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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Schwarzbuch" Das sind die teuersten und kuriosesten Steuersünden
Fußballstadien, Autobahnen, Brücken: Für viele Lebensbereiche werden Steuergelder aufgewendet. Doch nicht immer sind sie dort gut aufgehoben. In seinem Schwarzbuch prangert der Bund der Steuerzahler diese Fälle an.
Bund, Länder und Kommunen sind auf Steuergelder angewiesen, um die öffentliche Infrastruktur bereitzustellen – an die Kosten wird dabei nicht immer gedacht. Der Bund der Steuerzahler stellt daher jährlich eine Liste mit Beispielen gravierender Steuerverschwendung zusammen. Am Dienstag wurde das aktuelle Exemplar des Schwarzbuchs vorgestellt.
Mit einem Sonderkapitel zur Digitalisierung liegt dabei der Fokus in diesem Jahr vor allem auf den Steuermillionen, die für die Modernisierung eingesetzt wurden. Doch auch klassische "Millionengräber" kommen in dem 49. Jahrgang des Berichts nicht zu kurz. Insgesamt 100 Beispiele sind darin aufgeführt.
Aktuell werde viel über Staatsfinanzen diskutiert und der Kampf gegen Steuerhinterziehung sei auch Teil des Wahlkampfs gewesen, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bunds der Steuerzahler. "Ich vermisse aber, dass ebenso engagiert darüber diskutiert wird, wo und wie Steuergeld verschwendet wird."
Die Fülle an angeprangerten Fällen zeigt: Steuern werden in ganz Deutschland ausgegeben und dabei immer wieder verschwendet. t-online hat die kuriosesten und teuersten Fälle zusammengetragen.
Der XXL-Bundestag wird teuer
Der erneut gewachsene Bundestag schickt bereits seine Schatten voraus. Denn allein für Büroanbauten kamen in den vergangenen Jahren hohe Kosten zustande. Holznagel fordert daher von der neuen Bundesregierung eine dringende Verkleinerung des Bundestages.
So verlängerten sich die Bauarbeiten an der Bundestagsliegenschaft Marie-Elisabeth-Lüders-Haus unlängst bis ins nächste Jahr. Ursprünglich sollte das Projekt bereits 2014 abgeschlossen werden. Die Kosten stiegen damit ebenfalls deutlich: Statt 190 soll der Bau nun 332 Millionen Euro kosten.
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Auch das Kanzleramt soll einen Zusatzbau bekommen, nach nur 20 Jahren ist es zu klein geworden. Auf der anderen Seite der Spree soll ein Gebäude entstehen, das die Größe des Kanzleramtes dann verdoppelt.
Das lässt sich der Bund einiges kosten: 485 Millionen Euro waren veranschlagt. Doch bereits jetzt geht die Bundesregierung davon aus, dass es 600 Millionen werden könnten. Und dabei fehlt noch die unterirdische Zufahrt für 39 Millionen Euro.
Autobahn-App mit fraglichem Nutzen
Mit der "Autobahn-App" sollen die Autofahrer ihr Ziel schnellstmöglich erreichen, ob Ladestation oder Parkplatz. Für die Entwicklung der App wurden rund 1,2 Mio. Euro ausgegeben, hinzu kamen rund 11.000 Euro für Öffentlichkeitsarbeit. Doch die App wird wenig angenommen: Täglich nutzen gerade einmal 14.000 Menschen die Anwendung, die Bewertung in den App-Stores ist schlecht.
Viele Nutzer kritisieren, dass die Funktionen bereits (und teils besser) von anderen Apps angeboten werden. Denn anders als zunächst beworben handelt es sich bei genutzten Daten wohl nicht um exklusive Informationen, sondern auch andere Entwickler können darauf zurückgreifen. Eine zusätzliche staatliche Autobahn-App ist also nicht nötig.
Unterstützung für Fußballstadion – nach Abstieg
Die Freude über den Aufstieg des VfB Lübeck in die dritte Liga war groß. Das Stadion sollte daher etwa mit einer Rasenheizung in Schuss gebracht werden. Der Ausbau wird mit 1,5 Millionen Euro Steuergeld bezuschusst. Unglücklich daran: Start war genau einen Tag nach dem letzten Heimspiel in der Saison 2020/2021. Leider stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest, dass der Club wieder absteigt.
