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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krisen-Politik Die fünf wichtigsten Fragen zur Wirtschaft im Corona-Winter
Kurzarbeit, Insolvenzregeln, Mehrwertsteuer: Mit aller Kraft hat der Staat 2020 versucht, die Wirtschaft in der Corona-Krise zu retten. Was hat das gebracht – und wie geht es weiter?
Es ist still geworden in Deutschlands Innenstädten, und das viel früher als sonst. Schon eine Woche vor Weihnachten löste sich im Corona-Jahr 2020 der Trubel in den Einkaufsstraßen auf. Der zweite harte Lockdown zwang die Geschäfte zum Schließen.
Was für den Einzelhandel ein herber Schlag ist, dürfte für die gesamte Wirtschaft deutlich geringere Auswirkungen haben als der erste harte Lockdown im Frühjahr, der auch die Industrie zum Erliegen brachte. Und auch für das kommende Jahr rechnen die meisten Ökonomen nicht damit, dass die Corona-Krise Deutschland länger in eine Rezession stürzt.
Das alles liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Politik im laufenden Jahr mit allen Mitteln versucht hat, die Konjunktur zu stützen. Die Entscheider von Bund und Ländern senkten unter anderem die Mehrwertsteuer und machten Ausnahmen im Insolvenzrecht.
Doch was hat all das gebracht? Und wie geht es im kommenden Jahr weiter? t-online beantwortet die fünf wichtigsten Frage zur Wirtschaft im Corona-Winter.
Was hat die Umsatzsteuersenkung gebracht?
Das ist eine der strittigsten Fragen unter den Ökonomen in diesem Jahr. Während die einen die Maßnahme loben, weil sie durch die Befristung von Juli bis Dezember sinnvolle Kaufanreize setze und so die Konjunktur belebe, kritisieren die anderen sie als zu teuer und wenig zielgerichtet.
Klar ist bislang nur: Belastbare Zahlen für den Konsum gibt derzeit noch nicht. Zwar haben die Supermärkte die Senkung der Mehrwertsteuer fast vollständig an die Verbraucher weitergegeben. Offen ist aber, ob die Verbraucher deshalb den Wagen beim Wocheneinkauf tatsächlich voller gemacht haben.
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Auch viele andere Einzelhändler – etwa der Möbelhandel – haben die Mehrwertsteuersenkung weitergegeben. Dadurch könnte es nach Ansicht vieler Volkswirte zum sogenannten Vorzieheffekt gekommen sein. Das heißt: Einige Deutsche dürften sich 2020 etwas Größeres geleistet haben, weil sie einen Teil der Mehrwertsteuer sparen.
Wie viele das aber waren, wie groß dieser Effekt ist, lässt sich nur schwer sagen. Und selbst wenn einige Verbraucher Anschaffungen vorgezogen hätten, muss das laut Kai Hudetz, Chef des Instituts für Handelsforschung (IFH), nicht nur positiv sein für den Handel. "Habe ich mir zu Weihnachten ein neues Sofa zugelegt, werde ich es in drei Monaten nicht schon wieder durch ein neues ersetzen", sagte er jüngst im Gespräch mit t-online.
Mehrheit nimmt Senkung der Mehrwertsteuer wahr
Viele Dienstleister – rund zwei Drittel – dürften nach Einschätzung der Bundesbank dagegen den größten Teil der Mehrwertsteuersenkung einbehalten haben. Der Grund: Hotels, Restaurants, Reiseveranstalter oder Friseure sind durch die Corona-Krise und mehrere Lockdowns besonders hart getroffen. Sie glichen durch den niedrigeren Steuersatz Umsatzeinbußen aus.
Das sei jedoch kein Problem, urteilt Martin Beznoska, Ökonom am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Die Verbraucher nehmen wahr, dass viele Dinge günstiger geworden sind", sagte er t-online.
Dazu verweist er auf eine repräsentative Umfrage des IW. Demnach sagten 54 Prozent der rund 1.200 Befragten, sie hätten die gesunkene Mehrwertsteuer wahrgenommen. "Allein dadurch hatte die Steuersenkung einen positiven Impuls", sagte Beznoska mit Verweis auf den "psychologischen Effekt in der Krise".
Wird im Januar wieder alles teurer?
Nicht alles, aber vieles. Zumindest in der Theorie. Praktisch wird sich erst im Januar zeigen, ob etwa die Supermärkte die Preise für den Endverbraucher anheben – oder ob sie die abgesenkten, krummen Preise durch Rabatte auf eigene Kosten beibehalten.
Ähnliches gilt für den Onlinehandel. Dort aber ist wahrscheinlich, dass die Preise mit der Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent schnell wieder steigen. Denn: Der Versandhandel profitiert ohnehin von der Corona-Krise, muss also weniger Kaufanreize für Verbraucher setzen.
Und auch bei jenen Dienstleistern, die die Mehrwertsteuersenkung weitergegeben hatten, zeichnet sich ab, dass viele Anbieter ihre Preise wieder erhöhen werden. So wiesen jüngst etwa die Streamingplattformen Spotify und Netflix ihre Kunden darauf hin, dass ab Januar wieder die alten Preise vom Frühjahr gelten.
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Kommt jetzt die Insolvenzwelle?
Ja, das ist wahrscheinlich. Die Frage ist nur, ob es eine wirkliche Welle wird – und wann genau die Zahl der Pleiten steigt.
