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Russland wegen Ukraine-Krieg vor Bankrott: Jetzt droht Putin die Pleite


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Russland vor Bankrott
Jetzt droht ihm die Pleite


14.03.2022Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin (Archivbild): Der Staatschef kann seine Schulden wohl nicht mehr begleichen.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin (Archivbild): Der Staatschef kann seine Schulden wohl nicht mehr begleichen. (Quelle: Russian Look/imago-images-bilder)

Nun könnte es für Putin ernst werden: Die Frist für eine Zinszahlung über 100 Millionen Dollar läuft ab. Überweist er das Geld nicht, droht eine Staatspleite. Aber was hieße das genau?

Russland ist so gut wie abgemeldet, zumindest auf den internationalen Finanzmärkten. Die westlichen Staaten versuchen mit tiefgreifenden Wirtschaftssanktionen Russlands Präsident Wladimir Putin zum Einlenken im Krieg gegen die Ukraine zu bewegen. Doch was den Druck auf den Kreml erhöhen soll, birgt für Investoren unangenehme Nebenwirkungen. Und für den russischen Staat.

Denn: Bis zum 16. März muss Russland für seine Staatskredite Zinsen in Höhe von mehr als 100 Millionen US-Dollar zahlen. Wenig später, am 4. April, läuft zudem eine Staatsanleihe über zwei Milliarden Dollar aus.

Experten fürchten deshalb, dass Russland pleite gehen könnte. Es wäre nicht das erste Mal: Bereits 1998 musste Russland Insolvenz anmelden, wobei die Situation damals eine etwas andere war.

t-online erklärt, wann Russland pleite wäre – und welche Folgen das für den Angriffskrieg in der Ukraine und für die Zukunft des internationalen Finanzsystems haben dürfte.

Warum droht Russland die Staatspleite?

Der Grund für die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit ist auf den ersten Blick nicht klar ersichtlich. Das Kuriose ist: Die Staatskasse Russlands ist prall gefüllt, nicht zuletzt dank hoher Öl- und Gaspreise. Allerdings ist das Land wegen der westlichen Sanktionen im Zuge des Ukraine-Kriegs von den internationalen Finanzmärkten so gut wie abgeschnitten. Ein Großteil von Russlands Zentralbankreserven über rund 640 Milliarden Dollar ist eingefroren.

"Es dürfte insgesamt um rund 300 Milliarden Dollar gehen, auf die Russland jetzt keinen Zugriff mehr hat", sagte Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, t-online.

Das Problem: Viele seiner Kredite hat Russland in Dollar bekommen. Diese Schulden kann Russland wegen der Sanktionen jetzt nicht bedienen, selbst wenn der Kreml das möchte. "Ich würde von einem technischen oder inszenierten Bankrott sprechen", sagte Burghof weiter.

So betonen auch die Kreditwächter der Ratingagenturen S&P und Moody's, dass die Hauptursachen für das erhöhte Risiko eines Zahlungsausfalls nicht Geldnot, sondern die Folgen der Strafmaßnahmen sind. Selbst wenn Russland zahlen würde, wäre deshalb ungewiss, ob Gläubiger im Ausland an ihr Geld kommen.

DIW-Chef: Staatsschuldenpleite sehr wahrscheinlich

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält eine Staatsschuldenpleite Russlands in den kommenden Monaten für sehr wahrscheinlich.

Auch die US-Investmentbank Morgan Stanley geht von einer Staatspleite aus. "Wir sehen einen Zahlungsausfall als wahrscheinlichstes Szenario", schrieb sie vergangene Woche an ihre Kunden.

Wann ist Russland offiziell pleite?

Das lässt sich schwer sagen. Auch wenn die Zahlungen in dieser Woche ausblieben, würde dies nicht bedeuten, dass Russland von heute auf morgen insolvent ist.

Denn nach dem ersten Zahlungsversäumnis beginnt gewöhnlich eine 30-tägige Gnadenfrist. Der eigentliche Ausfall der Kredite würde demnach erst im April erfolgen.

Der genaue Zeitpunkt des Bankrotts dürfte von außen aber kaum erkennbar sein, sagt Burghof – unabhängig davon, ob es sich um einen technischen, teilweisen oder ganzen Zahlungsausfall handele. Denn der Kreml wird sicher nicht damit hausieren gehen, wenn er pleite ist.

"Wenn Privatleute ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, steht irgendwann der Gerichtsvollzieher vor der Tür", so Burghof. "Bei Staaten ist das nicht der Fall."

Denn die Gläubiger könnten die Schulden nicht einfach unter Androhung einer Strafe einfordern, sagt er. "Es gibt auch kein Insolvenzgericht, das die Pleite Russlands feststellen könnte." Die Folge wäre lediglich, dass Russland kaum mehr Kredite bekommen würde (siehe nächster Abschnitt).

Welche Folgen hätte eine Staatspleite für Russland?

Die unmittelbaren Folgen für Russland hielten sich in Grenzen, sagt Finanzexperte Burghof. Denn: Angesichts des Angriffskriegs in der Ukraine und den westlichen Sanktionen dürfte es ohnehin ausgeschlossen sein, dass Russland Kredite vom Westen bekommt.

Das werde bei einer Staatspleite selbst nach dem Krieg so bleiben, so Burghof: "Weil Investoren wissen, dass jedes Geld verloren ist."

"Putin katapultiert sein Land ins Aus"

Die langfristigen Folgen eines Bankrotts wären allerdings fatal: "Russland wird auf lange Sicht vom internationalen Finanzsystem ausgeschlossen, wenn das durch den Krieg nicht bereits geschehen ist. Putin katapultiert sein Land ins Aus. Er hinterlässt ein vergiftetes Erbe." Fraglich sei, ob sich Russland jemals davon erhole.

Möglich wäre aber, dass das Land mittelfristig mit China zusammen einen neuen Block im globalen Finanzsystem bildet. China wirbt bereits seit Jahren dafür, unabhängiger vom Swift-System zu werden, aus dem einige russische Banken ausgeschlossen wurden.

"Wenn China geopolitische Interessen verfolgt, ist es ihm ganz egal, ob Russland zahlungsfähig ist oder nicht", sagt Burghof. "Dann werden sich die beiden Staaten ohnehin zusammentun. Aber dafür wird Russland einen hohen politischen Preis an China zahlen müssen." Heißt: Sich in die Abhängigkeit Chinas begeben.

Wahrscheinlich sei zudem, dass Russland dann einfach mehr Rubel druckt, was die Inflation weiter steigen ließe. Dabei rechnet die russische Zentralbank schon jetzt mit einer Inflationsrate von 20 Prozent in diesem Jahr.

Was bedeutet eine Staatspleite für Investoren und Banken?

Nichts Gutes. Sie müssten ihr an Russland verliehenes Geld im Zweifelsfall abschreiben. Kreditausfallversicherungen greifen bei einigen Anleihen womöglich nicht.

Auch die großen Ratingagenturen machen Anlegern wenig Hoffnung. Fitch, Moody's und S&P sehen Russlands Kreditwürdigkeit inzwischen im sogenannten "Ramschbereich", der hochriskante Anlagen kennzeichnen soll. In jedem Fall zeichnet sich eine vertrackte Lage für Russland ab.

Offen sei, wie genau die Auslandsschulden bei einem Ausfall abgewickelt werden – sprich, wer letztlich die Verluste tragen wird, so Burghof: "Die Frage, wer die Kosten der Staatspleite tragen wird, dürfte Gerichte noch über Jahre beschäftigen."

Neue Finanzkrise durch russische Staatspleite unwahrscheinlich

Dass es zu einer neuen Finanzkrise durch eine Staatspleite kommt, ist unwahrscheinlich. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) geht nicht von gravierenden Auswirkungen auf das weltweite Finanzsystem aus.

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Das Gesamtengagement der Banken gegenüber Russland von rund 120 Milliarden Dollar sei zwar nicht unbedeutend, aber "nicht systematisch relevant", sagte IWF-Chefin Kristalina Georgieva jüngst dem US-Sender CBS.

Wie kann Russland einem Staatsbankrott entgehen?

Solange Russland Krieg gegen die Ukraine führt und die Sanktionen des Westens wirken, wird Russland den Staatsbankrott wohl nicht abwenden können. Die westlichen Staaten könnten zwar Teile der eingefrorenen Notenbankreserven freigeben, um die Auslandsschulden Russlands zu bedienen.

Das dürfte aber unwahrscheinlich sein, meint auch Experte Burghof. "Der Westen wird drohen, Russland pleitegehen zu lassen – um den Druck auf Putin weiter zu erhöhen", sagt er.

Russland will Schulden in Rubel zahlen

Russland hat zwar angekündigt, seine milliardenschweren Devisenschulden statt mit Dollar oder Euro im Zweifelsfall mit dem stark abgewerteten Rubel zurückzahlen. Das Finanzministerium in Moskau hat dafür eigenen Angaben nach am Montag ein vorübergehendes Verfahren genehmigt.

Dieses sieht vor, dass die Zahlungen in der heimischen Währung Rubel erfolgen würden, sollten die westlichen Sanktionen wegen der militärischen Invasion in die Ukraine die Banken daran hindern, die Verbindlichkeiten mit Devisen zu begleichen. Doch Gläubiger im Ausland dürften sich dagegen sperren, Rubel zu akzeptieren.

Immerhin hat der Rubel im Zuge des Angriffskrieges stark an Wert verloren, und dürfte im Falle einer Staatspleite noch weiter fallen. "Spätestens wenn Putin die Gelddruckmaschine anschmeißt und die Inflation weiter steigt", sagt Burghof. "In diesem Szenario wird kein vernünftiger Investor noch Rubel akzeptieren."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Hans-Peter Burghof
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