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Lockdown-Betroffene erzählen: "Ich werde einen Monat lang nur Kosten haben"


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Lockdown-Betroffene erzählen
"Dieses und nächstes Jahr haben wir das klassische Geschäft abgehakt"


Aktualisiert am 02.11.2020Lesedauer: 6 Min.
Johannes Austermann: Mit gerade einmal 21 Jahren übernahm der Warendorfer das "Scala-Filmtheater". Nun droht mittelfristig das Aus für das Traditionshaus.Vergrößern des Bildes
Johannes Austermann: Mit gerade einmal 21 Jahren übernahm der Warendorfer das "Scala-Filmtheater". Nun droht mittelfristig das Aus für das Traditionshaus. (Quelle: Privat)

Der neuerliche Lockdown trifft zahlreiche Firmen hart. Durch die Schließung ihrer Geschäfte fehlen ihnen Milliarden Euro. Bei t-online berichten Betroffene von ihren Schicksalen.

"Wellenbrecher", "Shutdown zwei" oder "Lockdown light" – welcher Name sich für die jüngsten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie durchsetzt, ist offen. Klar ist dagegen, was sie für Zehntausende Unternehmer in Deutschland bedeuten: Einnahmen-Ausfälle in Milliardenhöhe.

Besonders betroffen sind die Eigentümer und Betreiber von Restaurants, Kneipen und Hotels. Ab kommenden Montag müssen sie bundesweit für mindestens vier Wochen schließen, dürfen Getränke und Speisen nur noch zum Mitnehmen anbieten. Ebenso hart trifft es Kinos, Theater, Bordelle und Massagesalons. Auch ihre Mitarbeiter zwingt der Lockdown weitgehend zum Däumchen drehen.

Was aus epidemiologischer Sicht Sinn ergibt, ist für die Betroffenen oft nur schwer zu begreifen. t-online hat mit mehreren von ihnen gesprochen: Menschen, die seit 55 Jahren ein Hotel betreiben, hauptberuflich als Hochzeits-DJ arbeiten, mit Anfang 20 ein eigenes Kino unterhalten oder ihre Pizzeria wegen der Pandemie für die Zukunft fit gemacht haben.

Die Hoteliers: "Das verdiente Geld werden wir jetzt wieder aufbrauchen"

Ute und Horst Wicke sind eigentlich schon im Rentenalter. Trotzdem betreiben sie noch immer das Hotel "Der Schwan" im niedersächsischen Einbeck. Sie, 78, und er, 86, haben in 55 Jahren Hotelier-Dasein noch nie eine solche Krise erlebt wie jetzt.

Noch immer haben sie sich nicht ganz von den schweren Umsatzeinbrüche im Frühjahr erholt. Durch den zweiten Lockdown befürchten sie nun, dass sich ihre finanzielle Situation wieder verschärfen könnte – trotz aller gebildeten Rücklagen und viel Zweckoptimismus. Die Wickes sind auf das Hotel angewiesen. "Ich bekomme nur 86 Euro Rente, wir müssen noch schaffen", sagt Ute Wicke im Gespräch mit t-online.

Sonst besuchten viele Touristen das Städtchen, das für sein Bier berühmt ist und Besuchern eine riesige Oldtimer-Sammlung bietet. "Von diesen Leuten leben wir hier", sagt Wicke. Dann aber blieben die Urlauber im Frühjahr auf einmal aus. "Und Geschäftsreisende haben wir hier nur wenige", sagt Wicke. Zum Glück hatte das Ehepaar etwas vorgesorgt, auch der Staat griff ein wenig unter die Arme. "Das hat uns schon geholfen", sagt Ute Wicke. Darauf hofft das Hotelier-Paar auch jetzt.

Zwar habe der Sommer den Betrieb wieder angekurbelt, sagen beide: "Das waren gute Monate, viele haben ja in Deutschland Urlaub gemacht, die sonst ins Ausland gefahren wären." Trotzdem werde es in den nächsten Wochen eng. "Das verdiente Geld werden wir jetzt wieder aufbrauchen", sagt Ute Wicke und bleibt dennoch zuversichtlich. "Wir werden das überstehen. Da haben wir es noch gut." Viele andere in der Branche seien viel schwerer betroffen, vor allem in größeren Hotels.

Der Kino-Betreiber: "Einen Monat nur Kosten"

Johannes Austermann ist frustriert. Einmal mehr muss er sein liebevoll saniertes 50er-Jahre-Kino "Scala" in Warendorf nahe Münster schließen. "Es gab weltweit keinen nachgewiesenen Infektionsfall in einem Kino", sagt er. "Es ist absurd, dass unsere Branche erneut so drastisch unter einem Lockdown leiden muss."

Besonders ärgert ihn das, weil sich Kinos gut lüften ließen. "Es ist möglich – dank unserer Lüftungstechnik und geräumiger Säle – Kino selbst in Pandemiezeiten zu genießen", sagt er.

Der 24-Jährige, der mit 21 Jahren einen sicheren Job bei der Sparkasse aufgab, um sich seinen Traum vom eigenen Kinos zu erfüllen, wird deutlich: "Ich habe ein gewisses Unverständnis für die Entscheidung der Bundesregierung."

Nun steht Deutschlands wohl jüngster Kino-Betreiber vor "großen Fragezeichen", wie er t-online erklärt. "Ich werde nun einen Monat lang nur Kosten haben", sagt er und zählt auf: Gebäudeunterhaltung, Versicherung, Warenbestand. Auch deshalb sei er gespannt auf die staatlichen Hilfen. Seine einzige festangestellte Mitarbeiterin, die ihm die Pandemie gelassen hat, musste er einmal mehr in die Kurzarbeit schicken.

Austermann will nicht aufgeben, sucht nach kreativen Wegen, zumindest etwas Geld zu verdienen. Eine dieser Ideen ist das "Naschfenster".

"Darüber verkaufe ich Popcorn, Nachos und Cola für Zuhause", sagt er. "Die Nachfrage danach ist sehr groß, denn die Gäste wollen die Kino-Stimmung zumindest ein Stück nach Hause tragen." So partizipiere er zumindest "ein wenig am Geschäft der Streaminganbieter wie Netflix und Amazon Prime".

Doch das "Naschfenster" ist und kann nicht die Lebensversicherung für das "Scala" sein. Im Sommer bot er Autokino an. Das wird es jetzt nicht geben, sagt Austermann – und das nicht nur aufgrund der Kälte: "Mir fehlen schlichtweg die Blockbuster. Der neue 'James Bond' beispielsweise wurde ja auch schon wieder verschoben."

Insgesamt sei die Film- und Kinobranche in einem "besorgniserregenden Zustand", sagt Austermann. Das merke er auch regelmäßig in Gesprächen mit anderen Kinobetreibern. "Es gibt Kollegen, die seit dem ersten Lockdown gar nicht mehr geöffnet haben, weil es sich für sie schlichtweg nicht rentiert", erzählt er und warnt: "Wenn der Lockdown verlängert wird, droht ein großes Kinosterben."

"Bis Ende 2021", rechnet Austermann vor, würden seine Rücklagen voraussichtlich reichen. Dann wäre auch sein Eigenkapital endgültig dahingeschmolzen – und eine fast 70 Jahre alte Münsterländer Kulturinstitution Geschichte.

Austermann gibt sich kämpferisch: "Ich will durchhalten und ich will wieder Kino machen. Das Verlangen nach Kino ist gigantisch, das habe ich nach dem ersten Lockdown gesehen."

Die Restaurantbesitzer: "Dieses und nächstes Jahr haben wir abgehakt"

Wie sehr Corona ein ganzes Geschäft auf den Kopf stellen kann, mussten auch die Eheleute Vincenza, kurz Cinzia, und Giuseppe Vicari lernen. Beide betreiben eine Pizzeria im Westerwald-Örtchen Kölbingen.

Weil im ersten Lockdown im März die Gäste ausblieben, bauten sie ihren Lieferservice stark aus. Mittlerweile fahren sie mit zehn Autos und liefern Pizza, Schnitzel und Salate aus. Vor Corona hatten sie nur ein einziges Fahrzeug.

"Wir wollten uns professionell aufstellen", sagte Cinzia Vicari im Gespräch mit t-online. Deshalb tragen die Lieferanten extra Kleidung mit dem Logo der Pizzeria – und zum Bestellen können Kunden eine hauseigene App nutzen, die die Vicaris entwickeln ließen. "Dafür haben wir nächtelang durchgearbeitet", ergänzt ihr Ehemann Giuseppe. Kurzarbeit sei deshalb nie Thema gewesen. "Es gab eher mehr Arbeit als weniger."

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Für beide war klar, dass in der Pandemie Angriff die beste Verteidigung ist. "Wir haben nicht auf die Hoffnung gesetzt, dass es besser wird", sagte Cinzia Vicari. "Stattdessen sind wir realistisch geblieben – und sind von einem zweiten Lockdown ausgegangen." Die jetzige Schließung der Restaurants überrascht sie deshalb kaum.

"Dieses und nächstes Jahr haben wir das klassische Restaurantgeschäft abgehakt", so Giuseppe Vicari. "Gut, dass wir uns für die Zukunft aufgestellt haben." Deshalb seien sie auch optimistisch.

Im Video oben hier sehen Sie zudem, wie der Besitzer des "Felix Austria" in Berlin über den Shutdown denkt.

Der Hochzeits-DJ: "Es gibt Tage, da will ich nicht aufstehen"

Für John O’Gallagher hätte 2020 das beste Jahr seiner 27-jährigen Karriere als hauptberuflicher DJ werden können: Der Terminkalender war voll mit Events, dazu war er vielerorts als Animateur eingeplant.

Dann kam Corona. Seit März hatte er deshalb lediglich zwei Aufträge. Und die Einnahmen daraus wurden angerechnet auf seine Hartz-IV-Bezüge, die er zusätzlich zur einmaligen staatlichen Soforthilfe in Höhe von 3.000 Euro erhält. Trocken sagt er: "Aber immerhin hatte ich mir selbst was verdient, das will ich ja."

O’Gallagher sagt, er habe als Selbständiger vor der Krise 80-Stunden-Wochen gehabt – "aber gerne, ich mache das ja mit Leidenschaft". Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Statt auf der Bühne zu stehen, präsentiert er sich nun im Internet, mit dem "Jay O'Gees Livestream im Netz: Ich bringe Euch die Party ins eigene Wohnzimmer".

Er mache das, damit er nicht durchdrehe, sagt er. "Und damit die Leute Zerstreuung haben." Eigentlich sei er ein lebensfroher Mensch, er denke immer positiv. "Aber es gibt Tage, da will ich nicht aufstehen". Die Situation sei ein nicht endender Alptraum für Künstler und Menschen in der Veranstaltungsbranche, "und da sind viele sensible Geister darunter, und da gibt es auch Selbstmorde".

Von seinen Hochzeitsterminen seien 80 Prozent ins kommende Jahre verlegt, 20 Prozent abgesagt. Zwei fanden statt – aber da sagt O’Gallagher ab: "Die waren an Orten geplant, wo die Hygienevorschriften eigentlich nicht eingehalten werden konnten. Und ich bin auch noch Risikopatient."

Der gelernte Steuerfachangestellte hat seine Altersvorsorge in Teilen und mit viel Verlust aufgelöst. Allzu lange reicht sein finanzielles Polster nicht mehr. "Das, was ich vom Staat und auf diese Weise bekomme, ermöglicht mir, etwas länger durchzuhalten", sagt er. "Andere haben schon aufgeben müssen."

O’Gallagher schätzt, dass er bis Februar oder März nächsten Jahres finanziell kommt. "Dann kann ich nicht mehr bezahlen." Dass der Bund für den November 75 Prozent des Umsatzes zugesichert hat, sei ein Schritt in die richtige Richtung. "Als im Frühjahr die Bazooka rausgeholt wurde", eine Ankündigung von Finanzminister Olaf Scholz für großzügige Hilfen, "da hat die nicht wirklich in unsere Richtung gezielt."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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