Fakt ist: Dadurch, dass der Bund die Pflicht zur Beantragung einer Insolvenz wegen der Corona-Krise stark gelockert hat, gab es im laufenden Jahr deutlich weniger Unternehmenspleiten als sonst. Von Januar bis September 2020 meldeten die deutschen Amtsgerichte nur 12.491 Firmeninsolvenzen. Laut Statistischem Bundesamt waren das 13,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum – trotz Pandemie und Lockdown.
Grund dafür ist, dass die Unternehmen im Falle einer Zahlungsunfähigkeit von März bis Ende September nicht die Insolvenz beantragen mussten. Für den Fall einer Insolvenz wegen Überschuldung gilt diese Ausnahme bis zum 31. Dezember.
Da die staatlichen Hilfen nur schleppend bei den Unternehmen ankommen, hat der Bund zudem beschlossen, dass all jene Firmen, die noch auf ihr Geld warten, auch noch im Januar nicht in die Insolvenz gehen müssen. Spätestens danach aber, ab Februar also, dürfte es zu einer Reihe von Pleiten kommen.
"Viele Unternehmen haben in der Illegalität gearbeitet"
Zusätzlich fürchten einige Experten, dass es unter den Insolvenzfirmen eine Art Dunkelfeld gibt. "Viele Unternehmen sind eigentlich seit Monaten pleite, die haben in der Illegalität gearbeitet", warnte jüngst etwa der Insolvenzverwalter Michael Pluta im "Manager Magazin", dessen Kanzlei für Firmen wie Märklin oder Strenesse gearbeitet hat.
Seine Sorge: "Viele Unternehmen glauben irrigerweise, dass die Antragspflicht generell bis Jahresende ausgesetzt bleibt." Dabei betreffe die ausgesetzte Antragspflicht nur rund zwei Prozent der Unternehmen – nämlich solche, die überschuldet sind.
Wird die Arbeitslosigkeit wieder steigen?
Davon ist auszugehen. Allein im Einzelhandel, so warnte unlängst der Handelsverband HDE, seien durch den zweiten harten Lockdown rund 250.000 Jobs bedroht.
Die meisten Ökonomen sind dagegen nicht ganz so pessimistisch. Zwar rechnet Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser damit, dass die Zunahme an Firmenpleiten "auch zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen wird". Die Auswirkungen in der Arbeitslosen- und Kurzarbeiterstatistik dürften allerdings nicht ganz so groß ausfallen wie im Frühjahr, eine Welle von Entlassungen sei unwahrscheinlich.
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Ein wichtiger Grund dafür ist, dass in der Wirtschaft durch den Beginn der Corona-Impfungen die Hoffnung wächst, dass die Corona-Krise im kommenden Jahr überwunden wird – und es wieder genug Arbeit für alle Angestellten gibt. Umgekehrt heißt das aber nicht, dass die Unternehmen massenhaft Arbeitnehmer einstellen werden.
Die Folge für den Arbeitsmarkt: Die um rund 430.000 Menschen gestiegene Zahl der Arbeitslosen wird nur langsam abgebaut. Das Ifo-Institut rechnet damit, dass noch im Jahr 2022 rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos sein werden – rund 250.000 mehr als vor der Corona-Krise.
Ist meine Altersvorsorge in Gefahr?
Nein – aber Einbußen kann es trotzdem geben. Denn: Die Corona-Krise hat sowohl Auswirkungen auf die gesetzliche, die private und die betriebliche Altersvorsorge. Ein Überblick:
Gesetzliche Vorsorge: Die Rentenerhöhung fällt 2021 im Westen voraussichtlich aus, im Osten wird sie nur etwa 0,7 Prozent betragen. Der Grund: Die Durchschnittslöhne, die als Grundlage für die Rentenanpassung dienen, sind wegen dem starken Anstieg der Kurzarbeit 2020 gesunken. 2020 gab es hingegen noch eine Erhöhung des Rentenwertes. Zum 1. Juli stiegen die Renten im Westen um 3,45 Prozent, im Osten um 4,20 Prozent.
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Private Vorsorge: Schon vor Corona waren die Zinsen im Keller. Eine Ursache dafür ist die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die auch den privaten Rentenversicherern zusetzt und den Garantiezins für Neuverträge immer weiter nach unten drückte. Die Corona-Krise verstärkt diesen Trend. Ökonomen rechnen damit, dass die Zinsen noch sehr lange niedrig bleiben werden. Für Verbraucher heißt das: Der Abschluss eines Neuvertrages lohnt sich kaum mehr. Wer jetzt, in und nach der Corona-Krise für später vorsorgen will, sollte sich deshalb nach alternativen Möglichkeiten umschauen – und etwa langfristig in Aktien investieren.
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Betriebliche Vorsorge: Grundsätzlich gilt, dass die Betriebsrente in Deutschland gesetzlich gesichert ist. Rentenansprüche bleiben also bestehen, wenn das Unternehmen insolvent geht (siehe oben). Entweder zahlt der Versicherer die Rente oder der sogenannte Pensionssicherungsverein springt ein. Allerdings kann es durchaus sein, dass eine Pensionskasse wegen Corona in finanzielle Schwierigkeiten gerät – und die Betriebsrente gekürzt wird. Außerdem gilt auch für die Betriebsrente dasselbe wie für die private Rentenversicherung: Sofern sie auf einem Garantiezins beruht, lohnt sich ein Neuabschluss angesichts dauerhaft niedriger Zinsen nicht mehr.
- Eigene Recherche
- Ifo-Institut: Konjunkturprognose Winter 2020
- Ifo-Institut: "Die Preiseffekte der Mehrwertsteuersenkung in deutschen Supermärkten: Eine Analyse für mehr als 60.000 Produkte"
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- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa