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Geld nachhaltig anlegen: Verschenke ich damit Rendite?


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Investieren mit gutem Gewissen
Verschenke ich Geld, wenn ich nachhaltig anlege?


19.08.2020Lesedauer: 5 Min.
Eine Pflanze wächst aus Euro-Münzen, die ein Mann in Händen hält (Symbolbild): Auch die Art, wie Sie Ihr Geld anlegen, hat Folgen für das Klima.Vergrößern des Bildes
Eine Pflanze wächst aus Euro-Münzen, die ein Mann in Händen hält (Symbolbild): Auch die Art, wie Sie Ihr Geld anlegen, hat Folgen für das Klima. (Quelle: AlexSava/Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Nachhaltiges Investieren wird in Deutschland zwar immer beliebter, ihr Anteil bleibt aber verschwindend gering. Woran liegt das? Geht Nachhaltigkeit immer auf Kosten von Rendite? Und wie lege ich mein Geld überhaupt nachhaltig an?

Geht es um grüne Geldanlage, hinkt Deutschland noch ordentlich hinterher. Zwar wird Nachhaltigkeit für viele Verbraucher immer wichtiger, doch ihr Geld stecken bisher nur die wenigsten in grüne Produkte. Laut dem Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlage machten nachhaltige verwaltete Fonds 2019 gerade einmal 5,4 Prozent am Gesamtmarkt aus.

In der Schweiz ist man da schon weiter: Dort steckt mehr als jeder dritte Euro in grünen Fonds.

Woran liegt die Zurückhaltung der Deutschen? Was muss geschehen, damit diese Art der Geldanlage Fahrt auf nimmt? Und muss ich mich wirklich zwischen gutem Gewissen und Rendite entscheiden – oder geht auch beides zusammen? Ein Überblick.

Was gilt als nachhaltig?
Das ist derzeit die Gretchenfrage. Denn einen einheitlichen Standard gibt es dafür noch nicht. Das heißt, was eine Fondsgesellschaft für nachhaltig hält, kann bei der nächsten schon wieder ganz anders aussehen. Die EU will das ändern und in den nächsten Jahren einen Mindeststandard etablieren. Derzeit arbeiten fast alle Fondsgesellschaften bei der Zusammenstellung ihrer Produkte mit Ausschlusskriterien – so werden etwa Unternehmen ausgeklammert, die die Umwelt zerstören oder Menschenrechte verletzten. Stark genutzt wird aber auch der sogenannte Best-in-Class-Ansatz. Hier finden Unternehmen Eingang in einen Fonds, die nur vergleichsweise nachhaltig sind – also innerhalb ihrer Branche zu den nachhaltigeren Vertretern zählen.

Verschenke ich Geld, wenn ich nachhaltig investiere?

Die für viele wohl überraschende Antwort: nein, nicht automatisch. "Rendite und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus", sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen, im Gespräch mit t-online.de. Die Erträge grüner Produkte seien weder per se schlechter noch besser. "Es kommt schlicht darauf an, welchen Fonds ich habe", so Oelmann.

Den Mythos, dass nachhaltige Geldanlage nur auf Kosten von Rendite zu haben sei, entzauberte auch eine Meta-Studie der Universität Hamburg. Die Wirtschaftsprofessoren Alexander Bassen und Timo Busch werteten dafür rund 2.000 empirische Untersuchungen aus, die sich mit den Erträgen nachhaltiger Geldanlagen befassten. Mehr als 90 Prozent dieser Studien kamen zu dem Schluss, dass nachhaltige Anlage keinen Einfluss auf die Höhe des Gewinns hat oder diesen sogar erhöht.

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Warum investieren die Deutschen so wenig nachhaltig?

Laut Verbraucherschützerin Oelmann hat das mehrere Gründe. Einer sei das fehlende Wissen der Verbraucher, aber auch der Bankberater. "Nachhaltige Produkte gehören einfach noch nicht zum Standard-Portfolio oder wurden in der Lehre nicht behandelt", sagt Oelmann.

Da derzeit noch nicht verbindlich vorgeschrieben ist, was nachhaltig ist und was nicht, hätten einige Berater zudem Scheu vor ethischen Grundsatzdiskussionen mit den Kunden.

