Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Gesetzliche Altersvorsorge Für Deutschlands Rentner endet ein goldenes Jahrzehnt
In den vergangenen Krisen blieben die Rentner von Einkommenseinbußen verschont. Nach der Bundestagswahl wird das wohl anders.
Es ist ein kleines Wunder, und bei all den schlechten Nachrichten der vergangenen Monate ein hochwillkommenes: Wenigstens den Rentnern gehts gut. Viele von ihnen sind inzwischen geimpft.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Bürgern dieses Landes müssen sie auch finanziell keine Einbußen durch die Corona-Pandemie fürchten. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr stiegen die Renten sogar um stattliche 3,5 Prozent, in Ostdeutschland mehr als 4 Prozent.
Und in diesem Jahr ist immerhin eine Nullrunde im Westen und eine Minierhöhung im Osten drin. Davon können viele Arbeitnehmer und Selbstständige nur träumen. Vielleicht erinnern sich die Rentner dankbar an diese guten Zeiten, wenn vom kommenden Jahr an wieder über eine Rentenreform gestritten wird.
Krisenjahr zehrt an Löhnen
Erwerbstätige haben im vergangenen Jahr deutliche Einbußen verkraften müssen. Um rund ein Prozent gingen die Reallöhne insgesamt zurück, in einzelnen Branchen sank der Lohn viel stärker. Angestellte in Hotels und Gaststätten sind seit Monaten in Kurzarbeit, viele Selbstständige müssen vom Ersparten leben. Sie werden kaum bereit sein, die Löhne überproportional mit den Rentnern zu teilen, wenn es wieder bergauf geht. Dann werden die Renten langsamer steigen als die allgemeinen Einkünfte.
Eigentlich hätten im Abschwung auch die Renten sinken müssen. Sie sollen der Lohnentwicklung folgen, damit in konjunkturellen Extremphasen keine Lastenverschiebung zwischen den Generationen stattfindet. Doch seit 2009 ist die Regelung für den Fall eines Wirtschaftseinbruchs ausgesetzt. Die Rentner bleiben von Wirtschaftskrisen verschont.
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Politische Versprechen sind teuer
Dafür gibt es natürlich Gründe: Viel weniger als alle anderen Bevölkerungsgruppen können Ruheständler ihre Einnahmen und Ausgaben beeinflussen. Sie können keine großen Ersparnisse mehr bilden, also nicht mehr für die Krisen der Zukunft vorsorgen. Außerdem waren die Zeiten gut, man musste den Senioren nichts zumuten, sie nicht verunsichern. Vor allem aber sind sie die wichtigste Wählergruppe für die Regierungskoalition aus CDU und SPD.
Ein goldenes Jahrzehnt für die Rentner liegt hinter uns. Der Erfolg der Volkswirtschaft, Hunderttausende neuer sozialversicherungspflichtiger Stellen spülten viel mehr Geld in die Rentenkasse, als Sozialpolitiker sich erträumt hatten. Doch sie gaben es mit vollen Händen aus.
Nicht nur, indem sie den Rentnern versprachen, sie müssten nicht verzichten. Sie versprachen den Müttern Extrageld für ihre Lebensleistung, den besonders Fleißigen gestatteten sie einen frühzeitigen Abschied aus dem Erwerbsleben. Die besonders Armen sollten zudem nicht auf andere Hilfssysteme verwiesen werden, wenn die Rente nicht zum Leben reichte. Deshalb wurde die Grundrente erfunden.
Es braucht eine umfassende Reform
Nun aber sind diese Zeiten vorbei. Nur der beginnende Wahlkampf und der Termin der Bundestagswahlen im September verschaffen den heutigen und vor allem den künftigen Rentnern eine Schonfrist. Mehr als 100 Milliarden Euro steuert der Staat schon jetzt in die Kassen der Rentenversicherung. Nach den Wahlen wird es eine Reform geben müssen, die für alle Umwälzungen bringt.
Die CDU will die Lage mit einem flexiblen Renteneintrittsalter entspannen. Künftig soll es keine feste Altersgrenze mehr geben. Wer eine höhere Monatsrente will, arbeitet ein paar Jahre länger. Wer früher in Rente gehen möchte, nimmt eine niedrigere Auszahlung in Kauf. In jedem Fall bekommt der künftige Rentner am Ende in der Summe eine geringere Auszahlung, die Rentenkasse wird entlastet. Wie das funktionieren soll, lesen Sie hier.
Die Liberalen wollen mit einem Baukastensystem gegen Altersarmut und Rentenlücke kämpfen. Ein Baustein ist die Lebensarbeitszeit, einer die betriebliche Vorsorge, ein dritter eine verpflichtende private Altersversorgung auf Aktienbasis. Die soll die drohende künftige Versorgungslücke der Alten schließen. Nicht mehr Riester-Rente, sondern ein vom Staat organisiertes Portfolio soll die Rentner an den Börsengewinnen beteiligen, ohne dass sie selbst spekulieren müssen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Neue Rentenformel wird eine Zumutung
Die SPD und die Grünen wollen die Rentenfinanzen sichern, indem auch Beamte und Selbstständige in die allgemeine Versicherung einzahlen sollen. So sorgt man kurzfristig für einen enormen Zuwachs an Geld, das die jetzigen Rentenverpflichtungen bezahlen kann.
Irgendwann aber müssen die neuen Versicherten natürlich auch eine Rente bekommen – aber das dauert, und dann ist keiner der heutigen Sozialpolitiker mehr im Amt.
Was das mit den heutigen Rentnern zu tun hat? Ihre Bezüge werden nicht mehr so zuverlässig steigen wie in den vergangenen Jahren. Möglicherweise werden sie irgendwann sogar etwas schrumpfen. Denn an einer neuen Rentenformel wird eine künftige Bundesregierung nicht vorbeikommen. Die aber wird für alle Generationen eine Zumutung.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .