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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump stürzt Märkte in die Krise Was Anleger jetzt nicht tun sollten

Trumps Zollpolitik trifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Portfolios vieler Anleger. Wie können sie ihr Geld schützen, wenn die Märkte durchdrehen?
Die weltweiten Aktienmärkte sind auf Talfahrt, seit US-Präsident Donald Trump drastische Zölle gegen den Rest der Welt verkündet hat. Diese Zölle fielen höher aus, als Experten erwartet – oder befürchtet – hatten. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, kommentiert: "Die handelspolitischen Ankündigungen von Donald Trump stellen keinen Befreiungsschlag, sondern eine massive Belastung für den Welthandel und die Weltwirtschaft dar."
Trotz der dramatischen Verluste raten Experten zur Besonnenheit. Zwar scheint die Lage für viele alarmierend, doch führen nicht wirtschaftliche Fundamentaldaten, sondern die Angst der Anleger den Abwärtstrend an. Korrekturen wie diese sind zwar in einem überhitzten Markt notwendig. Sie helfen, Bewertungsblasen in aufgeheizten Sektoren abzubauen. Doch wie sollten sich Anleger jetzt verhalten, um nicht zum Spielball ihrer eigenen Emotionen zu werden?
Börsen im freien Fall
Der Dow Jones Industrial Average stürzte in der vergangenen Woche um 7,5 Prozent ab und erreichte ein Achtmonatstief. Am heutigen Montag setzt sich die Talfahrt kurz nach Handelsbeginn an der Wall Street mit etwa minus vier Prozent fort. Auch der Index kleiner US-Unternehmen, der Russell 2000, fiel bis zum Handelsschluss am Freitag um 9,7 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit 2023.
Der marktbreite S&P 500, der Nasdaq sowie der Russell 2000 liegen mehr als 20 Prozent unter ihren jüngsten Höchstständen – ein deutliches Signal für den Eintritt in einen sogenannten Bärenmarkt, also eine länger anhaltende Phase fallender Kurse.
Industrieproduktion im Zangengriff der Zölle
Die Zölle könnten nicht nur die Aktienmärkte belasten, sondern die US-Wirtschaft in eine Rezession treiben. Besonders die Autoindustrie verdeutlicht die Schwächen protektionistischer Maßnahmen. Tobias Krieg, Aktienexperte und Analyst bei Lnyx Broker, erklärt: "Das Aluminiumerz für US-Autos stammt beispielsweise zu 80 Prozent aus Kanada und wird größtenteils auch dort zu Aluminium verarbeitet."
Anschließend entstünden in Detroit, Michigan, Kolben und andere Motorteile, die wiederum zur Montage nach Windsor, Ontario, transportiert werden. Die beiden Fabriken liegen geografisch nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Jahrzehntelang verlief die Grenze dazwischen nahezu unsichtbar.
"Bei manchen Teilen finden mehr als ein halbes Dutzend Grenzüberschritte zwischen Kanada und den USA statt. Und wir haben überhaupt noch nicht über die Zulieferer in Mexiko gesprochen, was die Lage nochmal deutlich verkompliziert. Wie das alles in der Realität umgesetzt werden soll, weiß niemand. Branchenexperten warnen bereits vor einem regelrechten Crash der US-Autobranche", so Krieg.
Selbst wenn die USA heute neue Produktionsstätten errichten würden, würde es Jahre dauern, bis sie produktionsbereit wären – unter der Annahme, dass alle Pläne und Genehmigungen bereits vorlägen und die Finanzierung gesichert sei.
Wirtschaftspolitik mit Rückgriff auf die Vergangenheit
Laut Berechnungen von Wirtschaftsexperten der Universität Yale liegt der neue durchschnittliche US-Zollsatz bei 22,5 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 1909. Der "Spiegel" schreibt dazu: "Der gegenwärtige Durchschnittszoll sei höher als zu Zeiten der berüchtigten Smoot-Hawley-Zölle von 1930, die den desaströsen internationalen Handelskrieg der Dreißigerjahre lostraten."
Die Zolleinstufung erfolgt nicht anhand realer Handelshemmnisse, sondern wird laut "Spiegel"-Kolumnist Henrik Müller entlang nationaler Handelsbilanzdefizite berechnet. Das zeuge von "atemberaubender fachlicher Ignoranz". Und Tobias Krieg fügt hinzu: "Das hat nichts mit den tatsächlichen Zöllen zu tun, die die EU oder ein anderes Land auf Waren aus den USA erhoben hat."
