Immobilienpreise Start-up ermittelt: Wie viel kostet das Traumhaus?
München (dpa) - Die Idee klingt gut: Wer eine Immobilie sucht, gibt auf einer Landkarte einfach eine Adresse ein und bekommt eine Übersicht über die Immobilienpreise vor Ort.
Für Käufer kann das von Vorteil sein. Denn mit dem Wissen um das Preisniveau können sie in Verhandlungen mit einem Anbieter vielleicht noch etwas herausholen. Verkäufern wiederum kann das beim Erstellen eines Angebots helfen.
Faire Immobilienpreise finden
"Bisher gibt es für diesen Teil des Marktes ja kaum Informationen", sagt Scoperty-Geschäftsführer Michael Kasch. "Deshalb tun sich Kaufinteressenten und Verkäufer oft so schwer damit, einen fairen Preis für eine Immobilie zu finden."
Mit seiner neuen Firma will Kasch genau das ändern. Das Start-up, das seit Mitte November 2020 am Markt ist, füttert mit den Daten von Marktforschungsinstituten wie der Infas 360 GmbH oder dem Immobilienbewerter Sprengnetter einen Algorithmus, der damit Schätzwerte für mehr als 35 Millionen Wohnimmobilien in Deutschland angeben kann.
In die Bewertung fließen zum Beispiel vorherige Transaktionsdaten in der Gegend ein, ebenso Angebotspreise und Lageinformationen sowie Daten, die unter anderem von Katasterämtern stammen: zum Beispiel die Adresse, geschätzte Wohn- und Grundstücksgröße, das Baujahr und der Objekttyp. Angezeigt werden die Schätzpreise dann auf einer Landkarte, für jede Straße, für jede Hausnummer.
Viele Daten für Berechnung erforderlich
Aber bieten solche Daten tatsächlich einen Mehrwert? "Wenn versprochen wird, dass Big Data mehr Preistransparenz bieten kann als bisher, stimmt mich das skeptisch", sagt Steffen Sebastian, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Regensburg. Der Grund: "Immobilien sind heterogene Güter." Das heißt, Häuser und Wohnungen unterscheiden sich und sind nur begrenzt austauschbar. "Um valide Aussagen zu machen, brauchen Sie tiefe Informationen."
"Nehmen Sie zum Beispiel Reihenhäuser", erklärt der Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung. "Sie sind zwar alle ähnlich, unterscheiden sich aber in Ausstattung und Zustand. All das hat Einfluss auf den Wert der Immobilie." So könne sich der Preis von einem Haus zum nächsten je nach Zustand erheblich unterscheiden. "Selbst die Frage, an wen eine Wohnung oder ein Haus vermietet ist, kann eine Rolle spielen."
Das weiß auch Scoperty-Gründer Kasch. "Eigentümer können deshalb auch gezielt Daten für ihre Immobilie einstellen", erklärt er. Der Wert für ein Objekt kann so präzisiert werden. Wer verkaufen will, kann sein Haus oder seine Wohnung als offen für Gebote kennzeichnen. Bei Interesse können Käufer über die Plattform zum Eigentümer Kontakt aufnehmen.
Auf diesem Marktplatz tauchen aber auch Daten von Immobilien auf, die gar nicht zum Verkauf stehen. "Ein Preisschild für eine Immobilie, die nicht zum Verkauf steht, führt nicht zu mehr Transparenz, sondern zu mehr Missverständnissen", kritisiert Matthias zu Eicken vom Eigentümerverband Haus & Grund. Kasch kontert: "Wer will, dass die Daten seiner Immobilie nicht auftauchen, kann sie löschen lassen."
Experte kritisiert große Preisspannen
Zu Eicken sieht aber noch einen weiteren Haken: Aus seiner Sicht lassen die angegebenen Preisspannen zu viel Spielraum. Für Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus in begehrter Frankfurter Lage etwa werden auf dem Portal geschätzte Flächen von 57 bis 105 Quadratmetern und Preise von rund 435.000 bis 808.000 Euro angezeigt. Freistehende Häuser im Hamburger Norden bewegen sich zwischen 1,1 und gut 1,6 Millionen Euro. Die Gefahr sei groß, dass das Tool mit seinen Annahmen auch mal daneben liegt.
Auch der Maklerverband IVD sieht das Start-up noch misstrauisch. "Scoperty ist im Moment keine große Hilfe, es verwirrt mehr, als dass es nützt", schreibt Stephan Kippes, Leiter der Marktforschung beim IVD Süd in München, in einem kürzlich erschienenen Aufsatz. Kippes hat Zweifel, ob sich angesichts der vielen Variablen bei der Bewertung und dem relativ schlechten Zugang zu den Ausgangsdaten ein vernünftiger Algorithmus entwickeln lässt.
Eigentümer mit Verkaufsabsicht sollten einen Experten zurate ziehen, meint Haus & Grund. Der Wert einer Immobilie sei von vielen Faktoren abhängig. Wirtschaftswissenschaftler Sebastian dagegen betont zumindest, dass ein Angebot wie das vonScopertyfür Käufer oder Verkäufer eine grobe Richtschnur sein könne. "Am Ende muss man aber mit einer realistischen Preisvorstellung in den Markt gehen."
Was bei Preisverhandlungen hilft
Bei Immobiliengeschäften geht es am Ende immer um den besten Preis. Schließlich wollen Verkäufer ihr Eigentum nicht unter Wert verkaufen. Wichtiger Rat daher: Nichts überstürzen.
Wer zu schnell deutlich macht, dass es schnell gehen muss, riskiert eine schlechte Verhandlungsposition wenn es um den Preis geht, erklärt Ratgeberautor Werner Siepe. Generell sollte man nicht direkt auf das erste Angebot des Käufers eingehen.
Wenn ein Interessent gleich zehn Prozent vom Angebotspreis abziehen wolle, könne man mit den üblichen Marktpreisen argumentieren. "In der Regel wollen Interessenten fünf Prozent weniger - da kann man sich dann in der Mitte einigen."
Wichtiger Tipp: Bei Übergeboten in einem frühen Stadium sollten Verkäufer eher misstrauisch werden. Besonders wenn ein Handgeld in bar geboten wird, sollte das Angebot gut geprüft werden. Oft stecken Schwarzgeldgeschäfte dahinter.
Ein später notariell abgeschlossener Kaufvertrag ist aber ungültig, falls diesem ein Schwarzgeldgeschäft zugrunde lag. Ist der Käufer noch nicht im Grundbuch eingetragen, wird der Kaufvertrag rückabgewickelt.