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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Restaurants, Kinos, Theater dicht So will der Bund Firmen durch den Lockdown-November helfen
Ab 2. November mussten Kneipen, Kinos oder Theater schließen. Die Bundesregierung hat versprochen, ihre entgangenen Umsätze zu ersetzen. Nun stehen die Details der Hilfen fest.
Die Bundesregierung hat die milliardenschweren Nothilfen für Unternehmen festgezurrt, die wegen des Teil-Lockdowns im November ihre Geschäfte dicht machen müssen. Dies gilt etwa für Restaurants und Kneipen, Hotels, Kinos, Theater oder Massagestudios.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach bereits vergangene Woche von "in dieser Größenordnung bisher unbekannten Unterstützungsleistungen". Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte: "Wir lassen in dieser ernsten Lage unsere Unternehmen und ihre Beschäftigten nicht allein."
Der Staat möchte Firmen bis zu 75 Prozent ihrer entgangenen Umsätze vom November ersetzen. t-online gibt Ihnen einen Überblick über die versprochenen Hilfen.
Wer kriegt jetzt wie viel Geld?
Das kommt auf die Größe des Unternehmens an. Kleinere Firmen profitieren eher als größere. Konkret sollen Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern und Solo-Selbstständige 75 Prozent des Umsatzausfalls ersetzt bekommen – bis zu einer Obergrenze von 1 Million Euro, soweit der bestehende EU-beihilferechtliche Spielraum das zulässt.
Zuschüsse über 1 Million Euro müssen von der EU-Kommission genehmigt werden. Vor allem bei großen Unternehmen schaut Brüssel genau hin, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Die Hilfen hier können daher von Fall zu Fall unterschiedlich sein.
Vergleichsmaßstab sind die durchschnittlichen wöchentlichen Umsätze des Vorjahresmonats, also von November 2019. Für junge Unternehmen gelten die Umsätze vom Oktober 2020 oder der monatliche Durchschnittsumsatz seit Gründung als Maßstab. Solo-Selbstständige haben ein Wahlrecht: Sie können als Bezugsrahmen auch den durchschnittlichen Wochenumsatz im gesamten Jahr 2019 nutzen.
Das gilt für Einnahmen aus dem Außer-Haus-Verkauf
Auch Zulieferer oder andere indirekt betroffene Unternehmen können die Hilfen beantragen. Voraussetzung ist hier, dass mindestens 80 Prozent der Umsätze mit Firmen erzielt werden, die von Schließungen im Teil-Lockdown betroffen sind.
Die Einnahmen aus dem Außer-Haus-Verkauf während der Schließungen werden nicht angerechnet. Die gewährten Zuschüsse werden jedoch mit zusätzlichen Geldern vom Staat – wie etwa Überbrückungshilfe oder Kurzarbeitergeld – verrechnet.
Diese Hilfen gibt es zusätzlich
Zudem will der Bund die bisherigen Überbrückungshilfen für die Betriebe verlängern und die Konditionen für die am stärksten betroffenen Bereiche verbessern. Außerdem wird der Schnellkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für Beschäftigte mit weniger als zehn Beschäftigten angepasst.
Die Garantie bei diesen Krediten für kleine Betriebe in Höhe von bis zu 300.000 Euro übernimmt zu 100 Prozent der Staat. Die Schnellkredite – bis zu 500.000 Euro sind es etwa für Betriebe mit mehr als zehn und weniger als 50 Beschäftigen – haben eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren, der Zinssatz beträgt 3,0 Prozent. Zwei tilgungsfreie Jahre zu Beginn sind möglich.
Können die Staatshilfen Pleiten wirklich verhindern?
Das kommt auf den jeweiligen Betrieb an. Firmen, die wegen des Teil-Lockdowns im November insolvent gegangen wären, wird das Geld zur Überbrückung der Umsatzausfälle mit Sicherheit helfen. Unternehmen, die bereits vor November finanzielle Probleme hatten, werden auch trotz der neuen Hilfe pleite gehen.
Erschwerend hinzu kommt: Seit Oktober müssen zahlungsunfähige Firmen wieder die Insolvenz anmelden, lediglich für überschuldete Unternehmen gilt bis Jahresende die Corona-Ausnahmeregelung im Insolvenzrecht.
Eine Zahlungsunfähigkeit ist Statistiken zufolge in 90 Prozent der Fälle ausschlaggebend für die Anmeldung einer Insolvenz. Experten rechnen deshalb ohnehin mit einer baldigen Insolvenzwelle. In der Realität wird die Pizzeria oder die Eckkneipe im Ort im Zweifel jedoch einfach dauerhaft schließen – ohne großes Insolvenzverfahren.
Wo genau können Firmen die Staatshilfen beantragen?
In den kommenden Wochen sollen die Staatshilfen unter diesem Portal beantragt werden können – von einem Steuerberater oder einem Wirtschaftsprüfer. Solo-Selbstständige, die nicht mehr als 5.000 Euro beantragen, müssen ihre Anträge nicht von einem Dritten prüfen lassen. Die Auszahlung der Gelder soll über die jeweiligen Überbrückungshilfe-Plattformen der Bundesländer stattfinden – und zwar möglichst schnell.
Die Länder halten dies aber für eine Herausforderung. "Viele Bewilligungsstellen sind schon heute durch die Überbrückungshilfe stark belastet", heißt es in einem Informationsschreiben nach der Telefonkonferenz der Wirtschaftsminister der Länder vom Donnerstag. Das Dokument lag der Nachrichtenagentur Reuters vor.
Die Länder, die für die Auszahlungen zuständig sind, hätten gerne die Finanzämter eingespannt. "Leider ist das nicht möglich. Dazu fehlt eine gesetzliche Grundlage, und die Finanzämter sind von ihrer Ausstattung und IT-Infrastruktur nicht so aufgestellt, dass sie hier schnelle Hilfe leisten könnten."
Weitere Informationen zu den Hilfen finden Sie hier auf der Seite der Bundesregierung sowie in diesem Beitrag, den t-online stets aktualisiert.
Was kostet das den Staat?
Für die neuen Hilfen rechnet der Staat mit Kosten von bis zu zehn Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem Topf für die bereits bestehenden Überbrückungshilfen stammen. Von den dafür vorgesehen 25 Milliarden Euro wurden bislang aber erst rund 1,5 Milliarden Euro abgerufen.
Ein dritter Nachtragshaushalt sollte also nicht nötig sein. Bereits im Frühjahr und im Sommer hat der Bund für die Corona-Soforthilfen und ein gewaltiges Konjunkturpaket zwei neue Nachtragshaushalte beschlossen: Insgesamt nimmt Deutschland wegen der Corona-Pandemie mehr als 200 Milliarden Euro neue Schulden dieses Jahr auf.
Was hält die Wirtschaft von den geplanten Hilfen?
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat die Corona-Finanzhilfen der Bundesregierung für die Branche begrüßt. "Das sind gute und mutmachende Nachrichten für unsere notleidenden Betriebe", sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick am Donnerstag in Berlin.
"Jetzt ist es wichtig, dass die Details schnellstmöglich geklärt werden, damit die Novemberhilfen noch im November bei den Betrieben ankommen", erklärte Zöllick. Die Zeit dränge, da viele Betriebe im Gastgewerbe "mit dem Rücken zur Wand" stünden. Jedem dritten Betrieb droht laut Dehoga ohne ausreichende Hilfe das Aus.
Einige Branchen fühlen sich derweil im Stich gelassen. So kritisierte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, der Umsatz des Taxigewerbes breche aufgrund der angeordneten Maßnahmen um 80 Prozent ein – Hilfe bekomme aber nur, wer die Restaurants, den Tourismus oder die Veranstalter direkt als Kunden habe. "Unsere Kunden sind aber deren Gäste, die jetzt natürlich ausbleiben."
- Eigene Recherche
- Gemeinsame Pressemitteilung: "Außerordentliche Wirtschaftshilfe November – Details der Hilfen stehen"
- bundesregierung.de
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters