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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Titel, Transfers, Tegernsee Wenn er kommt, will Hoeneß gehen

Ob mit Florian Wirtz der Wunschtransfer des FC Bayern gelingen wird, hängt entscheidend von Uli Hoeneß ab. Es ist nicht das erste Mal, dass das Schicksal des Rekordmeisters am Tegernsee entschieden wird.
Fernando Carro sagte nicht viel, als er am Montag am Rande der Laureus World Sports Awards in Madrid auf das offensive und öffentliche Werben des FC Bayern um Florian Wirtz angesprochen wurde. Das, was der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen sagte, hatte es aber in sich. "Das ist ja wirklich eine Show, das geht mich nichts an. Eigentlich gehört sich das nicht", sagte Carro und ließ auch gleich noch wissen: "Die Bayern haben sich mit uns nicht in Verbindung gesetzt. Von daher gibt es da kein Angebot der Bayern."
Diese verbale Spitze, die sich Carro damit erlaubte, schickte er zweifellos Richtung München. Sie traf aber auch und vor allem knapp 50 Kilometer weiter südlich ein – in Bad Wiessee. Genau dort, wo Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß am Westufer des Tegernsees lebt.
Schließlich war es Hoeneß, der die anhaltenden und zunehmenden Spekulationen um Wirtz Anfang Februar mit seinen Äußerungen im t-online-Interview ausgelöst und neu befeuert hatte. "Er ist sicherlich ein Spieler, den wir nicht aus dem Auge lassen sollten", sagte Hoeneß damals zu t-online. "Wenn ich einen Traum haben darf, dann würde ich sagen, dass Florian Wirtz zum FC Bayern muss."
Hoeneß haucht dem Mythos Tegernsee neues Leben ein
Anschließend sahen sich dann jedenfalls ausnahmslos alle Verantwortlichen des Rekordmeisters dazu veranlasst, die Personalie Wirtz ebenfalls öffentlich zu kommentieren und ihrem Klub-Patron diesen großen Traum zumindest zuzugestehen. Der langjährige CEO der Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, der wie Hoeneß mittlerweile im mächtigen Aufsichtsrat sitzt, ging sogar noch etwas weiter.
"Uli hat gesagt, dass Wirtz sein Traum ist – und das war ja noch höflich ausgedrückt. Alle beim FC Bayern sind sich einig, dass er genau der Spieler ist, den wir holen wollen", sagte Rummenigge Anfang März der "Abendzeitung".
Spätestens damit machte Rummenigge endgültig klar, dass die Verpflichtung von Wirtz Bayerns Transferziel Nummer eins ist – und zwar schon in diesem Sommer. Sky-Experte Lothar Matthäus sagte vor knapp zwei Wochen zu t-online: "Uli Hoeneß wünscht sich das. Und Uli Hoeneß erfüllt sich eigentlich alle Wünsche beim FC Bayern."
Diese entscheidende Rolle spielt Hoeneß beim Wirtz-Transfer
Auf die konkrete Frage, welche Rolle er bei einem möglichen Wirtz-Transfer spielen würde, hatte Hoeneß im t-online-Interview folgendermaßen geantwortet: "Ganz generell gilt: Nicht der Manager, nicht der Ehrenpräsident oder der Vizepräsident holt einen Spieler, sondern der FC Bayern. Wer da seinen Beitrag leistet, darf keine Rolle spielen."
Damit ließ Hoeneß zumindest zwischen den Zeilen bereits erkennen, dass er selbst bei diesem Wunschtransfer des FC Bayern eine ganz entscheidende Rolle spielt – und zwar nicht nur als Strippenzieher im Hintergrund.
Matthäus sprach nun das aus, was zumindest Insider bereits wussten: "Also Uli ist ja schon seit längerer Zeit in Kontakt mit der Familie Wirtz. Das ist ja kein Geheimnis. Der Vater Wirtz war ja schon das eine oder andere Mal am Tegernsee zu Besuch. Und deswegen bestehen da die Kontakte."
Und zwar bereits seit über fünf Jahren. Schon vor Wirtz' Wechsel 2020 vom 1. FC Köln nach Leverkusen hatte Hoeneß dessen Mutter Karin und Vater Hans, der seinen Sohn auch als Berater vertritt, bei sich zu Hause am Tegernsee empfangen. Der Kontakt ist nie abgerissen, in den vergangenen Monaten gab es weitere Treffen in Bad Wiessee.
Wegen Wirtz: Diese selbst auferlegte Regel bricht Hoeneß
Im Februar-Interview betonte Hoeneß noch: "Momentan bin ich so wenig im Tagesgeschäft wie nie, seitdem ich 2019 als Präsident zurückgetreten bin. Ich versuche, die Dinge der aktuellen Führung zu überlassen."
Für den Wunschtransfer von Wirtz gilt das aber nicht. Der ist sozusagen die Ausnahme der von Hoeneß selbst aufgestellten Regel. Warum das so ist, das ließ Hoeneß ebenfalls bei t-online durchklingen. Er sagte nämlich: "Wenn neben Jamal Musiala vielleicht auch irgendwann mal der Florian Wirtz beim FC Bayern spielt, dann können wir noch ruhiger in die Zukunft schauen."
Beim FC Bayern träumen sie davon, mit den beiden Nationalspielern ein ähnliches Duo in München zu vereinen, wie das einst mit Franck Ribéry und Arjen Robben beim Rekordmeister gelungen war. So wie diese beiden damals als "Robbéry" eine Ära beim FC Bayern prägten, sollen es in Zukunft nun Wirtz und Musiala, die bei der Nationalmannschaft bereits "Wusiala" genannt werden, tun.
Das ist die letzte große Mission von Hoeneß und Rummenigge
Die Verpflichtung von Wirtz ist sozusagen die letzte große Mission von Hoeneß und Rummenigge, mit deren Erfüllung sie die Geschäfte dann wieder mehr in die Hände ihrer Nachfolger als Klubbosse legen wollen.
Dass Wirtz einen Marktwert von 140 Millionen Euro und einen noch bis 2027 gültigen Vertrag bei Leverkusen hat, sind für die Bayern beides keine unüberwindbaren Hindernisse. Ob der Megatransfer am Ende tatsächlich klappt, wird auch viel von Hoeneß und dem Erfolg der Gespräche am Tegernsee abhängen.
Das ist der Schicksalsort des FC Bayern
Es ist keineswegs das erste Mal, dass über das Schicksal des FC Bayern genau dort entschieden wird. Im Gegenteil: Der Mythos Tegernsee hat die Geschichte des Rekordmeisters in der Vergangenheit immer wieder maßgeblich beeinflusst. Hoeneß empfing in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Spieler und Verantwortliche bei sich zu Hause.
Unter anderem Ex-Bayern-Coach Pep Guardiola und Ex-Sportvorstand Hasan Salihamidžić gehörten in der Vergangenheit zu seinen regelmäßigen Gästen, genau wie Ex-Nationalspieler Mehmet Scholl. Dass Scholl aufgrund privater Probleme und einer Ehekrise sogar mal bei Hoeneß und seiner Frau Susi gewohnt haben soll, ist allerdings tatsächlich nur ein Mythos, der sich zwar um den Tegernsee rankt, aber nicht der Wahrheit entspricht. Das stellte Scholl in der ZDF-Doku "FC Hollywood – der FC Bayern und die verrückten 90er" zuletzt unmissverständlich klar.
Scholl war es aber auch, der einmal sagte: "In meinem nächsten Leben möchte ich Hund bei Uli Hoeneß werden." Scholl weiß schließlich aus eigener Erfahrung, wie gut Hoeneß seinen Hund Ben umsorgt.
Hoeneß als Vaterfigur für Ribéry
Auch Ribéry konnte sich davon bei seinen zahlreichen Besuchen in Bad Wiessee überzeugen. Der Franzose war auch in schwierigen Phasen seiner Karriere oder bei Vertragsgesprächen bei Hoeneß zu Gast – manchmal sogar gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern. Der Franzose schätzt den Rat von Hoeneß sehr, der sich für ihn über die Jahre sogar zu einer Art Vaterfigur entwickelte.
Gleichzeitig wurde bei den Treffen am Tegernsee aber auch knallhart verhandelt. Rummenigge verriet vor zwei Jahren im t-online-Interview, wie an Ribéry dabei ein Exempel statuiert und ein "eisernes Gesetz" eingeführt wurde: "Ein Spieler, der für die Qualität der Mannschaft unabdingbar ist, muss bleiben, auch wenn du dafür das Geld auf den Tisch legen musst." Dazu sei es 2008 gekommen, "als wir zwei unglaubliche Angebote für Franck Ribéry bekommen hatten", erzählte Rummenigge – "eines aus Spanien und ein quasi unmoralisches aus England."
Hoeneß, der damals noch Manager war, der damalige Finanzboss Karl Hopfner und er hätten sich damals mit Ribéry am Tegernsee getroffen und ihm gesagt: "Du kannst dich auf den Kopf stellen, aber du bleibst bei uns. Wir machen dir jetzt ein neues Vertragsangebot und gehen dafür bis an die Grenze des Möglichen." Der Transfer wurde abgelehnt und die besagte Regel aufgestellt.
Ribéry blieb zwölf Jahre und wurde bei Bayern zur Klublegende. Davon träumen Hoeneß und Co. nun auch offen bei Wirtz. Für den 21-Jährigen könnte die damals bei Ribéry aufgestellte goldene Regel demnächst mit einem Wort umgeschrieben werden und dann folgendermaßen lauten: "Ein Spieler, der für die Qualität der Mannschaft unabdingbar ist, muss kommen, auch wenn du dafür das Geld auf den Tisch legen musst." Hoeneß und Rummenigge sehen das ganz sicher so.
- Eigene Recherche
- t-online.de: "Uli Hoeneß würde sagen, dass Florian Wirtz zum FC Bayern muss"
- t-online.de: "FC Bayern: Rummenigge – 'Wir haben zwei unglaubliche Angebote bekommen'"
- t-online.de: "FC Bayern: Matthäus glaubt nach Müller-Abschied an Wirtz-Transfer"
- abendzeitung-muenchen.de: "FC-Bayern-Boss Rummenigge exklusiv in der AZ: Wirtz-Verpflichtung ganz klar unser Ziel"