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Russen verlieren Vertrauen in die Banken: Kollabiert Putins Finanzsystem?


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Sanktionen des Westens
Bankenansturm in Russland – kollabiert jetzt Putins Finanzsystem?


Aktualisiert am 03.03.2022Lesedauer: 7 Min.
Dürfte Putin in Sorge versetzen: Viele Russen verlieren aufgrund der westlichen Sanktionen das Vertrauen in die russischen Banken.Vergrößern des Bildes
Dürfte Putin in Sorge versetzen: Viele Russen verlieren aufgrund der westlichen Sanktionen das Vertrauen in die russischen Banken. (Quelle: Stringer/imago/ Ricardo Ceppi/getty images/Montage: t-online/t-online)
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Lange Schlangen vor russischen Bankautomaten: Das Vertrauen vieler Russen in die Geldhäuser auf der Sanktionsliste des Westens ist erschüttert. Dem Finanzsystem droht dadurch der Kollaps.

Immer mehr Russen verlieren das Vertrauen in ihre Banken. Über Stunden warten viele Kunden in der Kälte, um einen Teil ihres Ersparten aus den Geldautomaten zu ziehen. Betroffen sind vor allem die Kreditanstalten, gegen die die USA, die EU und Großbritannien Sanktionen erlassen haben.

So haben die westlichen Partner als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einige russische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen. Zudem sind die Dollar-Reserven der russischen Zentralbank eingefroren. Entgegen der Versicherung der Zentralbank haben viele Russen deshalb Angst vor dem Kollaps des Finanzsystems.

t-online erklärt, inwiefern diese Sorge berechtigt ist und ob ein Zusammenbruch der russischen Finanzwelt auch deutsche Banken beeinträchtigen könnte.

Welche Sanktionen treffen das russische Bankensystem besonders schwer?

Im Fokus der Öffentlichkeit stehen vor allem die Sanktionen gegen sieben russische Banken, die aufgrund der EU-Sanktionen nun aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift ausgeschlossen werden. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Amtsblatt der EU sind das die VTB Bank, die zweitgrößte des Landes, sowie die Geldhäuser VEB, Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Rossiya Bank, Sovcombank.

Die Gazprom-Bank, die die Gas- und Ölgeschäfte des gleichnamigen Energiekonzerns abwickelt, sowie die größte Bank des Landes Sberbank sind bisher noch nicht Teil des Maßnahmenpakets. Die sieben sanktionierten Banken sollen nun zehn Tage Zeit bekommen, um ihre Swift-Verbindungen herunterzufahren.

Auch die USA sanktionieren die VBS, bei der sie alle Gelder im US-Markt geblockt haben und US-Bürgern und Unternehmen verbieten, Handel mit der VBS Bank zu betreiben. Zudem treffen die US-Sanktionen auch die größte Bank Russland, die Sberbank. Diese hat die USA vom US-Markt ausgeschlossen. Die Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard blocken seit Mittwoch ebenfalls russische Banken, um die Sanktionen zu erfüllen.

Firmen können schwieriger Zahlungen ins Ausland senden

Viele Russen und russische Unternehmen dürfte dieser Schritt in ihrem Alltag betreffen: Zahlungen in und aus dem Ausland werden in der Regel über das Swift-Netzwerk abgeschlossen.

Für Kunden, die bei einer der sanktionierten Banken ihr Konto haben, wird es damit deutlich schwieriger, Geld an Banken ins Ausland zu senden oder von dort zu erhalten. Für Unternehmen bedeutet das eine starke Einschränkung beim internationalen Handel. Wie genau das Swift-System funktioniert, lesen Sie hier.

Lediglich die Geschäfte mit China könnten durch die Sanktion weniger betroffen sein, da China mit dem CIPS seit einigen Jahren seine eigene Alternative zum Swift-System etabliert hat. Eine solche hat auch Russland selbst, allerdings haben sich dem Zahlungssystem SPFS, das es seit 2014 gibt, kaum andere Länder angeschlossen.

Großteil der Notenbank-Reserve ist eingefroren

Als weitere Sanktion haben die USA, Kanada, Großbritannien und die EU der russischen Notenbank verboten, auf den in ihren Ländern lagernden Teil der Devisenreserven zurückzugreifen. Experten schätzen, dass 40 bis 60 Prozent der gesamten Währungsreserven davon betroffen sind. Während Russland zwar seine Dollardevisen verringert hat, lagert laut Experten ein größerer Teil der russischen Reserve noch in Euros und ist daher auch eingefroren.

"Es dürfte insgesamt um rund 300 Milliarden Dollar gehen, auf die Russland jetzt keinen Zugriff mehr hat", sagte Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, t-online.

Damit ist die Notenbank in ihrer Währungspolitik stark eingeschränkt und kann den fallenden russischen Rubel nicht durch in Dollar bezahlte Zukäufe künstlich stabilisieren. Burghof: "Der Westen hat eine stattliche Summe von Russland in der Hand. Das dürfte Putin überhaupt nicht schmecken."