Zweite Brücke wurde direkt daneben gebaut
Doppelt hält besser, haben sich wohl die Planer im nordrhein-westfälischen Eslohe gedacht und eine neue Fußgängerbrücke über den Esselbach errichtet. Kein Problem, gäbe es nicht bereits eine Brücke nur wenige Meter weiter. Diese war mit 1,75 Metern nicht breit genug für die barrierefreie Nutzung.
Nun gibt es die zweite Brücke direkt daneben: zwei Meter breit und 95.000 Euro teuer. 38.000 Euro davon zahlt die Gemeinde, der Rest stammt aus Städtebaumitteln des Bundes und des Landes. Die Brücke ist Teil eines Gesamtpakets über 2,5 Millionen Euro zum Ausbau des Stadtkerns.
Fahrradstreifen muss wieder abgebaut werden
Bei einigen Fällen stehen sich die verschiedenen Landes- und Bundesbehörden gegenseitig im Weg. So etwa in dem niedersächsischen Landkreis Northeim und der Grafschaft Bentheim. Sie nahmen an einem bundesweiten Modellprojekt des Bundesverkehrsministeriums teil.
Dazu wurden auf insgesamt knapp 14 Kilometer Strecke sogenannte Fahrrad-Schutzstreifen auf Straßen außerhalb der geschlossenen Ortschaft markiert – mit 261.000 Euro deutlich günstiger als der Bau von eigenen Radwegen.
Die Erfahrungen mit den Fahrradstreifen waren durchweg positiv, doch nach Ablauf des Projekts verfügte der Bund: Sie müssen wieder weg. Aller Protest half nichts: Der Rückbau der Streifen schlug mit 763.000 Euro zu Buche. Kosten von über einer Million Euro und am Ende kein Fahrradstreifen.
Künstlerisch inszenierte Verschwendung
Oft steht ein guter Vorsatz vor der Geldaufwendung. So auch in Stuttgart. Mit bunt bemalten Treppenstufen sollten die Anwohner zu mehr Bewegung animiert werden. Künstler wurden beauftragt, um drei Treppenaufgänge zu verschönern. Kosten je Treppe: 25.000 Euro.
Problem: Die Stuttgarter benutzen die Treppen bereits rege, eine Motivation in Form von farbenfrohen Motiven ist gar nicht nötig. Das hat auch die Stadt selbst gegenüber dem Steuerzahlerbund bestätigt, die Treppen seien bereits "stark frequentiert". Dennoch hält die Stadt weitere Projekte dieser Art für möglich, wie es im "Masterplan urbane Bewegungsräume" heißt.
Ersten Spatenstich zweimal gefeiert
Nicht bei allen Fällen im Schwarzbuch geht es um die große Millionenverschwendung. Mit 5.000 Euro mutet ein Fall aus Schleswig-Holstein in der Liste schon fast günstig an.
Dafür ist der Grund für die Kosten umso kurioser: Für einen Bauabschnitt von 20 Kilometer Autobahn wurde mit Abstand von wenigen Wochen der ersten Spatenstich gleich zweimal gefeiert. Einmal am einen und dann noch am anderen Ende der Strecke.
Trotz der langen Liste würde sich die Ausgabenmoral verbessern, so Holznagel. Hatte es noch vor einigen Jahren viele fragwürdige Politiker-Reisen in den Auflistungen gegeben, komme so etwas heute quasi gar nicht mehr vor. An den Summen würde das aber nicht direkt etwas ändern, denn die heutigen Prozesse seien oft ambitionierter und komplexer und damit auch teurer geworden.
Der Bund der Steuerzahler ist ein eingetragener Verein. Dieser gibt einmal jährlich das Schwarzbuch mit Beispielen zur Steuergeldverschwendung heraus.
- Eigene Recherche
- Schwarzbuch 2021/2022
- Pressekonferenz zur Vorstellung des Schwarzbuchs