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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Olympiasieger Peiffer "Letztendlich ist Sport ein Handwerk"
Mit 30 Jahren holte Biathlet Arnd Peiffer im Februar erstmals Olympia-Gold. Im Interview erklärt er, warum dieser Erfolg genau im richtigen Zeitpunkt kam, welche Träume er jetzt noch hat und was Biathlon mit Fliesen legen verbindet.
Mit der überraschenden Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang krönte Arnd Peiffer seine Karriere. In die neue Saison wird der Biathlet erst am Wochenende einsteigen, zum Auftakt der Einzelwettbewerbe ist er aus privaten Gründen verhindert.
t-online.de hat vor der Saison mit Peiffer über die Ziele im neuen Weltcup-Winter, seinen großen Olympia-Erfolg und seine ungewöhnliche Sicht auf den Sport gesprochen. Und auch wie er überhaupt zum Biathlon gekommen ist, verrät der Olympiasieger.
t-online.de: Herr Peiffer, in den vergangenen Jahren war der Weltcup-Auftakt traditionell im schwedischen Östersund – und zwar bei Flutlicht. In dieser Saison geht es in Pokljuka am Tage los. Ist das eine Umstellung?
Arnd Peiffer (31): Nein, da sind wir relativ flexibel. So ist es auch mal ganz nett, denn jedes Jahr in Östersund zu beginnen, ist ein bisschen wie im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" (lacht). Für die Zuschauer ist es sicherlich ganz nett, wenn Sie zum Saisonstart mal nicht im Dunkeln stehen. Mir persönlich ist allerdings relativ egal, ob bei Tageslicht oder Flutlicht gestartet wird. Ich bin da relativ entspannt.
Apropos entspannt. Sie sind im Februar Olympiasieger geworden. Geht man da entspannter in eine neue Saison?
Eher nicht. Ich persönlich empfinde zwar nicht noch mehr Druck, bin aber auch nicht entspannter. Seine Form muss man sich eben immer wieder neu erarbeiten – ob man Olympiasieger ist oder nicht.
Seit 2009 startet Arnd Peiffer im Biathlon-Weltcup und holte dort zahlreiche Siege. Dazu gewann der 31-Jährige aus Clausthal-Zellerfeld vier WM-Titel und 2018 bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang Gold im Sprint.
Wie hat diese Goldmedaille Ihr Leben verändert?
Für mich persönlich hat sich nichts Grundlegendes geändert – außer, dass ich bei Veranstaltungen jetzt als Olympiasieger angekündigt werde (lacht). Es ist also nicht so, dass sich mein Leben um 180 Grad gedreht hätte. Aber natürlich ist der Olympiasieg der größte Erfolg als Sportler – und dafür bin ich total dankbar. Es ist angenehm, diesen erst mit 30 Jahren erreicht zu haben, weil die Leute mich vorher schon kannten. Wenn das mit 21 passiert wäre, wäre ich mein ganzes späteres Leben daran gemessen worden.
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Unter anderem durch die immense TV-Präsenz sehen viele Menschen Sie als Star. Sie selbst auch?
Nein, wir Biathleten sehen uns selber nicht als Stars. Das hat auch immer etwas Entmenschlichendes. Mir ist es nicht wichtig, dass mich jemand in den Himmel lobt. Wenn man einen guten Job macht, hat man Respekt verdient. Letztendlich ist Sport ein Handwerk. Wenn jemand beispielsweise ein guter Fliesenleger ist, was wirklich schwer ist, dann habe ich davor ebenfalls Respekt. Das ist auch ein Handwerk. Sport ist vielleicht ein spezielles Handwerk, aber am Ende sind die Parallelen deutlich größer als die Unterschiede.
Was sind Ihre Ziele in dieser Saison?
Im Gesamtweltcup ist mein Ziel klar: Ich möchte in die Top 10. In der vergangenen Saison habe ich das als Vierter geschafft. Da jetzt noch etwas draufzulegen und beispielsweise Dritter zu werden, wird allerdings sehr schwer. Bei der WM im März in Östersund möchte ich dazu noch eine Medaille mit nach Hause nehmen.
Der Gesamtweltcup wurde im vergangenen Jahr dominiert von Martin Fourcade und Johannes Thingnes Bö. Machen die beiden das auch in dieser Saison unter sich aus?
Die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr hoch. Es gibt natürlich immer ein paar Kandidaten, die nicht so weit weg sind. Wenn die ein sehr gutes Jahr erwischen, können sie Martin und Johannes ärgern.
Welche Kandidaten wären das?
Zum Beispiel Julian Eberhardt und meine Teamkollegen Simon Schempp und Benedikt Doll. Vielleicht sogar Jakov Fak, wenn er wieder richtig fit ist. Da gibt es schon einige. Aber Martin und Johannes sind schon die Besten und es ist ganz schwer, sie über die ganze Saison hinweg in Schach zu halten. Denn: Das sind die, die am schnellsten laufen – und dazu haben sie noch eine super Trefferquote. Dazu sind die gefühlt nie krank. Da fragt man sich schon: Wie soll man die schlagen? Über eine gesamte Saison ist das fast nicht machbar. Mein Ziel ist deshalb, sie punktuell zu schlagen – und wenn mir das gelingt, weiß ich: Ich habe heute wirklich sehr viel richtig gemacht.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der beiden den Gesamtweltcup gewinnt?
