckt. Zusammenfassend kommt das RKI zu dem Schluss, dass sich die Gesamtzahl der Atemwegserkrankungen in Deutschland mit 5,3 Millionen auf einem für die Jahreszeit vergleichsweise hohen Niveau bewegt.
Angesichts der Bilder aus China werden bei vielen ungute Erinnerungen wach. Droht hier die nächste Pandemie? Im Interview mit t-online gibt der Virologe Alexander Kekulé jedoch Entwarnung: "Das wird keine neue Pandemie auslösen."
"Das ist nicht vergleichbar"
Dafür habe sich hMPV schon zu lange an den Menschen angepasst. "Das Virus ist wahrscheinlich bereits vor 200 Jahren von einem Vogel auf den Menschen übergesprungen und zirkuliert in Europa mindestens seit den 1950er-Jahren", so der Virologe. "Es gibt keine neuen Varianten und keine ungewöhnlichen oder besonders schweren Verläufe. Ein Großteil der Weltbevölkerung hat bereits Bekanntschaft mit dem Virus gemacht und einen guten Immunschutz. Mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ist dies nicht vergleichbar."
Zur Person
Prof. Dr. Alexander Kekulé ist Facharzt für Virologie, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und war Berater der Bundesregierung für Seuchenbekämpfung. Als Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Halle ist er zum 30. September 2024 in den regulären Ruhestand gegangen. In der Pandemie wurde er durch seine Talkshow-Auftritte und seinen Podcast beim MDR bekannt.
Demnach verlaufe die hMPV-Infektion wie eine Infektion mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV), mit Fieber, Husten und Schnupfen. Besonders betroffen sind demnach Kleinkinder, es kann aber auch für ältere oder immungeschwächte Menschen gefährlich werden.
Auch Nachholeffekte könnten eine Rolle spielen
Die Meldungen aus China seien kein Grund zur Beunruhigung", erklärt Kekulé. "Gehäufte Atemwegsinfekte bei Kindern kommen in den nördlichen Provinzen jedes Jahr vor. Im Rahmen eines Pilotprojektes zur Früherkennung ungewöhnlicher Erreger werden diese Fälle neuerdings genauer untersucht, deshalb wird hMPV häufiger nachgewiesen. Möglicherweise spielen auch Nachholeffekte eine Rolle, weil während der Corona-Pandemie durch die Gegenmaßnahmen auch hMPV-Infektionen verhindert wurden. Die Berichte in sozialen Medien von angeblich überlasteten Krankenhäusern haben die chinesischen Behörden nicht bestätigt."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- RKI-Wochenbericht (16.12.2024 bis 5.1.2025)
- Interview mit Alexander Kekulé