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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gladbach-Neuzugang Wolf Überheblich? "Mir unverständlich, wie man so urteilen kann"
Hannes Wolf ist Gladbachs Königstransfer des Sommers. Im Interview mit t-online spricht der Österreicher über den Wechsel zum Traditionsklub und wo für ihn Arroganz beginnt.
Die vergangene Saison war eine zum Vergessen für Hannes Wolf. Der hochveranlagte Österreicher, der im Sommer 2019 aus Salzburg zum Schwesterverein nach Leipzig wechselte, laborierte erst an einem komplizierten Knöchelbruch und spielte dann unter Trainer Julian Nagelsmann keine Rolle. Gerade einmal 53 Minuten stand der 21-Jährige für den Champions League-Halbfinalisten in der Bundesliga auf dem Platz.
Schon im Winter deutete Wolf an, unzufrieden mit seiner Situation in Leipzig zu sein, zeigte sich offen für einen Vereinswechsel Im Sommer schlug dann Borussia Mönchengladbach zu. Die Fohlenelf verpflichtete den österreichischen Nationalspieler – zunächst leihweise, eine Kaufoption soll jedoch nach einer bestimmten Anzahl von Einsätzen greifen.
Vor dem Bundesliga-Kracher gegen Borussia Dortmund (18.30 Uhr, im Liveticker bei t-online) erklärt Wolf Im Interview mit t-online, wie es zum Wechsel nach Mönchengladbach zu seinem Mentor Marco Rose kam und wie seine Freundin ihm dabei hilft, mit Arroganz-Vorwürfen umzugehen.
t-online: Herr Wolf, Sie starten mit Borussia Mönchengladbach in Ihre zweite Bundesliga-Saison. Wieso sind Sie überzeugt davon, dass die Leihe der richtige Schritt für Sie ist?
Hannes Wolf (21): Ich musste mich nach einem schwierigen Jahr in Leipzig verändern. Gladbach war die perfekte Lösung für mich. Borussia ist ein Riesenverein mit großen Ambitionen. Hinzu kommt, dass mir der Trainer und sein Team ein sehr gutes Gefühl gegeben haben.
Wir werden Sie diese Spielzeit also öfter als nur fünf Mal auf dem Platz sehen?
Das hoffe ich doch. Wenn ich gesund bleibe und meine Leistung abrufen kann, sollte das mit den mehr als fünf Einsätzen klappen.
Erhalten Fußballprofis aus Ihrer Sicht immer weniger Zeit zur Eingewöhnung?
Nein, das würde ich nicht behaupten. Der Fußball ist nun einmal ein schnelllebiges Geschäft, in dem die Akteure auch schnell in einem neuen Umfeld funktionieren sollten. Mir kommt bei Borussia zugute, dass ich den Trainer bereits kenne und ziemlich genau weiß, was für einen Fußball er spielen lassen will und was er konkret von mir erwartet.
Ein Spieler, dem der Wechsel zur Borussia ebenfalls gutgetan hat, war Breel Embolo vergangene Saison. Haben Sie sich mit ihm über seine Erfahrung als Neuzugang in Gladbach ausgetauscht?
Nein, darüber nicht. Wir haben uns jedoch über seine schwere Verletzung unterhalten, die er sich zu Beginn seiner ersten Saison auf Schalke zugezogen hatte. Die Erfahrung, einen Knöchelbruch gehabt zu haben, teilen wir leider. Aber bereits aus diesen Gesprächen ist deutlich geworden, dass ihm der Wechsel zur Borussia gutgetan hat. Es wäre schön, wenn mein Start in Mönchengladbach ähnlich gut verläuft.
"Es ist einfach mal ein Traditionsverein. Ich hatte das ja noch nie so", sagten Sie in Ihrem vereinseigenen Einstands-Interview. Woran merken Sie, dass die Borussia ein solcher Traditionsverein ist – und wie wichtig ist Ihnen als Spieler der Background ihres Klubs?
Ich habe direkt nach meiner Vertragsunterzeichnung gemerkt, was für eine große Fanbase Borussia hat. Eine solche Aufmerksamkeit rund um einen Transfer kannte ich persönlich bisher nicht. Zudem haben wir jeden Tag Zuschauer bei den Trainingseinheiten – egal bei welchem Wetter und zu welcher Uhrzeit.
Sorgt dieser sichtbare Rückhalt der Fans in Trainingseinheiten für einen Leistungsschub?
Im Training pushen Fans mich nicht zusätzlich. Es ist eher so, dass es mir generell ein gutes Gefühl gibt, wenn viele Leute vor Ort sind, wenn ich spüre, dass sich die Anhänger für das, was wir machen, interessieren. Den Leistungsschub geben uns die Fans in den Spielen – und das selbst, wenn nur 300 von ihnen im Stadion sind.
Sie haben es vorhin schon kurz angerissen: In Gladbach treffen Sie auf ihren früheren Salzburger Erfolgscoach Marco Rose. Waren Sie während der vergangenen Saison im Kontakt mit ihm?