"Die will der Verbraucher in der Regel aber gar nicht führen, weil er auch so schon überfordert ist." Hinzu käme, dass die Deutschen dem Aktienmarkt generell eher noch skeptisch gegenüber stünden.

Immerhin: Zahlen des Branchenverbands BVI zeigen, dass nachhaltige Publikumsfonds im ersten Halbjahr 2020 beliebter waren als nicht nachhaltige. Anleger steckten nämlich 7,7 Milliarden Euro in nachhaltige Produkte, während sie 3,4 Milliarden aus nicht nachhaltigen abzogen. Publikumsfonds stehen sowohl privaten Investoren als auch institutionellen wie etwa Versicherern offen. Insgesamt verwalteten Publikumsfonds bis Ende Juni 2020 ein Vermögen von 1.061 Milliarden Euro. Auf nachhaltige Publikumsfonds entfielen rund 50 Milliarden Euro.

Wie kann nachhaltige Geldanlage attraktiver werden?

Oelmann zufolge braucht es dafür vor allem zwei Dinge: eine gesetzliche Definition, was unter nachhaltiger Geldanlage zu verstehen ist, und Mindeststandards, die jede Art der staatlich geförderten Altersvorsorge wie zum Beispiel die Riester-Rente erfüllen müsse. "Nur so schaffen wir es mit nachhaltigen Produkten raus aus der Nische."

An der gesetzlichen Definition arbeitet die EU-Kommission derzeit mit ihrem Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Eine Investition kann demnach nur dann als nachhaltig betrachtet werden, wenn sie entweder

  • direkt zum Klimaschutz beiträgt,
  • dafür sorgt, dass sich ein Unternehmen so wandelt, dass es nachhaltiger wird,
  • dazu führt, dass Wasser- und Meeresressourcen nachhaltig genutzt werden,
  • die Kreislaufwirtschaft fördert,
  • Verschmutzung vermeidet
  • oder ein gesundes Ökosystem fördert.

Allerdings wenden Kritiker ein, dass die EU nur den ökologischen Aspekt im Blick habe und soziale und ethische Standards außen vor blieben. Letztere werden bereits in den sogenannten ESG-Kriterien berücksichtigt, mit denen Anleger Produkte auf ihre Nachhaltigkeit prüfen können. Teil des EU-Plans ist es zudem, dass Bankberater ihre Kunden künftig bei jedem Fondskauf auf sozial-ökologische Alternativen hinweisen sollen.

Die zweite Forderung der Verbraucherschützerin – die Mindeststandards für geförderte Altersvorsorge – ist hingegen Sache der Nationalstaaten. "Hier ist die Bundesregierung gefordert", so Oelmann.

Deutschland soll führend bei nachhaltigen Finanzen werden

Tatsächlich hat die das Thema inzwischen auf dem Schirm: Nachdem sich die Bundesregierung zunächst nicht gerade als Vorreiter in der EU präsentiert hat, arbeitet nun seit Juni 2019 der sogenannte Sustainable-Finance-Beirat daran, Deutschland zum führenden Standort für nachhaltige Finanzen zu machen.

In einem Thesenpapier von Oktober vergangenen Jahres heißt es, man wolle den Bürgern "nachhaltige und verantwortliche Finanzprodukte in allen Produktkategorien – insbesondere Investmentprodukte, Bankprodukte und Versicherungsprodukte" anbieten. Einer Vorreiterrolle komme dabei öffentlich geförderten Produkten wie KfW-Programmen, vermögenswirksamen Leistungen, Riester- und Rürup-Rente sowie der betrieblichen Altersvorsorge zu.

Warum ist nachhaltige Geldanlage wichtig?
2015 haben sich die Vereinten Nationen darauf verständigt, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius, besser 1,5 Grad, zu begrenzen. Damit dieses sogenannte Pariser Klima-Ziel erreicht werden kann, müssen sich auch die ökologischen Fußabdrücke von Anlageportfolios stark reduzieren. Aber nicht nur das: Um das Ziel zu erreichen, muss auch viel investiert werden – etwa in den Ausbau erneuerbarer Energien oder Verkehr, der weniger CO2 ausstößt. Dafür wiederum braucht es Geld – und das soll auch von privaten Anlegern kommen.

Wie investiere ich am besten nachhaltig?

Mehrere Wege führen hier ans Ziel. Da einheitliche Standards bisher fehlen, sollten Sie sich überlegen, was Nachhaltigkeit für Sie persönlich bedeutet – ob Sie zum Beispiel ökologischen oder sozialen Kriterien mehr Gewicht schenken wollen, ob Sie bestimmte Branchen generell vermeiden (Ausschlusskriterien) oder gezielt fördern möchten.

Gezielt fördern können Sie zudem auf zwei Arten – ausdrücklich nur rein nachhaltige Unternehmen oder Unternehmen, die aus sich heraus noch nicht besonders nachhaltig sind, aber im Vergleich zu den anderen aus ihrer Branche nachhaltiger agieren (Best-in-Class-Ansatz).

"Wenn Sie einzelne Branchen fördern wollen, gehen Sie allerdings ein Klumpenrisiko ein", gibt Verbraucherschützerin Oelmann zu bedenken. Klumpenrisiko meint, dass Sie sozusagen alle Eier in einen Korb legen. Dadurch erhöht sich das Risiko, das investierte Geld zu verlieren.

Für Einsteiger bieten sich nachhaltige ETFs an

Sicherer fahren Sie, wenn Sie Ihre Eier auf mehrere Körbe verteilen. Das funktioniert zum Beispiel mit nachhaltigen ETFs. Das sind Aktienfonds, bei denen ein Computeralgorithmus einen Index abbildet, der nachhaltige Unternehmen enthält.

ETFs haben im Gegensatz zu aktiven Fonds keinen Fondsmanager, der bezahlt werden muss. Sie sind daher in der Regel deutlich günstiger und auch für Börsen-Einsteiger gut geeignet.

Die Stiftung Warentest prüft regelmäßig nachhaltige Fonds und gibt Empfehlungen ab. "Das ist eine gute Orientierung", sagt Oelmann, "allerdings ist eine Investition immer auch eine Wette auf die Zukunft." Denn nur weil sich ein Fonds in der Vergangenheit gut entwickelt hat, muss das nicht so weitergehen.

Gibt es überhaupt genug nachhaltige Produkte?

Das kommt darauf an. Für den derzeitigen Stand der Nachfrage droht kein Engpass. Wunsch der Politik ist es aber, diese zu steigern – entsprechend müsste sich auch das Angebot vergrößern. "Wenn jeder von heute auf morgen nachhaltig Geld anlegen wollen würde, dann gäbe es nicht genug nachhaltige Produkte", sagt Parisa Shahyari, bei der Umweltstiftung WWF für Nachhaltigkeit im Finanzsystem zuständig, im Gespräch mit t-online.de. "Da müsste sich auf Anbieterseite noch einiges ändern."

Der von der EU geplante einheitliche Standard für nachhaltige Anlageprodukte könnte zudem dazu führen, dass die Zahl nachhaltiger Fonds sogar noch sinke, gibt ein Sprecher des Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) im Gespräch mit unserer Redaktion zu bedenken. Der BVI vertritt die Interessen von 114 Fondsgesellschaften und Asset Managern.

Zwar befürwortet der Verband ein EU-weites Öko-Siegel für Anlageprodukte, befürchtet jedoch, dass die Kriterien zu ehrgeizig seien und am Ende kaum nachhaltige Auswahlmöglichkeiten übrig blieben. So kam eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie zur Praktikabilität der Kriterien zu dem Ergebnis, dass sich nur etwa 3 Prozent der als ökologisch beworbenen Aktienfonds für das EU-Siegel qualifizieren würden.

Verwendete Quellen
  • Verbraucherzentrale (VZ) Bremen: geld-bewegt.de
  • Bericht der EU-Expertengruppe für Sustainable Finance
  • EU-Studie zur Praktikabilität des geplanten Öko-Siegels
  • Thesenpapier des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung
  • Gespräch mit VZ-Vorständin Annabel Oelmann
  • Gespräch mit WWF-Expertin Parisa Shahyari
  • Gespräch mit BVI-Sprecher Frank Bock
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