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Pflege: Wer pflegt uns in Zukunft?


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Pflegenotstand in Deutschland
Über die beste Lösung wird viel zu wenig gesprochen


17.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Ernährung und Bewegung: Gesünderes Altern könnte der Schlüssel sein, um die Pflegekrise zu beenden. (Quelle: IMAGO/Uwe Umstätter)

Die Deutschen werden immer älter, diejenigen, die sie pflegen können, werden immer weniger. Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma? t-online fragte eine Expertin.

Schon heute herrscht in Deutschland Pflegenotstand. Allein im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland (GKV) 361.000 Menschen erstmals pflegebedürftig. Dem gegenüber steht ein akuter Personalmangel in den Pflegeeinrichtungen. 115.000 Stellen in der Pflege sind unbesetzt. 2023 mussten vier von fünf Einrichtungen ihr Angebot deshalb einschränken.

Um den Bedarf zu decken, wirbt die Bundesregierung inzwischen aktiv im Ausland Pflegekräfte an. Doch auch das ist nicht so einfach. Wer also soll uns in Zukunft pflegen? t-online fragte Bernadette Klapper vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK).

t-online: Frau Klapper, versteht der Gesundheitsminister, wie dramatisch die Lage ist?

Bernadette Klapper: Er versteht schon sehr gut, worum es geht. Und einige seiner Lösungsansätze sind auch nicht schlecht. Leider zerschlagen sie sich immer dann, wenn sie verbindlich in ein Gesetz gegossen werden sollen. Sie scheitern entweder durch starke Lobbyisten, oder ein Partner in der Regierungskoalition spielt nicht mit.

Sie sagen "Lösungsansätze" – gibt es denn eine echte Lösung für das Problem?

An einem Punkt lässt sich wenig ändern: Dass in den kommenden Jahren immer mehr Menschen pflegebedürftig werden und nicht genug Personal da ist, um sie zu versorgen. Es gibt aber ein paar Hebel, die wir bewegen sollten.

Bernadette Klapper
Bernadette Klapper (Quelle: Ines Grabner)

Zur Person

Bernadette Klapper ist die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe. Sie ist Krankenschwester, hat in Hamburg und Bordeaux Soziologie studiert und promovierte zur interprofessionellen Kooperation der Gesundheitsberufe.

Was würden Sie sich wünschen und was wünscht sich Lauterbach?

Ich würde mir wünschen, dass wir endlich anfangen, Pflegebedürftigkeit wirksam zu verhindern oder zu vermindern und dass diese Aufgabe von der professionellen Pflege übernommen wird. Herr Lauterbach hat erkannt, dass es eine Reform der Krankenhauslandschaft braucht und gleichzeitig die Primärversorgung verbessert werden muss. Darin steckt Potenzial. Konkrete Lösungen fehlen noch.

Eine Lösung wird darin gesehen, ausländische Fachkräfte anzuwerben. Wie stehen Sie dazu?

Das scheint eine schnelle Lösung zu sein, doch dazu muss Deutschland auch bereit sein. Es fehlt hier vielerorts an einer Willkommenskultur. Viele ausländische Pflegekräfte haben mit Rassismus zu kämpfen, eine echte Integration findet oft nicht statt.

Der Bedarf an Pflegekräften

Nach Berechnungen des Deutschen Pflegerates könnten bereits 2034 über eine halbe Million Pflegekräfte fehlen. Der Bedarf an Pflegekräften ist demografisch jedoch unterschiedlich verteilt. Während in den östlichen Ländern wie Thüringen oder Sachsen-Anhalt mit einem Bedarfsanstieg um bis zu neun Prozent gerechnet wird, sind es in den beiden reichsten Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg über 50 Prozent.

Gehen deshalb viele wieder zurück?

Ja, das ist einer der Gründe. Ein anderer ist sicherlich auch die hohe sprachliche Hürde. Und die Anerkennung von Qualifikationen. Deutschland tut sich schwer, ausländische Hochschulabschlüsse in der Pflege anzuerkennen und die Fachkräfte dazu passend einzusetzen. Für Pflegeassistenz wiederum gibt es 27 verschiedene Ausbildungsgänge. Die sind nicht mal zwischen den Bundesländern richtig vergleichbar.

Außerdem: Die Agenturen, die diese Arbeitskräfte vermitteln, arbeiten oft mit zweifelhaften Methoden. Und es gibt noch ein weiteres Problem.

Welches?

Die Pflegekräfte, die wir abwerben, fehlen in ihren eigenen Ländern. Das kann zum Problem in Pandemien werden, ist aber auch eine Frage der Ethik.

Was also müsste sich ändern?

Wir sprechen viel zu wenig von Prävention. Wir müssen die Menschen zu einem gesünderen Lebensstil ermutigen und zum Beispiel Ereignisse wie Stürze verhindern, sodass sie gar nicht erst pflegebedürftig werden oder erst sehr spät im Leben Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Dann ließen sich die Zahlen sicher senken.

Nun geben wir schon heute sehr viel Geld für Pflege aus, sind aber im internationalen Vergleich nicht gut. Woran liegt das?

Das Geld wird an den falschen Stellen eingesetzt, ist mein Eindruck. Ich sage immer: In der Gesundheitsversorgung zahlen wir, als würden wir einen Mercedes kaufen – und einen Golf bekommen.

Der demografische Wandel

Die aktuelle Unterversorgung könnte sich in den folgenden Jahren noch zuspitzen. Allein durch die zu erwartende demografische Alterung werden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2030 etwa 5,4 Millionen Deutsche pflegebedürftig sein. 2040 sind es bereits über sechs Millionen.

Was machen die anderen denn besser?

Andere vergleichbare Länder kommen mit weniger Krankenhausfällen und Intensivbetten aus. Auch haben sie die Aufgaben zwischen den Gesundheitsberufen besser verteilt. Pflegefachpersonen fangen dort sehr viele Fälle im ambulanten Bereich auf oder verhindern, dass Heimbewohner ins Krankenhaus müssen.

Kann die Digitalisierung helfen?

Telemedizin ist hier sicherlich ein wichtiger Ansatz. Ein ambulanter Pflegedienst müsste dann nicht mehr bei jedem Anlass zum Pflegebedürftigen fahren, wenn dieser sich digital melden kann.

Was ist mit Künstlicher Intelligenz?

Die könnte die Fachkräfte von den oft auch langwierigen Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben entlasten. Damit hätten sie mehr Zeit zur Verfügung.

Aber für die Arbeit direkt mit den Menschen nützt sie nicht viel, oder?

Wer sich vorstellt, dass Roboter die Körperpflege übernehmen, ist auf dem Irrweg. Stellen Sie sich vor, Sie bauen eine automatische Waschstraße für Patienten. Trotzdem brauchen Menschen Hilfe beim Aus- und Anziehen, was zum Beispiel bei gelähmten Armen und Beinen ganz unterschiedlich ist. Ein Roboter bräuchte dafür zig Sensoren und wäre vielleicht immer noch nicht sicher.

Aber wäre das nicht die gute Nachricht für alle jungen Menschen, die überlegen, den Beruf zu ergreifen: Ihr Job kann in naher Zukunft nicht digital ersetzt werden.

Ja, das ist sicher ein Vorteil gegenüber anderen Branchen, aber dann muss man den Beruf auch anders attraktiver machen, zum Beispiel, indem man ihm mehr Verantwortung und Freiheiten gibt. Für Herrn Lauterbach gibt es da sicher noch einiges zu tun.

Frau Klapper, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Bernadette Klapper
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