VfB-Kapitän Kempf Zweitligaspieler träumt von Nationalmannschaft
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Seit Sommer dieses Jahres ist Marc-Oliver Kempf Kapitän beim VfB Stuttgart. Im Interview mit t-online.de spricht er über die Nationalmannschaft, sein großes Vorbild und das Spitzenspiel gegen den HSV. | Von Noah Platschko
Marc-Oliver Kempf ist erst 24 Jahre alt – für sein Alter aber doch recht weit. Anfang des Monats machte er seiner Freundin einen Heiratsantrag, beim VfB Stuttgart geht er als Kapitän voran. Der Saisonstart des VfB verlief durchaus positiv: Keines der ersten neun Pflichtspiele ging verloren.
Doch zuletzt stockte der Motor des Traditionsvereins aus dem Schwabenland, der VfB kassierte in den vergangenen beiden Heimspielen zwei Niederlagen – und hat vor dem Spitzenspiel in der 2. Liga am Samstag (13 Uhr, im Liveticker auf t-online.de) gegen den HSV trotzdem die Chance, an die Tabellenspitze zurückzukehren.
t-online.de: Herr Kempf, was bedeutet für Sie Führung und Verantwortung?
Marc-Oliver Kempf: In erster Linie natürlich auf dem Platz vorangehen und für die anderen da sein. Aber auch mal etwas anzusprechen, wenn etwas nicht so gut läuft.
Ich frage deshalb, weil Sie seit Kurzem verlobt sind und zudem mit erst 24 Jahren Kapitän ihrer Mannschaft.
Was die Ehe angeht, bin ich eigentlich gar nicht so jung, wenn man das mit früheren Zeiten vergleicht (lacht). Auf den VfB Stuttgart bezogen glaube ich schon, dass ich durch mein Amt ein Stück weit Anerkennung habe, sowohl von der Mannschaft als auch vom Trainerteam.
Wie macht sich das bemerkbar?
Die Mannschaft gibt mir auf dem Platz das Vertrauen und ich versuche das, was die Trainer verlangen, umzusetzen. Ich fühle mich wohl in dieser Rolle, war auch im Jugendbereich bei Eintracht Frankfurt schon Kapitän. Mir macht es großen Spaß, mit meinen Teamkollegen zu kommunizieren und mich auszutauschen.
Gibt es jemanden, an dem Sie sich orientieren oder der Ihnen als Vorbild dient?
Früher war das immer John Terry. Er war ein Spieler, zu dem ich aufgeschaut habe. Zum einen, was seine Spielweise angeht, zum anderen was seine Qualitäten als Leader und Leitwolf betrifft.
Wie er seine Kollegen mitgetragen und gepusht hat, aber auch wie er in brenzligen Situationen dazwischen gegrätscht hat, das hat mir schon imponiert.
Kommen wir auf die aktuelle Saison zu sprechen. Von den ersten neun Pflichtspielen hat der VfB keines verloren, zuletzt setzte es zwei überraschende Heimpleiten gegen Wiesbaden und Kiel in der Liga.
Gegen Wehen Wiesbaden hat uns das Glück gefehlt, unsere Torchancen waren nicht die schlechtesten. Da hätten wir gewinnen können. Gegen Kiel war klar, dass es nach dem Platzverweis für Holger (Holger Badstuber flog mit Gelb-Rot vom Platz, Anm. d. Red.) schwer werden würde. Aber Niederlagen gehören dazu. Das Wichtige ist, dass wir uns nicht unterkriegen lassen.
Ihr Trainer Tim Walter lässt sehr offensiv spielen. Die Innenverteidiger rücken oft raus, spielen sehr risikobehaftet. Wie kommen Sie mit dem Spielstil zurecht?
Mir liegt das Spiel gut. Ich kenne das aus meiner Jugend, dass sich die Innenverteidigung auch selbst viel nach vorne einschaltet. Das kommt dem Spiel zugute und macht mir großen Spaß, weil man selbst viel am Ball ist.
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Es gehört eine Portion Mut dazu, in engen Situationen den Ball flach zu spielen anstatt ihn lang nach vorne zu dreschen. Die Kontrolle bleibt bei uns, man beeinflusst, was im Spiel passiert.
Wie sehr ähneln sich Tim Walter und Freiburgs Trainer Christian Streich, bei dem Sie in der Bundesliga Ihre ersten Schritte machten?
Was ich auf jeden Fall sagen kann: Beide sind sehr impulsiv und schwimmen auch mal gegen den Strom. Sie sind beide Charaktere, die nach Außen sehr stark ihre Meinung vertreten und, wenn es sein muss, auch anecken. Das bringt ihnen auch Anerkennung.
Sie debütierten unter Streich beim Sportclub in der Bundesliga. Während Freiburg in der Bundesliga derzeit auf Platz sechs steht, spielen Sie mit dem VfB in der zweiten Liga.
Das ist nicht alltäglich, dass der Sportclub so weit oben steht. Aber natürlich freut man sich für die Jungs mit, wenn es derzeit so gut läuft.
Vergangenen Sommer verließen Sie Freiburg und wechselten nach Stuttgart, waren sofort verletzt, stiegen am Ende der Saison mit dem VfB ab. Gab es Momente, in denen Sie ihren Wechsel bereuten?
Zweifel, ob der Wechsel richtig war, gab es nicht. Ich war durchweg überzeugt von der Entscheidung. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man in ein neues Umfeld kommt und gleich mit einer Verletzung startet. Das hat an mir genagt, weil ich nicht so ankommen konnte, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Haben Sie den Abstieg schon komplett verdaut?
Mittlerweile ist das kein Thema mehr. Insgesamt muss man festhalten: Das vergangene Jahr war ein Jahr zum vergessen und war absolut nicht zufriedenstellend. Nicht für den Klub, nicht für mich, für niemanden. Dass wir in der zweiten Liga sind, ist dem geschuldet, dass wir die Qualität, die wir hatten, nicht auf den Platz bringen konnten.
Haben Sie schon zu spüren bekommen, dass es in Stuttgart etwas "lauter" zugeht als in Freiburg?
Für mich war diese Umstellung relativ einfach zu händeln, weil ich es ein Stück weit aus Frankfurt gewohnt war. Dort ist das mediale Interesse ähnlich groß, da gibt es schon Parallelen zum VfB.
Kommende Woche kommt es nun zu zwei richtigen Kracher-Partien, Stuttgart spielt gleich zwei Mal beim HSV. Eine entscheidende Woche?
Klar, das sind wichtige Duelle. Aber am Ende geht es, zumindest in der Liga, auch nur um drei Punkte. Natürlich freuen wir uns alle auf das Topspiel und waren nach den jüngsten Niederlagen nicht erfreut.
Wir wollen das wiedergutmachen. Aber es bringt nichts, alles in Frage zu stellen. Die Punkteausbeute ist nach wie vor gut, wir stehen auf dem zweiten Tabellenplatz und haben die Chance, in Hamburg den Spieß umzudrehen.
Korrekt, mit einem Sieg am Samstag kann der VfB wieder die Tabellenführung übernehmen.
Das ist unser Ziel.
Herr Kempf, Sie durchliefen bislang jede U-Nationalmannschaft. Inwieweit ist die Nationalmannschaft noch ein Thema für Sie?
Ein Thema ist es aktuell nicht, aber klar: Es bleibt ein Traum, für sein Land spielen zu dürfen. Das Hauptziel ist und bleibt aber der Aufstieg mit dem VfB.