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Joe Biden rechnet mit Trump ab: "Niemand ist König"


Biden attackiert Trump
Dieser Auftritt könnte wichtiger sein als gedacht


Aktualisiert am 16.04.2025Lesedauer: 4 Min.
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Im Video: Mit leiser Stimmer kritisiert Biden Donald Trump. (Quelle: reuters)
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Nach 85 Tagen Schweigen kehrt Joe Biden auf die öffentliche Bühne zurück. Aus einer Dankesrede wurde scharfe Kritik gegen die aktuelle Trump-Regierung.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

85 Tage sind vergangen, seit Joe Biden das Weiße Haus verlassen hat. 85 Tage, in denen Amerika und der Rest der Welt kaum einen Moment zum Durchatmen hatten. Mit "Trump-Speed", wie es die Pressesprecherin des jetzigen US-Präsidenten gerne sagt, hat sich die neue Regierung in großem Tempo an den radikalen Umbau und Abbau zahlreicher Behörden und Ministerien gemacht. Hinzu kommen fragwürdige Massenabschiebungen, die wachsende gesellschaftliche Spaltung und infolge der chaotischen Zollpolitik eine große wirtschaftliche Unsicherheit.

Doch am Dienstagabend schien all dieser Lärm in einem schlichten Saal in Chicago zumindest für einen Moment zu verstummen.

Joe Biden, der 46. Präsident der Vereinigten Staaten, kehrte zum ersten Mal seit seinem Amtsende ins öffentliche Leben zurück. Vor einem Saal voller Menschen- und Behindertenrechtsaktivisten hielt Trumps Vorgänger eine Rede, die nicht nur politisch war, sondern die er auch emotional vortrug.

Biden sprach nicht schnell. Er stolperte über seine Worte, er wiederholte sich, schweifte gelegentlich ab. Dennoch zeigte Joe Biden, dass er trotz Teleprompter sehr wohl verstand, wovon er sprach. Es war ein Auftritt wie aus vergangenen Zeiten.

"Stellen Sie sich die Panik vor"

Die Rede war offiziell eine Dankesrede vor der Behindertenorganisation "Advocates, Counselors and Representatives for the Disabled", die Joe Biden für seine langjährigen Verdienste in der Sozialpolitik auszeichnete. Doch der ehemalige Präsident verwandelte sie rasch in eine der schärfsten Attacken, die es seit Wochen an der aktuellen Trump-Regierung gegeben hat. Besonders stark griff Biden dabei die drastischen Kürzungen und Umstrukturierungen bei der Sozialversicherungsbehörde (Social Security Administration) an. Das Thema soziale Gerechtigkeit bleibt für Biden auch nach 50 Jahren in der Politik ein Heimspiel.

"In weniger als 100 Tagen hat diese neue Regierung so viel Schaden und Zerstörung angerichtet – das ist wirklich atemberaubend", sagte Biden. "Sie haben regelrecht die Axt an die Sozialversicherungsbehörden angelegt." Er verzichtete auf Allgemeinplätze und schilderte an konkreten Beispielen, wie rund 7.000 erfahrene Mitarbeiter entlassen worden seien und wie technische Ausfälle es bereits jetzt Millionen von Senioren und Menschen mit Behinderung unmöglich machten, an ihre Leistungen zu kommen.

"Die Webseite stürzt einfach ab", sagte Biden. "Die Menschen können sich nicht mehr anmelden. Es wird ihnen fälschlicherweise mitgeteilt, dass ihre Leistungen eingestellt wurden." Und weiter: "Stellen Sie sich die Panik einer Rentnerin vor, die allein lebt und auf ihre Sozialversicherungszahlung schlicht angewiesen ist. Wie soll sie nachts schlafen?", so Biden.

"Sie wollen es zerstören, um es auszurauben"

Der Satz, der den Zuhörern wohl am stärksten im Gedächtnis bleiben dürfte, war jener, den Biden aus der Tech-Branche zitierte: "Move fast and break things", was so viel heißt wie: "Agiere schnell und mach Dinge kaputt". An diesem Motto würde sich die von Elon Musk unterstützte Trump-Regierung orientieren, erklärte Biden. "Sie wollen es [das Sozialsystem] zerstören, um es auszurauben", sagte er und warf den Republikanern vor, öffentliche Institutionen gezielt zu schwächen, um anschließend massive Steuererleichterungen für Superreiche zu rechtfertigen.

"Sie wollen die Steuersenkungen für die Reichen dauerhaft machen", sagte Biden. "Das wird uns 5 Billionen Dollar kosten. Und woher soll dieses Geld kommen? Aus der Sozialversicherung und aus Medicaid." Dann stellte er eine rhetorische Frage: "Was zum Teufel glauben diese Leute eigentlich, wer sie sind?" Menschen, die in diese Systeme eingezahlt hatten, würden nun von der Trump-Regierung als Betrüger und Schmarotzer dargestellt.

Als Biden sich auf einen Auftritt von Trumps Handelsminister, dem Milliardär Howard Lutnick, bezog, wurde er besonders deutlich. Der hatte mögliche Verzögerungen bei Sozialversicherungszahlungen in einem Interview mit der Bemerkung verharmlost, seine 94-jährige Schwiegermutter würde sich nicht darüber beschweren. Biden gab sich fassungslos: "Kein Wunder – ihr Schwiegersohn ist Milliardär." Es war ein klassischer Biden – halb Empörung, halb irischer Spott – aber mit einem klaren moralischen Kern. "Es geht hier nicht nur um Geld", sagte er. "Es geht um Menschen. Es geht um ein Versprechen." Ein Versprechen, das in Amerika seit fast hundert Jahren Bestand habe.

Rückkehr der Empathie

Doch mehr noch als seine Kritik an Trump und seinem Regierungsteam fiel Bidens geäußerte Empathie auf. Biden sprach von "Würde" und wurde dabei laut: "Einfach Würde. Jeder Mensch verdient es, mit Würde behandelt zu werden. Unabhängig von wirtschaftlichen Gesichtspunkten, unabhängig davon, wer man ist." Eine Sozialversicherung sei nicht einfach nur ein Rentenfonds, sagte er. "Es ist ein heiliger Vertrag. Und man bricht keine heiligen Verträge", so Biden. "Wir sehen Empathie nicht als Schwäche an", sagte er. "Wir sehen sie als Instinkt für den Anstand." Und dann sagte er leise und bestimmt: "Wir sehen Grausamkeit nicht als Stärke an."

Bidens Rede war keine Wahlkampfveranstaltung. Seine Zeit ist längst vorbei. Aber sie war auch nicht nur symbolisch. Obwohl er vor der vergangenen Wahl von seiner eigenen Partei zum Rücktritt gedrängt wurde, trat er nun unbeirrt als Verteidiger des Anstands und der amerikanischen Institutionen auf.

Ein Blick auf ein verschwindendes Amerika

Und so berief er sich auf die amerikanischen Werte und fragte: "Wer sind wir? Was unterscheidet uns vom Rest der Welt?" Die Antwort: "Es sind unsere grundlegenden, amerikanischen Werte. Niemand ist König. Niemand ist der Boss. Jeder verdient eine Chance." Biden beendete seine Rede mit einem Appell: "Es gibt nichts, was Amerika nicht erreichen kann, wenn wir es gemeinsam tun. Lasst uns heute damit beginnen."

Doch das neue Amerika reagierte gnadenlos. Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt hatte schon tagsüber geätzt, warum Biden denn so spät abends seine Rede halte. Da müsse er doch längst im Bett sein. Und noch während Biden in Chicago sprach, griffen sich rechte Kommentatoren und Medien – und sogar Trump selbst – im Netz die wenigen unbeholfen wirkenden und stockenden Passagen des Ex-Präsidenten heraus, um ihn zu verspotten.

Verwendete Quellen
  • Livestream der Rede von Joe Biden (englisch)
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