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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Charité-Forscher berichten Erstaunliches Unser Gehirn funktioniert ganz anders als gedacht
Das menschliche Gehirn ist in vielen Bereichen für die Wissenschaft noch immer ein Rätsel. Deutsche Forscher haben nun einen weiteren Mechanismus entschlüsselt.
Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben eine neue Entdeckung über unser Gehirn gemacht – und damit eine jahrzehntealte Annahme widerlegt.
Gedanken fließen in eine Richtung statt in Schleifen
Bisher ging man davon aus, dass die Nervenzellen (Neurone) in der menschlichen Großhirnrinde ähnlich wie bei Mäusen verschaltet seien und ihre Signale in Schleifen fließen würden. Wie sich nun jedoch herausstellt, fließen Informationen beim Menschen stattdessen in eine Richtung. Das mache die Informationsverarbeitung beim Menschen leistungsfähiger und effizienter, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Charité.
"Unser bisheriges Verständnis der neuronalen Architektur in der Großhirnrinde basiert größtenteils auf Erkenntnissen, die an Tiermodellen wie der Maus gewonnen wurden."
Prof. Jörg Geiger, Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Charité
Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, untersuchte das Forscherteam besonders rare Proben: 23 Menschen, die sich aufgrund einer Epilepsie einer neurochirurgischen Operation an der Charité unterzogen hatten, stellten ihr Hirngewebe zur Verfügung. Mithilfe modernster Technik – der sogenannten Multipatch-Technik – konnten die Forscher Signalflüsse in den Gehirnproben beobachten, und zwar so lange, bis die Zellen außerhalb des Körpers ihre Aktivität einstellten.
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Komplexere Hirnrinde – andere Informationsverarbeitung
Wie die Forscher in ihrer im renommierten Fachmagazin "Science" veröffentlichten Studie berichten, ist die menschliche Hirnrinde nicht nur deutlich größer als die der Maus, sondern auch komplexer. Nur ein kleiner Bruchteil der Neurone führe ihnen zufolge wechselseitige Dialoge. "Beim Menschen fließen die Informationen stattdessen vorrangig in eine Richtung, sie kehren nur selten direkt oder über Schleifen an den Ausgangspunkt zurück", so Dr. Yangfan Peng, Erstautor der Studie.
Wussten Sie schon?
Weniger als fünf Millimeter dick ist die Großhirnrinde, eine der wichtigsten Strukturen für die menschliche Intelligenz. Zwanzig Milliarden Nervenzellen verarbeiten hier, in der äußersten Schicht des Gehirns, unzählige Sinneswahrnehmungen. In der Hirnrinde planen wir Handlungen, hier sitzt unser Bewusstsein.
Dass dieser vorwärts gerichtete Signalfluss Vorteile für die Datenverarbeitung mit sich bringt, konnten die Wissenschaftler anhand einer Computersimulation belegen. Das Ergebnis hierbei: Das menschliche Netzwerk arbeitete im Gegensatz zur Maus effizienter und konnte mehr Informationen speichern.
Im Bereich Hirnforschung und Künstlicher Intelligenz stehen die Forschungen noch am Anfang. Doch die neuen Erkenntnisse könnten nun zur Weiterentwicklung von KI-Netzwerken beitragen, so die Hoffnung der Forscher.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- charite.de: "Charité-Studie in Science entschlüsselt effiziente Verschaltung der menschlichen Hirnrinde"
- science.org: "Directed and acyclic synaptic connectivity in the human layer 2-3 cortical microcircuit" (englisch)