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Wegweisendes Klimaurteil: Der Streit um die Schulden


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Wegweisendes Urteil
Der Streit um die Schulden


Aktualisiert am 09.05.2021Lesedauer: 4 Min.
Demo von Fridays For Future in Frankfurt (Symbolbild): Ende April fiel ein wichtiges Klimaschutz-Urteil.Vergrößern des Bildes
Demo von Fridays For Future in Frankfurt (Symbolbild): Ende April fiel ein wichtiges Klimaschutz-Urteil. (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)

Das Karlsruher Klimaurteil verpflichtet die Politik, langfristig zu denken und die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu wahren. Das hat nicht nur Folgen für die Klimapolitik. Auch um neue Schulden entbrennt nun ein Streit.

Ende April fiel eines der wahrscheinlich wichtigsten Urteile der vergangenen zehn Jahre: Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz nachbessern muss, um die Freiheitsrechte jüngerer Generationen zu schützen.

Mittlerweile hat der Bund bereits ein verschärftes Klimaziel angekündigt. Doch die Entscheidung der Richter könnte nicht nur Fragen des Klimaschutzes betreffen. Diskutiert wird nun auch, welche Folgen das Urteil für die öffentlichen Haushalte hat, genauer gesagt: wie nachhaltig die Staatsfinanzen aufgestellt sein müssen, vor allem mit Blick auf neue Staatsschulden, die künftige Generationen abbauen müssen.

Ein Treiber dieser Debatte ist der stellvertretende FDP-Fraktionschef im Bundestag, Michael Theurer. "Den Grundgedanken des Klimaurteils müssen wir auch auf die Staatsfinanzen ummünzen", sagt er. "Wenn wir jetzt nicht den Haushalt ins Lot bringen, sondern auf Dauer Schulden machen, zerstört das die Freiheiten künftiger Generationen."

Die Klimakrise führt auch Achim Truger als Argument an – allerdings um höhere Schulden dauerhaft zuzulassen. Der Ökonom und Mitglied im Rat der sogenannten Wirtschaftsweisen sagt: "Es ist angesichts der Klimakrise und des Strukturwandels wichtig, dass langfristig Investitionen auf Kredit finanziert werden können."

Bund bekommt Geld fürs Schuldenmachen

Das allerdings ist qua Gesetz gar nicht so einfach. Denn: Seit zehn Jahren ist im Grundgesetz die Schuldenbremse verankert. Sie regelt, dass sich der Bund jährlich maximal in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden darf. Wie hoch die neuen Kredite absolut ausfallen dürfen, ist also abhängig von der Wirtschaftslage.

In der Corona-Krise wurde die Schuldenbremse ausgesetzt; zunächst nur für 2020, nun auch fürs laufende Jahr. Damit kann Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in 2021 die noch nie dagewesene Kreditsumme von insgesamt 240,2 Milliarden Euro aufnehmen.

Truger findet das richtig. Angesichts der notwendigen Investitionen für den Klimaschutz plädiert er für eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse. Ein Argument dafür: Für den Bund lohnt sich die Schuldenaufnahme derzeit sogar. Denn die Zinsen auf Bundesanleihen sind negativ, was heißt: Kreditgeber und Investoren zahlen derzeit sogar dafür, dass sie Deutschland Geld leihen dürfen.

So hat der Bund zuletzt Milliarden Euro eingenommen. "Zurzeit sind die Zinsen für die Verschuldung besonders niedrig – ein zusätzliches Argument, die Schuldenbremse investitionsorientiert zu reformieren", sagt Ökonom Truger.

Zoff um Schuldenbremse

"Die niedrigen Zinsen sind eine verführerische Argumentation für die Aufweichung der Schuldenregel", warnt indes FDP-Mann Theurer. "Sollten die Zinsen wieder steigen, stehen wir aber vor einem massiven Problem: einem teuren Schuldenberg. Eine Abkehr von der Schuldenbremse birgt daher hohe Stabilitätsrisiken."

