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Thomas Broich: "Götze ist der Spielertyp, auf den Favre steht"


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Ex-Gladbacher Broich
"Götze ist der Spielertyp, auf den Favre steht"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 03.03.2019Lesedauer: 6 Min.
BVB-Trainer Lucien Favre (l.) und Mario Götze: Thomas Broich erklärt im Interview, warum das gut zusammenpasst.Vergrößern des Bildes
BVB-Trainer Lucien Favre (l.) und Mario Götze: Thomas Broich erklärt im Interview, warum das gut zusammenpasst. (Quelle: Kirchner-Media/imago-images-bilder)
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In Australien wurden Thomas Broich und Jerome Polenz Meister, in der Bundesliga spielten sie für Gladbach und Bremen. Heute betreiben sie ihren eigenen Taktik-Blog. t-online.de traf beide in Berlin.

"Ronaldo und der tote Winkel". So lautet der Titel einer Videoanalyse über den fünfmaligen Weltfußballer Cristiano Ronaldo. Erstellt wurde diese von Thomas Broich und Jerome Polenz. In Deutschland vielleicht eher einem kleineren Publikum bekannt, feierten die beiden Ex-Bundesliga-Profis in Australien große Erfolge. Polenz gewann die Meisterschaft sowie die asiatische Champions League, Broich wurde sogar zum Spieler des Jahrzehnts gewählt.

Von Januar 2015 bis August 2016 spielten beide zusammen bei den Brisbane Roar, ehe sie ihre Karriere beendeten und nach Deutschland zurückkehrten. Gemeinsam starteten sie ihren Blog "zonal.ly", in dem sie taktische Feinheiten herausarbeiten und akribisch detailliert Fußballspiele gucken – und das mehrfach.

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit: die Bundesliga. Im Gespräch mit t-online.de in Berlin erzählten sie, wie sich die Bundesliga im Laufe der Jahre verändert hat, warum Mario Götze zu Lucien Favre passt und welcher Nationalspieler ein kommender Weltstar wird.

t-online.de: Herr Broich, Herr Polenz, die Bundesliga geht so langsam in die heiße Phase. Wie bewerten Sie die grundsätzliche Qualität der Liga?

Jerome Polenz: Man muss festhalten: An das Niveau der Premier League kommt sie nicht ran, dort sind die besten Trainer und Spieler. Auch Spanien hat ein hervorragendes Ausbildungssystem, es kommen sehr sehr viel technisch starke Spieler nach. Die Bundesliga hat so ein wenig das Problem, dass die Bayern übermächtig waren und die anderen Vereine kaum Schritte nach vorn gemacht haben.

In der Champions League konnten die Münchner mit Liverpool gut mithalten. Die Dominanz der vergangenen Jahre, auch in der Bundesliga, ist aber vorerst verflogen. Woran liegt das?

Broich: Das Niveau, das die Bayern in der Bundesliga unter Pep Guardiola etabliert haben, hat es so noch nie in der Bundesliga gegeben. Die sind im März Meister geworden, haben reihenweise Spiele mit sechs Toren Unterschied und purer Spieldominanz gewonnen. Das ist ganz klar an Pep Guardiola festzumachen.

Kritiker sagen, dass das System Pep aber nur mit den absoluten Top-Teams funktioniert.

Polenz: Das glaube ich nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass Guardiola es schafft, egal welche Mannschaft er trainiert, seine Prinzipien zu implementieren. Er verändert das Spiel einer Mannschaft.

Broich: Schauen wir doch nach England. Er macht das gleiche wie bei Bayern, nur in einer unfassbar, auch finanziell stark besetzten Liga. Vergangene Saison knackte er die 100-Punkte-Marke. Das ist Wahnsinn.

Haben die anderen Klubs in der Liga unter dieser "Guardiola-Dominanz" gelitten?

Broich: Ich finde sowas immer schwierig einzuschätzen. Einige Teams in der Bundesliga spielen derzeit eigentlich einen sehr ansehnlichen Fußball: Bremen unter Florian Kohfeldt oder Hoffenheim unter Julian Nagelsmann.

Auch Ihr Ex-Klub Gladbach ist oben mit dabei.

Broich: Auch Gladbach, ja. Sie sind derzeit nur in der Bundesliga aktiv, da funktioniert es. Viel Direktspiel, sehr unberechenbar. Aber man muss nächstes Jahr, eventuell in der Champions League, sehen, was das wert ist.

Jerome Polenz: "Götze kam aus einem Loch"

Wie bewerten Sie grundsätzlich die Entwicklung bei den Borussen?

Broich: Trainer Dieter Hecking lässt einen ultramodernen Fußball spielen – und ist damit absolut erfolgreich. Hecking selbst hat eine tolle Entwicklung genommen.

Die andere Borussia, der BVB, steht derzeit an der Tabellenspitze der Bundesliga. Wie sehr ist der Erfolg mit Lucien Favre verbunden?

Broich: Sehr. Der BVB hat Spieler, die genau die Qualitäten mitbringen, die im System Favre gefragt sind. Wie Marco Reus und Mario Götze. Das Hängen hinter den Spitzen, dann das Lauern im Rückraum, das schnelle Umschalten. Genau das hat Favre auch schon bei Gladbach mit Reus, Raffael und Kruse praktiziert.

