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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Exklusive Zahlen Neuer Trend unter Angestellten in Deutschland

Raus aus dem alten, rein in den neuen Job: Die Deutschen kündigen immer häufiger ihre Arbeitsstelle. Dafür gibt es einen Grund, wie eine neue Studie zeigt.
8.000 Stellen bei der Post, 10.000 Stellen bei Volkswagen, 30.000 Stellen bei der Deutschen Bahn: Wer nur einen kurzen Blick auf die aktuellen Schlagzeilen wirft, bekommt schnell den Eindruck eines Job-Kahlschlags in Deutschland. Tatsächlich ist es so, dass ob der mauen Wirtschaftslage viele Firmen Personal abbauen, betriebsbedingte Entlassungen inklusive.
Was dabei untergeht: Immer öfter sind es nicht die Arbeitgeber, die Angestellte rauswerfen, sondern die Arbeitnehmer, die aus freien Stücken ihren Job kündigen. Wie jetzt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, ging das sogenannte "Beschäftigungsende" zuletzt in mehr als der Hälfte aller Fälle von den Angestellten selbst aus. Anders ausgedrückt: Die Deutschen lassen sich seltener kündigen – sie kündigen lieber selbst. (Wie Sie Ihren Job richtig kündigen, lesen Sie hier.)
Demnach gingen im Jahr 2022 – als sich die aktuelle Konjunkturflaute zumindest bereits abzeichnete – rund 52 Prozent aller Kündigungen von der Arbeitnehmerseite aus. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 lag der Wert noch bei 34 Prozent.
"Kräfteverhältnisse verschieben sich"
Die Zahlen für die Studie, die t-online exklusiv vorliegt, stammen aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP), einer speziellen Umfrage unter rund 30.000 Menschen in Deutschland, die regelmäßig zu verschiedensten Lebensbereichen befragt werden, darunter auch, ob sie zuletzt den Job gewechselt haben und warum. Ausgewertet hat die Daten der IW-Arbeitsmarktökonom Holger Schäfer. Ihn überraschen die Ergebnisse seiner Studie kaum:
"Wir sehen seit Jahren, dass sich die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt verschieben", sagt er t-online. "Der Arbeitgebermarkt wandelt sich ob der Alterung der Gesellschaft zunehmend zu einem Arbeitnehmermarkt, in dem Angestellte öfter zwischen mehreren Jobs wählen können. Das erleichtert vielen den Entschluss, sich aus freien Stücken einen neuen Arbeitsplatz zu suchen."
Zu dieser Einschätzung passt, was die SOEP-Daten zeigen: 84 Prozent derjenigen, die ihren Job kündigen, haben bereits eine neue Stelle fest im Blick oder zum Kündigungszeitpunkt sogar einen Arbeitsvertrag für den nächsten Job vorliegen. "Dieser Anteil fiel 2021 und 2022 höher aus als in früheren Jahren, in denen er zwischen 67 und 78 Prozent schwankte", schreibt Schäfer in seiner Studie. Bei Beschäftigten, die vom Arbeitgeber gekündigt wurden, war der Anteil – erwartbar – deutlich geringer, da traf dies nur auf 35 Prozent der Gekündigten zu.
Arbeitslosigkeit höher als vor einem Jahr
Weil Deutschlands Wirtschaft zwei Jahre in Folge minimal geschrumpft ist, lief es zuletzt auch am Arbeitsmarkt schlechter. Bundesweit betrug die Arbeitslosigkeit im März 6,4 Prozent. Damit sind deutlich mehr Menschen ohne Job als noch vor einem Jahr, als die Quote bei 6,0 Prozent lag.
Und auch wenn viele Betriebe trotz Konjunkturflaute versuchen, ihr Personal zu halten, erwarten Forscher einen weiteren, wenn auch nur leichten Anstieg bei der Arbeitslosigkeit. Einer Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge wird die Quote im Durchschnitt dieses Jahres in allen Regionen Deutschlands wachsen – wobei das Plus im Osten mit einem Anstieg von 0,3 Prozentpunkten etwas stärker ausfallen dürfte als im Westen mit 0,2 Punkten.
Zugleich beobachteten die IAB-Forscher, dass viele Unternehmen in Deutschland trotz der andauernden Wirtschaftskrise an ihrem Personal festhalten. Obwohl die Rezession seit Ende 2022 anhalte, sei der Anteil der Betriebe mit Personalabgängen seitdem von 31 Prozent auf 29 Prozent im Jahr 2024 gesunken, teilte das IAB unlängst mit.
Die IW-Studie von Holger Schäfer legt dafür einen Grund nahe: Dort, wo Unternehmen Personalabbau betreiben, versuchen sie diesen über "normale Fluktuation" zu erreichen, etwa indem die Firmen offene Stellen seltener nachbesetzen.
- IW-Kurzbericht 40/2025
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters