Trotz "Zeitenwende" Rüstungsfirma in NRW meldet überraschend Insolvenz

Nach Russlands Überfall auf die Ukraine gab Kanzler Scholz 100 Milliarden Euro für die Rüstung frei. Doch bei einer Firma in Hagen kam davon offenbar zu wenig an.
Die Firma Urban Industries im nordrhein-westfälischen Hagen müsste eigentlich florieren. Sie stellt unter anderem Panzerstahlbleche für die Rüstungsindustrie her – eine Branche, die seit der von Kanzler Scholz 2022 ausgerufenen "Zeitenwende" und dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr boomt. Doch bei Urban Industries ist von dem Geld bislang offenbar nichts angekommen, der 80-Leute-Betrieb hat nun überraschend Insolvenz angemeldet.
"Die Bürokratie arbeitet wirklich sehr langsam", klagt der Geschäftsführer von Urban Industries, Felix Urban, in der "Westfalenpost". "Alle schreien nach Kapazitäten, ich habe sie jetzt. Aber der Auftragseingang verzögert sich." Hinzu komme, dass ein bedeutender Kunde eine hohe Rechnung nicht bezahlt habe, erklärt der Geschäftsführer den Schritt in die Insolvenz.
"Zu schnell gewachsen"
Der 38-Jährige hatte das Unternehmen 2021 von seinem Vater und seinem Onkel übernommen. Das Familienunternehmen wurde 1981 als Schlosserei gegründet und stieg 2004 in die Rüstungsbranche ein. Der neue Geschäftsführer nahm nach der Übernahme des Betriebs viel Geld in die Hand, erweiterte den Maschinenpark und baute unter anderem in den Niederlanden neue Produktionsstätten, so die "Westfalenpost".
"Das Unternehmen hat mit Blick auf die weltpolitische Lage durchaus vorausschauend agiert", zitiert die "Westfalenpost" die als Insolvenzverwalter bestellten Anwälte Mike Westkamp und Jan Janßen. Allerdings sei die Firma "zu schnell gewachsen". Abgewickelt werden soll Urban Industries aber nicht. Ziel sei es, die Firma zu sanieren und an einen Investor zu übertragen. Der Geschäftsbetrieb laufe derweil in vollem Umfang weiter. Die Mitarbeiter an den deutschen Standorten erhielten von April bis Juni Insolvenzgeld.
Die Spezialität der Firma ist die Bearbeitung von hochfestem Stahl, der in Waffentürmen von Panzerfahrzeugen zum Einsatz kommt, sich aber für Sprengschutzbodenplatten oder die Chassis von Militärfahrzeugen eignet. Angesichts dieser Fertigkeiten äußerte sich Insolvenzverwalter Westkamp in der "Bild"-Zeitung zuversichtlich über die Zukunft der Firma: "Aus unserer Sicht bestehen sehr gute Sanierungsaussichten im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage in der Rüstungsindustrie."
- wp.de: "Rüstungsfirma Urban aus Hagen hat Insolvenz angemeldet" (kostenpflichtig)
- bild.de: "Rüstungsunternehmen aus NRW meldet Insolvenz an