80 Prozent.
Sie haben Olympia-Gold, vier WM-Titel und 16 Weltcuprennen gewonnen. Haben Sie eigentlich noch übergeordnete Ziele? Vielleicht die Heim-WM in Oberhof 2023?
Das mit Oberhof ist noch lange hin. Ich möchte da natürlich starten, denke aber momentan eher von Jahr zu Jahr. Und dafür habe ich natürlich noch Ziele: Ich möchte beispielsweise über eine ganze Saison mal eine Schießquote von mindestens 90 Prozent schaffen. Dazu kommt ein Podestplatz in einem Einzelrennen.
In diesem Jahr hat es viele negative Schlagzeilen rund um den internationalen Biathlon-Verband IBU gegeben. Der neue Präsident Olle Dahlin hat von der "größte Krise, die der Biathlonsport je erlebt hat" gesprochen. Haben Sie Angst, dass die Zuschauer der boomenden TV-Sportart Biathlon den Rücken kehren, wenn das so weitergeht?
Angst nicht, aber es ist natürlich extrem wichtig, dass Vertrauen nicht zu verspielen. In der IBU hat sich zuletzt auch ein bisschen was bewegt: Beispielsweise hat das Athletenkomitee mehr Mitspracherecht bekommen. Die Athletensprecher, die von uns gewählt wurden, haben da auch schon Gas gegeben, um bei Terminen und Sitzungen die Meinung der Athleten zu vertreten. Und das musste auch mal sein. Eigentlich ist das natürlich gar nicht ihr Job. Denn die IBU ist dazu da, dass alles gut organisiert und der Sport sauber ist. Das ist eine der Kernaufgaben eines Verbandes.
Was ist konkret falsch gelaufen in der IBU?
Ein ganz wichtiges Thema ist Transparenz. Der Verband muss die Athletensprecher mehr mit einbeziehen. In der Vergangenheit wussten wir Athleten in vielen Bereichen einfach nicht, was genau los war. Dazu kommen beispielsweise die Korruptionsvorwürfe und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die ehemalige IBU-Spitze. Aber da das alles noch in der Schwebe ist, kann man dazu natürlich noch nichts zu sagen.
Es hat im April eine Razzia in den Verbandsräumen in Salzburg gegeben. Hintergrund sollen angebliche Schmiergeldzahlungen und vertuschte positive Dopingproben sein. Halten Sie das überhaupt für vorstellbar?
Alles ist vorstellbar. Alles andere wäre naiv. Denn so was gibt es ja auch in anderen Weltverbänden. Wichtig ist, dass es innerhalb eines Verbandes eine Struktur gibt, die so etwas unmöglich macht. Beispielweise durch einen vernünftigen Aufsichtsrat oder eine enge Verzahnung mit der Welt-Anti-Dopingagentur Wada. Ein Vorwurf in diesem Zusammenhang ist ja, dass positive Dopingproben unter den Teppich gekehrt wurden. Und das wiegt natürlich wahnsinnig schwer. Normalerweise dürfte so was nicht mal im Ansatz möglich sein.
Sie haben die Wada erwähnt. Die erkennt die russische Anti-Doping-Agentur Rusada seit September wieder voll an, nachdem diese in Zusammenhang mit der Aufdeckung von staatlich gelenktem Doping für nicht regelkonform erklärt wurde. Russische Athleten sind wieder ganz normal im Weltcup dabei. Wenn man beim Start neben diesen steht, schwingt da noch eine gewisse Skepsis mit?
Man darf das nicht zu sehr an sich ran lassen, denn es nützt ja nichts. Grundsätzlich gilt die Unschuldsvermutung. Und wenn ich bei jedem, der mich auf der Strecke überholt, denke: Ob das wohl mit rechten Dingen zugeht, dann kann ich auch gleich aufhören. Letztendlich ist entscheidend, ein vernünftiges, engmaschiges Kontrollsystem zu haben. Das gilt es zu erreichen. Alles andere ist egal. Und noch mal ganz deutlich: Ich möchte niemanden aus dem russischen Team vorverurteilen. Russland ist ein Riesenland. Fast jeder kommt aus einer anderen Region und hat einen eigenen Trainer. Das ist nicht wie bei uns, wo sechs Athleten das ganze Jahr zusammen unterwegs sind – und gemeinsam in Oberhof oder Ruhpolding trainieren. Die Russen sehen sich teilweise sehr lange gar nicht. Das sind ganz andere Strukturen.
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Sie sprachen gerade das Kontrollsystem an. In Deutschland werden Biathleten mehrmals jährlich getestet. Sie haben in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk" gesagt, dass die Papiere dazu bei ihnen zu Hause mehrere Aktenordner füllen. Wie ist das in Russland?
Ich weiß nicht genau, wie viele Kontrollen die russische Anti-Doping-Agentur macht. Wir in Deutschland leben ja in einer Demokratie, da macht die Nada die Dopingkontrollen und ist unabhängig. Es ist – wenn überhaupt – nur ganz schwer möglich, positive Proben unter den Teppich zu kehren. In einem autokratisch regierten Land stellt man sich natürlich die Frage, ob eine nationale Anti-Doping-Agentur überhaupt unabhängig ist. Deshalb müsste man grundsätzlich darüber nachdenken, ob man es schafft, die nationalen Anti-Doping-Agenturen selber zu kontrollieren – quasi eine weitere Kontrollinstanz zu schaffen. Denn es ist immer schlecht, wenn Macht irgendwo konzentriert wird.