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Pandora Papers: So dreist funktionieren die Steuertricks der Reichen


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Pandora Papers
So funktionieren die Steuertricks der Reichen


Aktualisiert am 04.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Claudia Schiffer: Auch das Supermodel soll sein Geld über Steueroasen investiert haben.Vergrößern des Bildes
Claudia Schiffer: Auch das Supermodel soll sein Geld über Steueroasen investiert haben. (Quelle: Ahmed Hadjouti/imago-images-bilder)

Die Pandora Papers zeigen: Politiker, Promis und Superreiche bunkern Geld in Steueroasen. Doch wie funktioniert das Geschäft mit Offshore-Firmen eigentlich? Und ist die Steuerflucht überhaupt verboten?

Fünf Schlafzimmer, 3,8 Hektar Land und eine märchenhafte Aussicht: Das Château Bigaud an der Côte d'Azur ist ein Schmuckstück von einem Landschloss, eingebettet zwischen mittelalterlichen Ruinen und dichten Wäldern in Mougins – jenem Bergdorf, in dem Picasso seinen Lebensabend verbrachte. Entsprechend viel Geld musste sein Besitzer für den Kauf in die Hand nehmen: 15 Millionen Euro hat Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš für das Anwesen gezahlt. Öffentlich bekannt werden sollte das allerdings nicht.

Dass der Immobilienkauf nun doch ans Licht kam, ist den Pandora Papers zu verdanken. Unterlagen, die dem Internationalen Netzwerk für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt wurden und die zeigen, wie Hunderte Politiker, Amtsträger, Firmenvorstände und Spitzensportler weltweit Geld über Briefkastenfirmen beiseiteschaffen. Oder wie Babiš offenbar versuchen, ihren Besitz vor der Öffentlichkeit zu verstecken.

Aber wie genau funktioniert das Geschäft in Steueroasen eigentlich? Wie tricksen Privatleute und Unternehmen? Und ist es immer kriminell, ein Steuerschlupfloch zu nutzen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wozu dienen Briefkastenfirmen?

Die Motive, aus denen Menschen Offshore-Geschäfte betreiben und geheime Briefkastenfirmen aufsetzen, sind vielfältig. Reichen Privatleuten kommen sie gelegen, um Vermögen und Wertgegenstände zu verschleiern – etwa vor den Augen ihrer Gläubiger, Ex-Geliebten oder Steuerfahndern. So legen die Daten der Pandora Papers den Verdacht nahe, dass beispielsweise der frühere britische Premierminister Tony Blair und seine Frau mithilfe einer Briefkastenfirma mehr als 300.000 Euro Grunderwerbssteuer sparten.

Aber auch Unternehmen nutzen die Firmen, um ihre Gewinne kleinzurechnen und so Steuern zu sparen. Kriminelle wiederum können über diesen Umweg ihren Machenschaften nachgehen, ohne aufzufliegen. So zeigen die aktuellen Recherchen, wie Mafiosi Briefkastenfirmen nutzen, um ihren Besitz zu verschleiern und anonym zu bleiben. Andere Betrüger bauen darüber weitverzweigte Firmennetzwerke auf, um Kunden um ihr Vermögen zu bringen.

Pandora Papers: Die Recherchen basieren auf geheimen Dokumenten von Finanzdienstleistern, die in 14 Steueroasen tätig sind. Die Informationen reichen bis ins Jahr 2021. Es soll sich um das bislang größte Datenleck zu Geschäften in Steueroasen handeln – der Datensatz ist rund 2,9 Terabyte groß und umfasst 11,9 Millionen Dokumente. Zu den Profiteuren der Offshore-Dienste sollen 330 Politiker und Amtsträger aus fast 100 Ländern gehören, darunter allein 35 derzeitige oder ehemalige Staats- und Regierungschefs.

Wie groß ist der Schaden durch solche Geschäfte?

Die EU-Kommission schätzt, dass den Mitgliedsstaaten jedes Jahr eine Billion Euro durch Steuervermeidung und -hinterziehung verloren gehen. Der Großteil der Summe entfalle auf Steuervermeidung, insbesondere von multinationalen Konzernen, wie etwa durch das Datenleck Offshore-Leaks im April 2013 aufflog.

Nach Schätzungen des Netzwerks Steuergerechtigkeit haben allein Deutsche mehr als 125 Milliarden Euro anonym im Ausland gelagert und hinterziehen so jährlich 5 bis 15 Milliarden Euro Steuern. Den Schaden hat letztlich die Allgemeinheit. Denn entweder fehlt auf diese Weise Geld für wichtige Investitionen in Infrastruktur, Sicherheit oder Bildung oder die Steuerzahler müssen einspringen und die Lücke füllen.

Wie funktionieren Steuerschlupflöcher?

In Steueroasen wie den Kaimaninseln, Bahamas, Zypern oder Luxemburg gibt es sogenannte Offshore-Anbieter: also Firmen, die davon leben, anonyme Briefkastenfirmen und Trusts zu gründen und diese an Privatleute oder Unternehmen zu verkaufen. Die Briefkastenfirmen und Trusts sind rechtlich oft in Ländern angesiedelt, die international durch eine schwache Geldwäschekontrolle, intransparente Finanzstrukturen und besonders niedrige Steuersätze auffallen.

Bei Briefkastenfirmen geht es um geheime Geschäfte, mithilfe von Trusts wird Vermögen anonym gelagert oder die Erbfolge geregelt. Briefkastenfirmen haben dabei nicht nur den Vorteil, dass für sie keine Gewerbesteuer fällig wird, sondern man kann auch falsche Geschäftsführer einsetzen.

Offshore-Firmen lohnen sich erst ab mehreren Millionen

Im Fall von Tschechiens Ministerpräsident Babiš soll das Geld für das französische Landschloss über drei verschiedene Briefkastenfirmen geflossen sein – von Tschechien über Washington, Monaco und die Britischen Jungferninseln nach Frankreich. Involviert sind in solche Geschäfte meist eine ganze Reihe von Vermögensberatern, Anwälten, Banken und Steuerberatern. All diese Jobs unterliegen in der Regel einem Berufsgeheimnis, was es schwer macht, an Informationen über die Geschäfte zu gelangen.

Kann ich die Steuertricks der Reichen auch nutzen?

Das kommt einerseits darauf an, wie dehnbar Ihr Gewissen ist – andererseits darauf, wie viel Geld Sie haben. Denn damit sich eine Offshore-Konstruktion für den Kunden lohnt, sollte es um mehrere Millionen gehen.

Die Finanzdienstleister in den Steueroasen erheben jährliche Gebühren von mehreren Tausend Dollar; auch die Anwälte verlangen stattliche Honorare. Erst wenn die Steuerersparnis größer ist als diese Kosten, ergibt der Aufbau einer Briefkastenfirma Sinn.

Anders ausgedrückt: Um beim Kauf eines normalen Einfamilienhauses Steuern zu sparen, lohnen sich die Steuertricks der Superreichen kaum. Der Aufwand, eine Briefkastenfirma einzurichten und sie zu betreiben, ist zu groß.

Tschechiens Regierungschef weist die Anschuldigungen von sich: Es sei klar, dass er weder etwas Ungesetzliches noch etwas Schlechtes getan habe, sagte Babiš der Nachrichtenagentur CTK. Auch andere Beschuldigte geben an, sich an Gesetze und Vorschriften gehalten zu haben.

Tatsächlich sind Geschäfte in Steueroasen, beispielsweise der Besitz einer Briefkastenfirma, moralisch fragwürdig – verboten sind sie aber nicht. Offshore-Firmen können auch zu legalen Zwecken genutzt werden. Für Unternehmen wie für Privatleute gilt allerdings: Die Erträge aus Steueroasen müssen den Finanzbehörden ihres Wohnsitzlandes gemeldet werden.

Trotzdem gibt es Fälle, in denen die Firmenkonstrukte dazu dienen, Geld zu waschen oder Steuern zu hinterziehen.

So werden Einnahmen aus illegalen Quellen über zahlreiche Transaktionen zwischen Offshore-Banken und Scheinfirmen im Ausland reingewaschen und in den Finanzkreislauf eingespeist, um sie später in Immobilien oder Aktien zu investieren – oder erneut in Scheinfirmen.

Unabhängig davon gilt: Auch legale Formen der "Steuergestaltung" müssen nicht gleichzeitig legitim sein. Zumindest ergeben sich aus den Briefkastenfirmen-Konstruktionen der Reichen moralische Fragen, da ihnen Wege offenstehen, Geld zu sparen, die anderen Menschen verschlossen bleiben.

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