Auch ETFs verlieren zweistellig
Die Auswirkungen der Trump-Zölle spüren auch Anleger deutlich. Selbst große ETFs wie der iShares Expanded Tech-Software Sector ETF verloren mehr als zehn Prozent an Wert. Der VanEck Vectors Semiconductor ETF beispielsweise gab sogar um mehr als 15 Prozent nach. Der MSCI World Index verzeichnete allein in den letzten drei Monaten einen Rückgang von über 12 Prozent.
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Einige Analysten sehen in der aktuellen Entwicklung eine gesunde Korrektur. Peter Mallouk, CEO von Creative Planning, betont: "Korrekturen treten etwa alle 10 bis 18 Monate auf, und die durchschnittliche Korrektur beträgt fast 14 Prozent." Die Zölle seien zwar gravierend, aber letztlich nicht überraschend: "Die einzige wirkliche Überraschung – wenn man es überhaupt so nennen kann – ist, wie tief und umfassend diese Zölle ausfallen."
Zeichen stehen auf Sturm
Andere sehen schwerere Zeiten voraus. Tobias Krieg verweist auf die Prognose der Atlanta Fed, die für das erste Quartal ein US-Wachstum von -2,8 Prozent erwartet. Bereinigt um Einmaleffekte, wie panische Goldkäufe, liegt die Schätzung bei -0,5 Prozent. JPMorgan erwartet für 2025 eine Rezession in den USA mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent.
JPMorgan-Chef Jamie Dimon warnt davor, dass Zölle das Vertrauen in die Wirtschaft, Investitionen, Kapitalflüsse, Unternehmensgewinne und den Dollar beeinträchtigen könnten. "Je schneller dieses Problem gelöst wird, desto besser, da einige der negativen Auswirkungen im Laufe der Zeit kumulativ zunehmen und nur schwer rückgängig zu machen wären", schrieb Dimon in seinem am Montag veröffentlichten jährlichen Brief an die Aktionäre.
Krieg prognostiziert: "Es ist wahrscheinlich, dass wir uns gerade in einer ähnlichen Situation befinden wie Anfang 2022." Damals reichte allein die Furcht vor einer Rezession, um den S&P 500 um über 25 Prozent einbrechen zu lassen. Eine Rückeroberung der alten Höchststände dauerte fast zwei Jahre. "Als Anleger sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass es dieses Mal genauso lange oder noch länger dauern könnte", so Krieg.
Wie es an den Börsen weitergeht
Christian Subbe, Chief Investment Officer von HQ Trust, erwartet weiterhin Unsicherheit: "Der aktuelle Konflikt sollte länger anhalten und immer wieder zu Verunsicherung an den Märkten führen. Aktien werden in den nächsten Wochen volatil bleiben." Selbst traditionell defensive Werte, die als krisenfest gelten, wurden abverkauft. Lediglich einige wenige Branchen wie Banken, Software oder Pharma zeigen sich bisher robust.
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Quartalszahlen großer US-Konzerne wie JPMorgan Chase, Wells Fargo oder Delta Air Lines könnten Hinweise darauf liefern, wie Unternehmen und Verbraucher auf die neuen Zölle reagieren. Diese sollten jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da sich die volle Wirkung der Maßnahmen erst zeitverzögert zeigt. Der Verbraucherstimmungsindex der University of Michigan, insbesondere die Erwartungen zur Inflation, könnte ein erstes Signal für die reale Verfassung der US-Konsumenten geben.
Die Auswirkungen der Trump-Zölle seien komplex. Viel hänge von den Reaktionen aus Europa sowie den anderen Weltregionen ab, erklärt Subbe. China hat als Reaktion bereits Gegenzölle in Höhe von 34 Prozent auf US-Importe verhängt und plant, den Export seltener Erden einzuschränken. Handelsabkommen könnten zu kurzfristiger Entspannung führen, aber echte Trendwenden an der Börse erfordern neue Hochs nach Rückschlägen. Und danach sieht es aktuell nicht aus.
