Studie warnt Diese Schmerzmittel wirken nicht und können schnell abhängig machen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Opioide gehören zu den stärksten Schmerzmitteln überhaupt. Doch bei bestimmten Symptomen haben sie keinen Nutzen und bergen ein hohes Suchtpotenzial.
Besonders die USA werden bis heute von einer schweren Opioid-Krise erschüttert. Ursache waren millionenfach verschriebene Schmerzmittel auf der Basis von Opioiden. Sie gelten als die stärksten verfügbaren Schmerzmittel, die die Schmerzsignale im zentralen Nervensystem unterdrücken.
Als Auslöser für die Suchtkrise in den USA gilt vor allem Oxycontin (Wirkstoff: Oxycodon) – ein stark abhängig machendes synthetisches Opioid, das bei starken Schmerzen verschrieben wurde. Bis heute hat es Millionen Menschen in die Sucht getrieben.
Auch in Deutschland werden Opioide zur Schmerzlinderung verschrieben, laut der "Pharmazeutischen Zeitung" verordnen Ärzte bei Rückenschmerzen vor allem Tramadol und Tilidin. Ihr Einsatz ist jedoch streng limitiert: In Deutschland wie in anderen Industrieländern sollen Opioide erst dann verschrieben werden, wenn andere Schmerzmittel versagt haben.
Risiko der Abhängigkeit deutlich erhöht
Doch nach einer jüngst im Fachjournal "The Lancet" veröffentlichten Studie scheint die Praxis anders auszusehen. Australische Forscher geben an, dass weltweit im Schnitt 40 Prozent der Patienten mit Schmerzen im unteren Rücken irgendwann Opioide als Schmerzmittel bekommen. Besonders hoch seien die Verschreibungsraten in den USA und in Australien.
Das Schlimme: Offenbar helfen diese Medikamente gar nicht wirklich gegen die Schmerzen, bergen aber das enorm hohe Risiko einer Abhängigkeit. Die australischen Forscher nahmen 347 Patienten in ihre Studie auf. Alle litten, teilweise bereits bis zu zwölf Wochen, unter Rücken- oder Nackenschmerzen.
Der Hälfte der Probanden wurde über sechs Wochen das Schmerzmittel Oxycodon verschrieben, die andere Hälfte erhielt eine unwirksame Tablette, ein Placebo. Die Studie unterlag dem sogenannten Doppelblindverfahren: Weder Ärzte noch Patienten wussten, wer welcher Gruppe angehörte.
Placebos linderten Schmerzen effektiver
Das erschreckende Ergebnis: Nach sechs Wochen wies die Behandlung mit dem Opioid-Schmerzmittel keine signifikant bessere Wirkung als die Placebo-Gabe auf. Die Skala der Schmerzbelastung zeigte: Die Placebos wirkten oft sogar besser. Auf einer Skala von 1 bis 10 zur Intensität der Schmerzen gab die mit Oxycodon behandelte Gruppe im Mittel einen Wert von 2,8 an, die Placebo-Gruppe einen Wert von 2,3.
Nach einem Jahr war der Unterschied noch deutlicher: Hier lagen die Werte bei 2,4 gegenüber 1,8. Zudem war in der Opioid-Gruppe das Missbrauchsrisiko deutlich erhöht: Von den 106 Patienten, die nach einem Jahr immer noch Schmerzen hatten, nahm jeder vierte weiterhin ein Opioid-Schmerzmittel.
Opioide werden nicht empfohlen
"Wir wissen nicht nur, dass die Patienten nicht die empfohlene Schmerzlinderung erhalten, sondern auch, dass die Verschreibung von Opioid-Schmerzmitteln, selbst für einen kurzen Zeitraum, das Risiko eines langfristigen Opioid-Missbrauchs erhöht", zitiert die "Pharmazeutische Zeitung" die Studienleiterin, Professor Dr. Christine Lin von der Universität Sydney. Die klare Aussage der Forscher: "Opioide sollten bei akuten unspezifischen Schmerzen im unteren Rücken oder Nacken nicht empfohlen werden, da wir keinen signifikanten Unterschied in der Schmerzstärke im Vergleich zu Placebos festgestellt haben."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Studie: "Opioid analgesia for acute low back pain and neck pain (the OPAL trial): a randomised placebo-controlled trial" (28. Juni 2023, englisch)
- Pharmazeutische Zeitung: "Opioide nicht wirksamer als Placebo bei Rückenschmerzen" (29. Juni 2023)