Welche Rolle spielen unter Favre eben jener Marco Reus oder auch Mario Götze, der zu Beginn der Saison noch draußen saß?

Polenz: Götze kam aus einem Loch, aus einer ganz schwierigen Phase, findet jetzt aber Schritt für Schritt wieder zu seiner alten Form. Reus ist eine große Persönlichkeit im Team, die eine Mannschaft auch hochziehen kann. Er tritt als Leader auf und hat sich enorm entwickelt.

Broich: Götze ist der Spielertyp, auf den Favre steht. Der Neuner, der sich tief ins Mittelfeld fallen lässt. Er ist jemand, der zwischen den Ketten agiert und immer wieder aufdreht. Ich habe das Gefühl, dass sich Götze mehr und mehr freischwimmt und er an sein ursprüngliches Leistungsvermögen rankommt.

Götze galt als kommender Weltstar, durfte auch im Nationalteam auf der Zehn ran, spielt dort aber derzeit keine Rolle mehr. Wen sehen Sie auf dieser Position in der Bundesliga ganz vorn?

Broich: Von seinen Anlagen her ist Leverkusens Kai Havertz der ideale Zehner. Wenn man Spiele von ihm sieht, macht das Arbeiten automatisch Spaß. Er ist wahnsinnig schnell und kann blitzschnell aufdrehen. Er sieht die Räume, hat die nötige Technik und Drang zum Tor.

Broich: "Wie wir was erreichen wollten, war manchmal unklar"

Polenz: Ich sehe auch Kai Havertz von den Qualitäten und dem Entwicklungspotenzial ganz weit vorn. Ich erwarte eigentlich schon, dass er eine zentrale Rolle im Nationalteam einnimmt. Er bringt alles mit, um ein Weltstar zu werden.

Broich: Aber auch einen wie Gladbachs Lars Stindl darf man da auf keinen Fall vergessen. Er spielt eine unglaublich tragende Rolle bei der Borussia, ist unberechenbar und hat die Qualität, tödliche Pässe zu spielen. Bei ihm weißt du nie, was als Nächstes kommt.

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Die Bundesligateams in der Champions League tun sich in den deutsch-englischen Duellen schwer, im schlechtesten Fall fliegen alle deutschen Teams raus. Ist die Bundesliga international noch konkurrenzfähig?

Polenz: Wie gesagt: Die Premier League ist enteilt. Die Bundesliga muss wieder selbst junge Spieler ausbilden. Dortmund macht das derzeit clever, aber sie müssen dazu kommen, dass sie junge Spieler wie Sancho nicht kaufen, sondern selbst ausbilden. Wie es Ajax Amsterdam zum Beispiel macht. Anders wird die Lücke zur Premier League kaum zu schließen sein, da ist sie finanziell einfach enteilt.

Broich: Nicht nur Ajax. In Belgien oder Portugal wird in der Jugend auch ein hervorragender Job gemacht. Man muss sich nur das Transferplus von Porto oder Benfica angucken. Das ist schon beachtlich, da hat die Bundesliga sicherlich Nachholbedarf.

Wie sehr hat sich seit Ihrem Weggang Anfang der 2010er-Jahre die Bundesliga verändert?

Broich: Wenn ich das Geschäft heute mit meiner Anfangszeit 2004 vergleiche, hat sich in der Athletik der Spieler unfassbar viel getan. Auch taktisch. Bei uns wurde viel improvisiert auf dem Platz. Da ging es darum, von außen durchzukommen und einfach die Flanke reinzuhauen. Wir wussten, was wir erreichen wollten. Aber wie wir es erreichen wollten, war manchmal unklar.

Gibt es einen Spieler, der damals besonders herausgestochen ist?

Broich: Ich habe von 2009 bis 2010 in Nürnberg mit Ilkay Gündogan zusammengespielt. Seine ganze Art Fußball zu spielen, sich aufzudrängen, war phänomenal. Er war schnell und dynamisch. Die jungen Spieler sind unfassbar gut ausgebildet und schon früh auf einem erstaunlichen Niveau.

Welche Rolle spielen dabei auch junge Trainer wie Kohfeldt oder Nagelsmann?

Polenz: Nagelsmann ist ein tolles Beispiel, was die Forderung, Förderung und auch Überforderung der Spieler angeht. Er macht das mit Absicht, damit sie eine höhere Grenze erreichen. Kohfeldt macht das bei meinem Ex-Klub Werder Bremen auch so.



Broich: Tuchel auch …

Polenz: Genau. Bei diesen Trainern geht es darum, die Grenze nach oben zu verschieben. Und das schafft man eben nur mit bewusster Überforderung. Unabhängig von der Intelligenz der einzelnen Spieler glaube ich, dass es insgesamt in der Bundesliga sehr viel Entwicklungspotenzial gibt. Die Spieler sagen aber auch, dass diese Vermittlung sie deutlich besser macht.

Was wird sich dahingehend in Zukunft noch verändern?

Polenz: Insbesondere im kognitiven Bereich wird sich einiges tun. Spieler werden schneller denken, Situationen schneller erkennen. Da sehe ich vor allem in Deutschland sehr viel Potenzial. Wenn du dich auf höchstem Niveau misst, bist du gezwungen, dich weiterzuentwickeln.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Thomas Broich und Jerome Polenz
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