Neben der Währung spürt auch die Börse in Moskau die Folgen der Sanktionen bereits deutlich. Am Donnerstag blieb die russische Börse den vierten Tag in Folge geschlossen. Die Zentralbank habe entschieden, "den Handel nicht wieder aufzunehmen", hieß es. Ausgenommen davon waren Geschäfte zum Kauf von Rubel.

Zuvor gab es regelrechte Abverkäufe an der Börse, das Vertrauen der Anleger in russische Unternehmen war angesichts der angekündigten Swift-Sanktionen stark beschädigt. "Die russische Wirtschaft hat einen schweren Schlag erlitten", gestand Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ein. "Aber wir bleiben aufrecht."

Erlebt Russland bereits einen "Bank Run"?

Die große Nachfrage nach Bargeld ist das erste Zeichen eines "Bank Run" – zu Deutsch: "Bankenlauf" oder auch "Bankenansturm". Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass viele Bankkunden ihre Ersparnisse gleichzeitig abheben wollen, da sie eine Zahlungsunfähigkeit ihrer Banken fürchten.

Da die Geldhäuser aber nur einen Teil ihres Kapitals liquide in Bargeld vor Ort haben und den Großteil langfristig investieren, können die Geldhäuser einen zu großen Ansturm in der Regel nicht meistern – und müssen in der Folge die Kassen schließen.

Die internationalen Sanktionen gegen mehrere russische Banken haben zu Unsicherheit bei den russischen Bürgern geführt (siehe oben). Zudem treffen die US-Sanktionen auch die größte Bank Russlands, die Sberbank. Diese hat die USA vom US-Markt ausgeschlossen. Auch die Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard blockieren seit Mittwoch russische Banken, um die Sanktionen zu erfüllen.

Experte: Sehen "Bank Run" in Zeitlupe

An den Bankautomaten in Moskau bilden sich daher seit Tagen lange Warteschlangen. "Aktuell sehen wir einen 'Bank Run' in Zeitlupe", sagte Bankwirtschafts-Professor Burghof t-online. "Die russische Regierung tut alles dafür, um die Banken zu stützen und den unkontrollierten Mittelabfluss zu unterbinden."

Auch der russische Rubel erlebt wegen Putins Krieg gegen die Ukraine eine beispiellose Entwertung im Vergleich zu ausländischen Währungen. Doch die Möglichkeiten der Zentralbank sind begrenzt – weil der Westen die Devisenreserven einfror (siehe oben).

Notenbank will System stützen

Die Zentralbank versucht stattdessen, das Finanzsystem mit anderen Maßnahmen zu stabilisieren. So verdoppelte sie den Leitzins auf 20 Prozent, um Anlagen in Rubel attraktiver zu machen und die Währung zu stützen. Die Hoffnung dahinter dürfte auch sein, dass höhere Zinsen die russischen Bürgern davon abhalten, ihre Gelder dem Bankensystem zu entziehen.

Dennoch scheinen die russischen Banken zunehmend ein Liquiditätsproblem zu haben. Am Donnerstag gab die Zentralbank bekannt, dass die Banken weniger Reserven bereithalten müssen. Für gewöhnlich setzt die Zentralbank den Geldhäusern Bedingungen, wie hoch ihre Kapitalreserven sein müssen, um auf einen Bankenansturm vorbereitet zu sein.

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Senkt sie die Reserve-Anforderung ab, können die Banken mehr Geld ausgeben. Zeitgleich stieg die Liquiditätslücke im russischen Bankensystem laut der Zentralbank innerhalb eines Tages um 27 Prozent auf 68 Milliarden Dollar an.

Eine Abwärtsspirale droht

Dem russischen Finanzwesen droht damit eine Abwärtsspirale: Je mehr Russen ihren Banken das Geld entziehen, desto instabiler werden die Kreditanstalten. Von Tag zu Tag wächst damit die Gefahr, dass sie ihre Verpflichtungen, zum Beispiel Zinsen, nicht mehr bezahlen können. Das wiederum führt zu einer noch größeren Angst unter den Bürgern vor einer Pleite ihrer Bank, sodass die Schlangen an den Automaten länger werden.

Einige warten bereits umsonst: In manchen russischen Städten erhalten Kunden laut lokalen Berichten an den Automaten sanktionierter Geldhäuser teilweise schon kein Geld mehr.

Und Russland versucht bereits den Abfluss von Kapital zu verhindern: Seit Mittwoch verbietet ein Dekret, ausländisches Bargeld im Wert von mehr als umgerechnet 10.000 Dollar (knapp 9.000 Euro) außer Landes zu bringen.

Wie wahrscheinlich ist der Kollaps des russischen Finanzsystems?

Die Meinungen von Experten gehen in dieser Frage weit auseinander. Nach Ansicht des Chefs des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) mit Sitz in Wien, Gabriel Felbermayr, sind Russlands Währungsreserven wegen der westlichen Sanktionen nun deutlich weniger nützlich. Der Ökonom geht davon aus, dass es in Russland zu einer "ausgemachten Finanzkrise" kommen wird, wie er Anfang der Woche sagte.

Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, glaubt indes nicht daran, dass das russische System kollabieren wird. "Einen kompletten Zusammenbruch des Finanzsystems halte ich für unwahrscheinlich", sagte er. Viel eher würde eine "vollständige Staatswirtschaft" entstehen.

"Die Lebensplanung der Menschen würde durcheinandergeraten"

"Die Voraussetzungen dafür sind in Russland gegeben: Die Notenbank ist nicht unabhängig und die Wirtschaft bestimmen maßgeblich staatliche Großkonzerne wie Rosneft oder Gazprom", so Burghof. Das heißt folglich: Der Staat bestimmt ganz über Geldabhebungen, Kredite, Überweisungen – zum Teil ist das schon jetzt wegen den westlichen Sanktionen der Fall.

"Das wäre höchst ineffizient. Die Lebensplanung der Menschen würde durcheinandergeraten. Doch das System würde immerhin nicht kollabieren", so Burghof.

Der ehemalige russische Ministerpräsident Mikhail Kasyanov äußerte sich in einem Tweet auf Russisch deutlich pessimistischer. "Die wichtigste Sache ist, dass der Westen Russlands internationale Reserven eingefroren hat. Es gibt nichts mehr, das den Rubel stützen würde", so der ehemalige Staatsmann. Das hätte laut Kasyanov düstere Folgen. "Schmeißt die Gelddrucker an, die Hyperinflation (...) ist direkt um die Ecke."

Welche Auswirkungen auf deutsche Banken gibt es?

Die Auswirkungen auf die deutschen Banken sollten nach derzeitigem Stand der Dinge sehr gering sein. Da es unwahrscheinlich ist, dass das russische Finanzsystem gänzlich kollabiert, dürften sich auch die Folgen für deutsche Kreditinstitute in Grenzen halten.

"Natürlich halten wir uns an die politischen Entscheidungen und Sanktionen. Wir haben uns auf verschiedene Szenarien vorbereitet und verfügen über Notfallpläne", zitierte das "Handelsblatt" einen Sprecher der Deutschen Bank. Ähnlich hat sich die Commerzbank geäußert.

Experte: "Bedeutung von Russland im Finanzsystem nicht überbewerten"

Fakt ist: Nach der Annexion der Krim haben viele deutsche Banken ihr Engagement in Russland drastisch zurückfahren. Experte Burghof geht ebenfalls nicht von großen Folgen für das deutsche Bankwesen aus. "Man darf die Bedeutung von Russland im Finanzsystem nicht überbewerten", sagte er.

Die Sanktionen, wie etwa der Ausschluss einiger russischer Banken aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift, könnten dagegen sehr wohl auch Auswirkungen auf Deutschland haben.

Hier fürchten deutsche Banken allerdings mögliche Strafzahlungen, falls sie die Sanktionen nicht einhalten. "Für die Banken ist entscheidend, dass Sanktionen hinreichend präzise und eindeutig formuliert sind, das heißt keine Auslegungsfragen offenlassen", sagt etwa der deutsche Privatbankenverband BdB. Eine Vielzahl an Juristen prüft nun die Sanktionsmaßnahmen und wie deutsche Banken sich nach diesen verhalten müssen – die sich stetig verändern.

Sanktionsfolgen für Wirtschaft drohen

Auch die Wirtschaft könnte die Konsequenzen spüren: "Gerade für Mittelständler können die Sanktionen auf Dauer schmerzhaft sein", so Burghof. Er würde auch drastische Maßnahmen des russischen Präsidenten nicht ausschließen.

"Putin muss man mittlerweile alles zutrauen – auch dass er westliche Firmen enteignet." Allerdings habe der Westen hier auch die eingefrorenen Devisenreserven, an die Russland nicht drankomme, sozusagen als Drohkulisse.

Was heißt das alles für deutsche Sparer?

Zunächst einmal nicht besonders viel – außer Sie haben ein Konto bei einer russischen Bank. Die größten Auswirkungen dürften bisher Sparanleger der Sberbank gespürt haben. Diese betrieb bis Mittwoch eine Europa-Tochter, die unter unter der Marke Sberbank Direct Tagesgeldkonten mit vergleichsweise hohen Zinsen angeboten hat. Am Mittwoch stellte die Europa-Tochter der Sberbank den Betrieb ein.

Nach einem starken Abfluss von Kundengeldern in den vergangenen Tagen untersagte die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) in der Nacht zum Mittwoch der Sberbank Europe AG mit Sitz in Wien mit sofortiger Wirkung die Fortführung des Geschäftsbetriebs.

Etwa 35.000 Kunden der Europa-Tochter der russischen Sberbank sollen entschädigt werden, die meisten davon sind deutsche Sparer. In der EU sind Einlagen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro geschützt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Hans-Peter Burghof
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