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Theurer bemüht hier ein Bild: "Wenn ein Familienvater das Geld der Familie versäuft, sollte man das nicht damit rechtfertigen, dass er sich billig Geld leihen kann. Das eigentliche Problem ist doch: Wofür wird das Geld ausgegeben – Konsum oder Investitionen? Bisher flossen zusätzliche Einnahmen des Staates immer überproportional in den Konsum."

Und der FDP-Politiker wird noch deutlicher: "Die Große Koalition ist hinsichtlich künftiger Generationen blind." Die Investitionsquote sei in den vergangenen 16 Jahren gesunken, während die Steuereinnahmen von 450 auf 800 Milliarden Euro gestiegen seien, rechnet Theurer vor. "Das zeigt: In den vergangenen Jahren wurde es versäumt, das vorhandene Geld sinnvoll auszugeben."

FDP-Mann fordert "Korrekturen"

Im Ziel sind sich Truger und Theurer also einig, beide wollen investieren in digitale Infrastruktur oder erneuerbare Energien etwa. Doch wie soll das funktionieren, ohne neue Schulden, wie Theurer dies vorschlägt?

"Statt teurer Wahlgeschenke, wie die Grundrente oder Mütterrente es sind, sollten wir endlich in die Zukunft investieren. Hier sind dringend Korrekturen nötig", so Theurer. "Es gilt darüber zu reden, welche Investitionen künftigen Generationen etwas bringen – und welche Ausgaben nur Interessen jetziger Wähler befriedigen."

Das heißt im Klartext: Theurer will aus dem Bundeshaushalt heraus investieren, Gelder umschichten und geplante Projekte der schwarz-roten Koalition kippen.

Es sei zudem wichtig, "dass wir die Steuerlast senken, um Firmen Luft zum Atmen zu geben", erklärt Theurer. Das setze dringend nötige Wachstumsimpulse, die nötig seien, um aus den Corona-Schulden herauszuwachsen."

Haushalte "nicht vor die Wand fahren"

Ökonom Truger hält dagegen: "Ich halte es für unangebracht, große Steuersenkungen zu fordern, wie die FDP dies tut. Die öffentlichen Haushalte brauchen mehr Spielraum und sollten daher durch massive Steuersenkungen nicht vor die Wand gefahren werden."

Dass Bewegung in Sachen Neuverschuldung gekommen ist, zeigen mehrere aktuelle Vorschläge von unterschiedlichen Seiten. Die Konjunkturexperten des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) drängen etwa darauf, auf einen allzu schnellen Schuldenabbau zu verzichten und der öffentlichen Hand lieber Spielräume für notwendige Investitionen etwa in Infrastruktur zu lassen.

"Statt wie vom Bund geplant in 20 Jahren sollten die Schulden in 40 Jahren zurückbezahlt werden", heißt es in einer Studie von Mitte April. Außerdem empfehlen die Experten "eine moderate Öffnung der Schuldenbremse", um den Handlungsspielraum der Bundesländer zu erhöhen.

"Die Schuldenbremse birgt große Gefahren"

Und der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat die Idee ins Spiel gebracht, einen Deutschlandfonds aufzulegen. Dem "Handelsblatt" sagte er: "Es geht um die Frage, wie wir Investitionen effizient finanzieren können. Es muss nicht immer der Bundeshaushalt sein. Eine Möglichkeit wäre ein Investitionsfonds, an dem sich neben dem öffentlichen Sektor auch der private beteiligen kann."

Neu ist diese Idee nicht. Das IW hatte einen Deutschlandfonds gemeinsam mit dem gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomik und Konjunkturforschung (IMK) bereits Ende 2019 vorgeschlagen.

Truger bewertet den Vorstoß Laschets indes positiv. "Auch die Union merkt langsam, dass die Schuldenbremse zu eng ist. Der Vorschlag eines Deutschlandfonds versucht Spielraum für Investitionen zu schaffen", so der Wirtschaftsweise. Das geht ihm aber nicht weit genug, zumal im September Bundestagswahlen anstehen.

"Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form birgt große Gefahren", so Truger. Er fordert deshalb, dass die Schuldenbremse auch im Wahlkampf eine Rolle spielt: "Die Parteien sollten nun konkrete Reformvorschläge machen, wie sie auf Dauer zukunftsfähig sein kann."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Achim Truger
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