"Wir raten Investoren, nicht in Panik zu verfallen. In den meisten Fällen zahlt es sich in solchen Situationen aus, ruhig und investiert zu bleiben", sagt Subbe weiter. Bei allem Pessimismus sollten Investoren nicht vergessen, dass sich Unternehmen schnell auf neue Szenarien einstellen könnten.
Konsum zurückhaltend – Fed zögert mit Zinssenkungen
Zölle verteuern jedoch nicht nur Produkte für die Industrie. Sie schmälern im Endeffekt auch die Kaufkraft der Verbraucher. Und ohne Konsum kein Wachstum. Gleichzeitig verhindern steigende Preise schnelle Zinssenkungen. Fed-Chef Jerome Powell sagte am Freitag: "Ich will noch mehr Klarheit über die Auswirkungen der Trump-Zölle auf Wachstum und Inflation, die größer sein könnten, als vielleicht bisher angenommen." Er deutete an, dass es auf der Sitzung am 7. Mai keine Zinssenkung geben werde.
Im schlimmsten Fall droht den USA eine Stagflation – ein Szenario, in dem das Wirtschaftswachstum stagniert, während die Inflation weiter steigt. Besonders hart trifft es Kanada und Mexiko, die sehr wahrscheinlich in eine Rezession abgleiten werden.
Für die Börse sind das keine guten Vorzeichen. Sollten die Kurse weiter fallen, wird das die US-Konsumlaune zusätzlich belasten, denn die meisten Amerikaner sorgen mit Aktien für die Rente vor. Schmelzen die Depots, schnallt man den Gürtel enger.
Angstniveau erreicht neue Höhen
CNN misst mit dem Fear-and-Greed-Index die Marktstimmung anhand objektiver Kriterien wie Kursmomentum und Nachfrage nach sicheren Anleihen. Derzeit liegt der Index bei 3 Punkten und signalisiert damit extreme Angst. "Ein solcher Wert sei zwar kein Garant für eine unmittelbare Umkehr", sagt David Bienbeck vom Vermögensverwalter Albrech & Cie, "doch in einigen Monaten könnte man rückblickend feststellen, dass die US-Aktienmärkte im Frühjahr 2025 das Tief der Korrektur hinter sich gelassen haben."
Ein Hoffnungsschimmer: Laut der "American Association of Individual Investors" erwarten derzeit 60 Prozent der Privatanleger weiter fallende Kurse. "Das sind doppelt so viele wie üblich", erklärt Bienbeck. Dieser Pessimismus liege drei Standardabweichungen über dem Durchschnitt. In der Vergangenheit stieg der S&P 500 in solchen Phasen innerhalb von sechs bis zwölf Monaten durchschnittlich um 26 bis 35 Prozent.
Ruhe bewahren lohnt sich
Mirko Kohlbrecher, Investmentstratege bei Spiekermann & Co AG, rät: "Was Sie unbedingt vermeiden sollten, ist voreiliges oder panikartiges Verkaufen." Die Geschichte zeige, dass solche Phasen dazugehören. Das letzte markante Tief am globalen Aktienmarkt lag im Oktober 2022. Seither bewegen sich die Kurse nach dem Muster "höheres Tief, höheres Hoch".
Eine Pause nach zweieinhalb Jahren Aufwärtstrend sei sogar gesund, meint Kohlbrecher. "Vor allem Anleger, die spät am Aktienmarkt eingestiegen sind oder konzentriert Aktien von Unternehmen halten, die stark unter Druck kommen, werfen irgendwann das Handtuch. Ist dies geschehen, kann wieder mit einer stabileren Marktphase gerechnet werden."
- finance.yahoo.com: "Warren Buffett's Stance on Import Tariffs Raises Flags. But Don't Ignore His Words on Investing During Times of Market Turmoil." (Englisch)
- entrepreneur.com: "'Keep Your Head When All About You Are Losing Theirs': Here's Warren Buffett's Classic Advice As Stock Market Plunges on Tariff Announcement" (Englisch)
- lynxbroker.de: "Panik ist angebracht. China verhängt Gegenzölle"
- investors.com: "Dow Jones Futures Loom Large After Trump Tariffs Drive Nasdaq Into Bear Market" (Englisch)
- wallstreet-online.de: "Peter Mallouk: 'Kein Blutbad, sondern eine Korrektur'"
- spiegel.de: "Warum sind wir eigentlich von Trumps Zöllen überrascht?"
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters