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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Vater" des Euros Kalina: "Nur Bares ist Wahres"
Der Euro wird 20 und mit ihm das einmalige Antlitz der Banknoten. Im Interview erläutert sein Erfinder Robert Kalina, wie er auf die Idee kam und warum es für ein neues Design noch zu früh ist.
Ein und dasselbe Zahlungsmittel von Lissabon bis Helsinki, von Dublin bis Rom: Vor ziemlich genau 20 Jahren, am 1. Januar 2002, hielten erstmals rund 326 Millionen Europäer einen Euroschein in der Hand.
Seitdem ist viel passiert. Fast wäre die Gemeinschaftswährung im Zug der Eurokrise um Griechenland zerbrochen. Sieben weitere Länder haben den Kreis der zwölf Gründungsmitglieder der Eurozone erweitert. Eines jedoch ist über all die Jahre immer gleich geblieben: das Design der Euroscheine.
Sein Erfinder heißt Robert Kalina. Im Interview mit t-online erklärt der Österreicher, wie er sich 1996 im Wettbewerb um das Euro-Design gegen 44 Konkurrenten durchsetzte, warum er die jetzt geplante Umgestaltung des Euros für zu früh hält – und welcher Euroschein seine Lieblingsbanknote ist.
t-online: Herr Kalina, erinnern Sie sich noch, wie Sie vor 20 Jahren zum ersten Mal einen "Ihrer" Scheine aus dem Automaten gezogen haben?
Robert Kalina: Nicht mehr genau. Aber es war sicherlich der 1. Januar 2002, der erste Tag, an dem der Euro in Umlauf kam. Natürlich hatte ich die Banknoten schon vorher in der Hand gehabt. Trotzdem wollte ich sehen, wie der Euro dann in echt aussieht. Denn bis dahin handelte es sich ja nur um bedrucktes Papier – aus dem dann plötzlich ein Zahlungsmittel wurde. Ein bisschen war das für mich wie ein Abschied.
Wieso das?
Als ich die Euroscheine designt habe, war es mein Kunstwerk, meins allein. Mit der Einführung des Euros nahmen plötzlich Millionen von Menschen daran teil. Ich musste loslassen. Das ist schon etwas ganz Besonderes, etwas Einmaliges. So etwas wie den Euro hat es noch nie gegeben.
Wie sehr macht es Sie bis heute stolz, der Vater der Euroscheine zu sein?
Schon ein wenig. Doch wie immer im Leben waren auch etwas Zufall und Glück dabei. Es war Zufall, dass ich die Idee für das Design hatte und sicher auch Glück, dass es der Jury am Ende so gut gefallen hat.
Was macht die Euroscheine aus?
Zunächst einmal ist am Euro speziell, dass er seit seiner Einführung sehr fälschungssicher ist. Anders als etwa viele ältere Scheine des US-Dollar erfüllen die Euronoten bis heute höchste Sicherheitsstandards und lassen sich nur schwer nachmachen. Und dann ist da natürlich sein Aussehen, sein Design. Wichtig dabei ist, dass Millionen Menschen unterschiedlicher Länder es akzeptieren – und damit die Geschichte, die der Euro erzählt.
Und welche Geschichte erzählt der Euro?
Ehrlich gesagt, keine sonderlich spannende. Aber sie ist wichtig.
Das müssen Sie erklären.
Der Euro ist eine Gemeinschaftswährung für Menschen aus ganz Europa. Die Anforderung des Europäischen Währungsinstituts war deshalb: Die Motive auf den Scheinen dürfen kein einzelnes Land hervorheben. Aus demselben Grund sollten sie auch keine bekannten Personen zeigen und damit in den Vordergrund stellen. Ein solches Design zu finden, das für alle Menschen geeignet ist, war gar nicht so leicht.
Warum?
Das Thema des Designwettbewerbs damals lautete: "Zeitalter und Stile Europas", war also ziemlich weit gefasst. Auch innerhalb dieses Themas war der Gestaltungsraum für die Designer relativ groß. Allerdings war es in der Ausschreibung fast gewünscht, dass man mit Porträts arbeitet – so wie es ja bei den meisten Banknoten üblich ist.
Der Euro-Macher
Robert Kalina, Jahrgang 1955, war bis zu seiner Pension 2016 Banknotendesigner bei der Oesterreichischen Nationalbank. Seit 1982 gingen sämtliche Schilling-Scheine auf seine Entwürfe zurück. Nachdem er sich 1996 im Wettbewerb um das Euro-Banknotendesign durchgesetzt hatte, entwarf Kalina außerdem noch Geldscheine für die Währungen von Bosnien-Herzigowina und Aserbaidschan.
Aber das passt doch nicht zu der Vorgabe, dass kein Land oder keine einzelne Persönlichkeit hervorgehoben werden soll, oder?
Richtig. Zusätzliche Bedingung war deshalb, dass es anonyme Porträts sein sollen. Man sollte nicht erkennen, wer auf dem Schein dargestellt ist. Das aber habe ich für meinen Entwurf von Anfang an ausgeschlossen.
Weshalb?
Weil ein anonymes Porträt keinen Wert hat. Es ist einfach ein Gesicht von irgendjemandem. Das widerspricht der Tradition der Banknoten. Geldscheine haben meistens Persönlichkeiten abgebildet, die etwas Besonderes geleistet haben. Das kommt aus der Tradition der frühen Münzen, auf denen oft das Porträt des damaligen Herrschers dargestellt war. Das war Vertrauen bildend. Anonyme Personen fand ich sinnlos.
Stattdessen haben Sie auf Architektur gesetzt.
Genau. Die Stückelung der Scheine war vorgegeben, insgesamt waren sieben Motive gefordert. Meine Idee war, die verschiedenen architektonischen Stile Europas im Wandel der Zeit zu zeigen. Also habe ich für den 5-Euro-Schein einen antiken Fensterbogen gewählt, für den 20-Euro-Schein ein gotisches Fenster, für den 500er eine zeitgenössische Fassade in Glasoptik.
Diese Architektur gibt es im Grunde in jedem Land Europas, in Spanien, in Frankreich, in Deutschland. Jeder könnte denken, dass diese Gebäude bei ihm zu Hause stehen könnten. Das ist wichtig, weil das Vertrauen schafft und so die Akzeptanz der Währung erhöht.
Und auf der Rückseite sind die fiktiven Brücken abgebildet.
Richtig. Insgesamt hat das Design einen starken symbolischen Charakter. Die offenen Fenster und Tore auf der Vorderseite stehen für die Öffnung und den Blick in die Zukunft Europas, die Brücke auf der Rückseite ist das verbindende Element zwischen den Ländern und zwischen Europa und der übrigen Welt. Eine einfache Botschaft, die überzeugt hat.
Wie kamen Sie auf diesen Gedanken?
Das war eines Morgens, kurz vor der Abgabefrist für die Entwürfe. Eigentlich hatten die Teilnehmer des Wettbewerbs sechs Monate Zeit, um sich das Design auszudenken. Doch meine Idee hatte ich erst drei Wochen vor der Deadline. Daher waren die Entwürfe für den Euro eher Skizzen, samt kurzer Beschreibung der Idee. Doch das hat offenbar gereicht.
Glaubten Sie damals, dass Sie gewinnen?
Nein. Mir wurden nicht sehr gute Chancen versprochen, weil ich eben keine Porträts dargestellt hatte. Fast alle Konkurrenten hatten Porträts verwendet. Offenbar hatte aber niemand Motive mit einem symbolischen Hintergrund gewählt. Die Jury meinte, dass meine Idee die europäische Idee am besten widerspiegelt. Und so kam sie schließlich auf den Euroschein.
Gibt es etwas, das Sie aus jetziger Sicht anders gemacht hätten?
Im Nachhinein hätte ich mich sicher mehr mit den Motiven beschäftigt, sie vorab noch mehr ausgearbeitet. Doch ich war wirklich sehr stark durch die technischen Vorgaben gebunden. Und irgendwann musste man sagen: Jetzt ist Schluss. Besser wird der Euro nicht mehr.
Tantiemen für Ihren Siegerentwurf erhalten Sie aber nicht, oder?
Nein, leider nicht. Teilnahmebedingung war, im Falle eines Gewinnes sämtliche Nutzungsrechte an die EZB abzutreten. Das musste ich unterschreiben. Immerhin: Ich habe von der Nationalbank eine Prämie bekommen. Später habe ich noch zwei Orden der Republik Österreich erhalten und den Titel "Professor", wie das so üblich ist hier in Österreich. Die Ehre und der Ruhm waren das Honorar für den Euro.
Haben Sie eigentlich einen Lieblingsschein?
Ich würde sagen der 500-Euro-Schein, einfach wegen seines Wertes. Ansonsten der 20-Euro-Schein: Ich mag die blaue Farbe sehr gern. Abgesehen davon gefallen mir alle Scheine gleich gut. Das ist wie mit den Kindern, die hat man ja auch alle gleich lieb.
Inzwischen sind die lange volljährig. Wie froh sind Sie heute, 20 Jahre nach der Einführung, über die Gemeinschaftswährung?
Ich bin sehr froh, dass es den Euro gibt. Besonders beim Reisen ist eine solche Währung sehr praktisch. Und durch den Euro rücken die Staaten noch enger zusammen. Zumindest war das die Hoffnung.
Die Europäische Zentralbank hat jüngst verkündet, dass der Euro absehbar ein neues Design erhalten soll. Wie enttäuscht sind Sie darüber?
Enttäuscht bin ich nicht. Aber ich bin gespannt, was dabei herauskommen wird. Ganz ehrlich? Ich bezweifele, dass das neue Eurodesign besser wird. Ich halte es aktuell noch für zu früh, den Euro komplett neu zu gestalten.
Warum?
Eine echte europäische Identität gibt es noch nicht. Es war damals schon schwierig, etwas zu finden, das für alle Gültigkeit hat. Und es ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. Wirklich etwas anderes kann ich mir noch nicht vorstellen.
Das heißt, mit dem neuen Eurodesign macht die EZB einen Fehler?
Man muss erst abwarten, was dabei herauskommt. Wenn der Schwerpunkt auf die Fälschungssicherheit gelegt wird, ist es okay, aber das Design komplett zu ändern, ist riskant. Denn der Euro ist nun mal keine nationale Währung, wie beispielsweise der österreichische Schilling es war oder die D-Mark. Hier war es möglich, alle zehn bis 15 Jahre ein neues Design aufzulegen, weil die Noten nur in einem kleinen geographischen Raum zirkulierten. Der Euro aber ist wie der Dollar auf der ganzen Welt verbreitet. Er kursiert überall. Deshalb sollte man ihn nur behutsam ändern.
Warum?
Es ist extrem schwer, alle Scheine auszutauschen, die sich irgendwo befinden. Auch kann es kompliziert sein, die Menschen darüber zu informieren. Womöglich ruft ein gänzlich neues Design Unsicherheit über die Echtheit der Noten hervor. Bei einem neuen Design muss die Kontinuität fortgesetzt werden.
Was halten Sie von der Abschaffung der 500-Euro-Scheine?
Ich finde es sehr schade, dass er nicht mehr ausgegeben wird, aus meiner Sicht ist die Serie jetzt nicht mehr komplett. Denn der 500-Euro-Schein stellte ja das moderne Zeitalter dar. Das gibt es jetzt auf den Banknoten nicht mehr.
Genutzt wurde er im Alltag aber kaum. Wie wichtig ist Bargeld heutzutage überhaupt noch?
Ich halte Bargeld immer noch für sehr wichtig, es ist Teil der persönlichen Freiheit. Im Grunde geht es ja niemanden etwas an, wofür man wo und wann sein Geld ausgegeben hat. Wenn man höhere Beträge nur noch mit Karte zahlen kann, ist die volle Kontrolle des Geldumlaufs erwünscht. Das halte ich für bedenklich.
Das zentrale Argument für die Bargeld-Beschneidung ist die Bekämpfung der Geldwäsche. Sehen Sie das nicht?
Ich glaube, das Bargeld wird zu Unrecht kriminalisiert. Heutzutage laufen schmutzige Geschäfte doch längst nicht mehr per Geldkoffer ab. Online-Zahlungen lassen sich doch genauso leicht manipulieren.
Das heißt, Sie zahlen noch viel bar?
Ja, schon. Obwohl ich mich selbst manchmal ertappe, mit Karte zu zahlen. Gerade in der Pandemie. Kartenzahlung ist zum Teil doch sehr komfortabel.
Und wie stehen Sie zum digitalen Euro, der in einigen Jahren kommen soll?
Kryptowährungen wie Bitcoin et cetera sind mir total suspekt, das ist eine ganz andere Baustelle. Wie sagt man so schön: Nur Bares ist Wahres!
Welches Bargeld ist denn aus Ihrer Sicht das schönste – ohne den Euro zu nennen?
Es gibt sicher schönere Währungen als den Euro. Die sind aber dann möglicherweise nicht so fälschungssicher. Das ist immer eine gestalterische Gratwanderung zwischen Sicherheit und Schönheit. Ich finde zum Beispiel das Design der Schweizer Banknoten sehr interessant. Sie sehen sehr modern aus, auch wenn sie mich ein wenig an ein Flaschenetikett erinnern.
Und wie würden Sie die gute, alte D-Mark beurteilen?
Das waren schöne Banknoten, sehr gut vor Fälschungen geschützt, aber auch sehr konservativ. Das ist gar nicht negativ gemeint. Bei Banknoten experimentiert man nicht mit außergewöhnlichen Designs. Das sorgt sonst für Verunsicherung. Konservativ gestaltete Banknoten wie die Deutsche Mark strahlten Ruhe und Stabilität aus – und das war gut so.
Herr Kalina, vielen Dank für das Gespräch!
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