Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Hohe Profite Warum eine Übergewinnsteuer eine Schnapsidee ist
Moralisch ist die Idee einer Übergewinnsteuer bestechend. Trotzdem wäre ihre Einführung falsch. Was dagegen spricht.
Es ist schon ein starkes Stück: Während in der Ukraine Menschen sterben und Millionen Deutsche vor ihren Gasrechnungen zittern, machen sich die Ölmultis die Taschen voll. Zuletzt meldeten die Benzinkonzerne Total Energies, Repsol und Shell Rekordgewinne – die sie allein deshalb erzielen konnten, weil im Zuge des Krieges die Energiepreise stark gestiegen sind. So jedenfalls lautet der Vorwurf, den jetzt viele Leute erheben.
Selbst Uno-Generalsekretär António Guterres, der sich sonst selten zu derlei Themen äußert, hat inzwischen den Energiekonzernen vorgeworfen, "exzessive" Profite aus der Energiekrise wegen des Ukraine-Kriegs zu ziehen. Er halte das für "unmoralisch". Öl- und Gasfirmen bereicherten sich in der Krise "auf dem Rücken der ärmsten Menschen und Gemeinden und massiv zulasten des Klimas".
Wie auch viele Politiker in Deutschland sprach er sich für eine sogenannte Übergewinnsteuer aus. Gemeint ist damit eine Extra-Abgabe für Unternehmen, deren Profite während der Krise größer ausfallen als sonst – oder besser gesagt, genau dadurch.
Gute Gründe gegen die Steuer
Auf den ersten Blick erscheint die Idee bestechend. Wie Robin Hood könnte der Staat das Geld so den Reichen nehmen und den Armen geben – etwa in Form weiterer Entlastungspakete gegen die steigenden Preise, finanziert aus den Einnahmen durch eine Übergewinnsteuer. So macht es derzeit etwa Italien.
Auf den zweiten Blick sprechen aber eine ganze Reihe von Gründen dagegen. Fünf davon sind ausschlaggebend.
Erstens: Gewinne werden schon besteuert. Rund 30 Prozent ihres Ertrags müssen Unternehmen in Deutschland an den Fiskus abdrücken. Das gilt auch für Profite von Firmen, die manch einer momentan als "Krisengewinner" bezeichnet. Wer jetzt also mehr Geld verdient, trägt sowieso stärker zum Staatshaushalt bei – jedenfalls wenn er in Deutschland steuerpflichtig ist.
Zweitens: Wer eine Übergewinnsteuer einführt, handelt schnell willkürlich. Denn was ist schon normal, was ein übermäßiger Gewinn? Für welche Branchen sollte die Steuer gelten? Wann ist ein großer Gewinn "gut", wann ist er "böse"? All diese Fragen lassen sich höchst unterschiedlich beantworten. Das dürfte die Steuer auch juristisch angreifbar machen.
Drittens: Die Steuer würde für unnötige Unsicherheit sorgen. Müssten Unternehmer damit rechnen, dass ihnen der Staat zusätzlich zu den allgemeinen Steuern plötzlich noch mehr Geld wegnimmt, könnten sie schlechter planen. Das wiederum macht den Wirtschaftsstandort Deutschland weniger attraktiv. Große ausländische Investitionen wie etwa das Tesla-Werk bei Berlin, das Zehntausenden Arbeit verschafft, würden unwahrscheinlicher.
Viertens: Zugleich würden Innovationen gehemmt. Erst Gewinne, besonders sehr große, treiben Menschen zu schlauen Gedanken und vor allem deren Umsetzung an. Läuft ein Unternehmer dagegen Gefahr, dass der Staat seinen Ertrag als zu groß definiert, fehlt der wichtigste Anreiz, um – wie etwa die Maskenhersteller in der Corona-Pandemie – ins unternehmerische Risiko zu gehen. Die Folge: Weniger Auswahl für Verbraucher, Lieferengpässe.
Fünftens: Wer Gewinne besteuert, müsste auch Verluste ausgleichen. Zumindest wäre das nur logisch, fast könnte man sagen: fair. Nicht erst im Falle drohender Pleiten von systemrelevanten Unternehmen wie Uniper würden viele der besteuerten Firmen sagen: "Dieses Jahr lief es schlechter als üblich, wir haben einen 'Untergewinn' gemacht. Den, lieber Staat, fang jetzt bitte auf."
Was besser wäre als eine Übergewinnsteuer
Sicher, keines dieser Argumente hat die Moral auf seiner Seite. Gefühlt fällt es leichter, trotzdem für die Einführung einer Übergewinnsteuer zu sein – zu sehr bedient die Idee das lang gelernte Narrativ der bösen Kapitalisten, die hohe Profite auf Kosten der "kleinen Leute" machen.
Und an dieser Erzählung ist nicht einmal alles falsch. Denn die hohen Gewinne der Ölmultis zeigen durchaus, dass etwas schiefläuft. Nämlich, dass so wenig Wettbewerb herrscht, dass einzelne Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen können, um höhere Preise durchsetzen zu können.
Eine Übergewinnsteuer jedoch bekämpft an dieser Stelle nur das Symptom. Besser wäre es, wenn der Staat an der Ursache ansetzte. Er müsste den Wettbewerb stärken, dafür sorgen, dass Verbraucher mehr Wahlmöglichkeiten haben und teuren Firmen den Rücken kehren können. Im Falle der Mineralölkonzerne könnte das zum Beispiel heißen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität beschleunigt werden.