Wir sind seit meinem Abgang aus Salzburg in Kontakt geblieben. Gerade während meiner Verletzungszeit hat er sich regelmäßig nach meinem Wohlbefinden erkundigt. Durch Zufall haben wir uns auch einmal in Leipzig in der Stadt getroffen (Rose ist gebürtiger Leipziger, seine Familie lebt noch immer in der sächsischen Metropole, Anm. d. Red.) und waren dann einen Kaffee trinken. Dabei haben wir uns zu keiner Sekunde über sportliche Belange unterhalten, sondern uns privat auf den neuesten Stand gebracht.
Wie wichtig ist es Ihnen, dass Sie sich mit dem Trainer auch auf einer privaten Ebene gut verstehen?
Mein Verhältnis zum Coach ist kein Alleinstellungsmerkmal. Auch die anderen Spieler haben eine sehr gute Beziehung zu Marco Rose. Er ist einfach der Typ Trainer, der sich auch für die privaten Angelegenheiten seiner Spieler interessiert.
"Er kann mit Widerständen sehr gut umgehen. Die Dinge, die er sich vornimmt, erreicht er auch meistens", lobte Rose Sie kürzlich. Was tun Sie konkret zur mentalen Stärkung?
Das vergangene Jahr mit der schweren Verletzung hat mir in diesem Bereich sehr geholfen. Es hat mir noch einmal verdeutlicht, wie viel man investieren muss, wenn man ein Vollprofi sein will. Denn Fußballer ist ein 24/7-Job – der hört nicht an der Haustür auf. Du musst darauf achten, was du isst, wie du schläfst. Was mir jedoch mental am meisten hilft, ist, dass ich an Gerechtigkeit glaube. Dass sich harte Arbeit auszahlt. Vielleicht nicht heute, dann aber morgen. Das gibt mir den Antrieb, immer weiter zu machen.
Auf welches Utensil oder auf welche Angewohnheit schwören Sie, wenn es darauf ankommt, auch zuhause Vollprofi zu sein? Gibt es etwa eine Bettdecke oder eine Leibspeise, von der Sie überzeugt sind, dass Sie auch Kreisligakicker zu besseren Fußballern machen würde?
(schmunzelt) Nein, so abergläubisch bin ich nicht. Ich setze vor allem auf die drei Säulen Ernährung, Training, Schlaf. Da ist es mir am wichtigsten, dass ich mir vornehme, jeden Morgen zur gleichen Uhrzeit aufzustehen.
Und welche Uhrzeit wäre das?
Sieben Uhr.
Sie präsentieren sich als sehr mündiger Jungprofi, der öffentlich auch schon einmal einen Vereinswechsel anregt. Wie wichtig ist es Ihnen selbstbewusst für sich selbst einzustehen?
Wenn man unzufrieden ist, sollte man die Dinge auch ansprechen dürfen. Dass diese dann in der Öffentlichkeit falsch aufgefasst werden können, habe ich in Leipzig gemerkt. Ich habe lediglich meine Unzufriedenheit über meine Situation geäußert, was dann jedoch so ausgelegt wurde, dass ich auf einen Vereinswechsel poche. Das erzeugt natürlich enormen Druck, aber wenn man von sich und seiner Meinung überzeugt ist, stellt das aus meiner Sicht kein allzu großes Problem dar.
Wo sehen Sie die Grenze zwischen Selbstbewusstsein und Arroganz?
Arroganz beginnt für mich, wenn man Mitmenschen nicht mehr anständig grüßt, nur weil man vielleicht etwas mehr Geld verdient. Man sollte sich immer eine gesunde Selbsteinschätzung bewahren. Sich rückblickend bewusst machen, ob und wann man etwas gut oder schlecht gemacht hat. So lässt sich auch ein vernünftiges Selbstbewusstsein entwickeln. Das ist insbesondere für uns Profifußballer enorm wichtig.
Wie reagieren Sie auf Vorwürfe, Sie seien überheblich?
Mein äußeres Auftreten wird manchmal vielleicht gegen mich verwendet. Dabei ist es mein Weg, meine Unsicherheit zu überspielen. Es ist mir unverständlich, wie man so urteilen kann, wenn man die Person nicht wirklich kennt.
Was hilft Ihnen bei Ihrer Selbsteinschätzung? Gespräche mit Ihren Eltern und Ihrer Freundin?
Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch, der von sich behaupten würde, dass er weiß, was er gut und was er nicht gut kann. Mir kommt zugute, dass meine Familie fußballverrückt ist und Ahnung von der Materie hat. Meine Freundin spielt selbst Fußball (Teresa Hösele ist Verteidigerin beim OSV Meerbusch, Anm. d. Red.), sie sagt mir dann auch mal: "Das war heute aber nix." (schmunzelt).
Was sind Ihre Ziele für die Saison? Sowohl für den Verein als auch für Sie persönlich?
Unser Ziel sollte es sein, sowohl im DFB- als auch im Europapokal so lange wie möglich vertreten zu sein. Wir wollen gegen die großen Gegner spielen – und gewinnen. Wer einmal in der Champions League gespielt hat, möchte das natürlich immer. Von daher werden wir alles versuchen, in der Bundesliga oben mitzumischen und das Königsklasse-Ticket wieder zu lösen. Für mich persönlich ist das Wichtigste, gesund zu bleiben. Dann werde ich auch auf meine Einsätze kommen, gute Spiele abliefern und den einen oder anderen Scorerpunkt sammeln.