Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Er ist Tuchels Nachfolger Ein leichtsinniger Fehler
Der FC Bayern hat einen neuen Trainer. Die monatelange Suche ist vorbei. Doch der neue Mann an der Seitenlinie wird sofort wieder kritisch gesehen. Zu kritisch.
Der baldige Deutsche Meister holt einen Trainer, der erst seit wenigen Jahren an der Seitenlinie steht. Der auf höchstem Niveau gespielt und einen Titel nach dem anderen geholt hat. Der von Welttrainer Pep Guardiola trainiert und in den Himmel gelobt wurde. Der als Coach zwei Saisons vor dem Wechsel auf- und eine Saison vor dem Wechsel abgestiegen ist.
Die Rede ist von Bayer Leverkusen im Oktober 2022, und der verpflichtete Trainer heißt Xabi Alonso. Der Rest ist Geschichte.
Der FC Bayern holt im Sommer 2024 einen Mann, auf den all diese Beschreibungen ebenfalls zutreffen. Vincent Kompany (38) ist sein Name. Er soll die Bayern wieder zur Meisterschaft führen und ihnen zu altem Glanz verhelfen. Dennoch wird der Belgier von Kritikern abgestempelt, weil er in der abgelaufenen Saison mit dem FC Burnley aus der Premier League abgestiegen ist. Wer Kompany darauf reduziert, tappt in die Falle und macht einen leichtsinnigen Fehler.
Das Manchester City der zweiten Liga
Der FC Bayern braucht einen Trainer, der eine offensive, dominante Spielweise mitbringt. Denn im Tagesgeschäft der Bundesliga fokussieren sich die meisten Gegner des Rekordmeisters auf das Verteidigen. Zudem ist eine gewisse Ausstrahlung und Autorität nötig, um die vielen starken Charaktere in der Münchner Kabine zu kontrollieren. Der Trainer muss auch ein guter Kommunikator sein, im Idealfall mehrere Sprachen beherrschen. Und er muss mit jungen Spielern arbeiten können, denn der erklärte Wunsch der Chefetage ist es, wieder mehr Talente in den Profikader zu integrieren. Jamal Musiala (21 Jahre), Mathys Tel (19) und Aleksandar Pavlović (20) bezeichnete Sportvorstand Max Eberl in der "Sport Bild" als "Gesichter der Zukunft".
Vincent Kompany bringt all das mit. Er dominierte in der Saison 2022/2023 mit dem FC Burnley die zweite englische Liga ("Championship"), wurde mit 101 Punkten klarer Meister und holte damit die dritthöchste Punktzahl der Championship-Geschichte. Sein Team schoss die meisten Tore (87) und hatte im Schnitt den höchsten Ballbesitz (64,6 Prozent). Burnley wurde als Manchester City der Championship betitelt. Es gibt Schlimmeres, als mit dem Team von Pep Guardiola verglichen zu werden.
Unter dem Trainer Vincent Kompany machten viele junge Spieler den nächsten Schritt. Ian Maatsen zum Beispiel, der im Aufstiegsjahr 2022/23 eine feste Größe in Burnleys Team war. Davon profitierte schlussendlich auch der BVB, bei dem Maatsen in der Rückrunde der aktuellen Saison zu begeistern wusste. Nathan Tella, für den Leverkusen im Sommer 2023 mehr als 20 Millionen Euro zahlte, war Stammspieler in Burnley unter Kompany.
Der langjährige Innenverteidiger Kompany hat auch die nötige Ausstrahlung, war acht Jahre lang Kapitän von Manchester City (2011 bis 2019). Weltstars wie Sergio Agüero, Kevin de Bruyne oder Yaya Touré ordneten sich ihm unter. Dabei half auch, dass Kompany Englisch, Flämisch, Französisch und Deutsch spricht. Der 38-Jährige ist ein gebildeter Mann. 2017 schloss er in Manchester das Studium der Betriebswirtschaftslehre mit einem Master ab. Es war ein Wunsch seiner Mutter, die 2008 an Krebs gestorben war.
Aber nicht nur die Betriebswirtschaftslehre studierte er, auch im Fußball blieb er stets wissbegierig. "Ich betrachte mich als Schüler des Spiels, seit ich im Alter von sechs Jahren anfing zu spielen", wird er vom Journalisten Grant Wahl in dessen Buch "Football 2.0" zitiert. "Ich hatte schon immer eine Meinung und meine eigenen Vorstellungen davon, wie Fußball gespielt werden sollte, und ich habe meinen Trainern und anderen am Fußball beteiligten Personen immer sehr genau zugehört." Gleichzeitig habe er seine Ansichten immer wieder angepasst und dazugelernt. Eine Eigenschaft, auf die er am meisten stolz sei.
Das Risiko ist da
All das erklärt, warum sich der FC Bayern für den Belgier entschieden hat. Dennoch birgt das Projekt Kompany einige Risiken. Auch wenn der ehemalige Innenverteidiger auf dem Papier wie ein vielversprechendes Trainertalent aussieht, hat er als Coach noch nicht die Erfahrung auf höchstem Niveau. Mit Andrea Pirlo oder Frank Lampard gibt es genug Beispiele von erfolgreichen Spielern, die als Trainer zu früh zu hoch hinauswollten.
Der FC Bayern muss also Geduld mitbringen. Kompany ist ein langfristiges Projekt, was das zweite Jahr in Serie ohne Meisterschaft bedeuten kann. Gerade bei dem anstehenden Umbruch im Bayern-Kader gibt es keine Titelgarantie, wenn Konkurrent Leverkusen kaum Schlüsselspieler verliert. Dessen wird sich die sportliche Leitung um Sportdirektor Christoph Freund und Sportvorstand Max Eberl bewusst sein. Gilt das aber auch für den vergleichsweise unruhigen Aufsichtsrat um Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge?
Zu guter Letzt gibt es einen Termin, der alle Parteien beim FC Bayern etwas unter Druck setzt: der 31. Mai 2025. Dann findet das Champions-League-Finale in München statt. Eigentlich ist es das klare Ziel des Rekordmeisters, beim "Finale dahoam" dabei zu sein. Die Chancen dazu sind mit einem vergleichsweise unerfahrenen Trainer wie Kompany schwer einzuschätzen.
Pep hat die Wette (vorerst) verloren
Dennoch bleibt die Entscheidung für Kompany nachvollziehbar. Es ist genau der Mut, den der FC Bayern braucht. Und auch der Mut, den sich Pep Guardiola von seinem Klub für seine Nachfolge gewünscht hatte. "Eines Tages wird er hier sitzen und Manchester City repräsentieren. Es wird passieren, ich wette mit dir, was du willst. Ich werde die Wette gewinnen", sagte Guardiola im März 2023 zu einem Journalisten, als dieser ihn nach Kompany fragte. Diese Wette hat der Spanier vorerst verloren. Kompany hat einen Vertrag bis 2027 in München unterzeichnet.
Damit diese Zeit von Erfolg gekrönt ist, muss ihm der Klub volle Rückendeckung geben. Das oft unruhige und uneinige Bild, das die Vereinsspitze zuletzt nach außen abgab, muss der Vergangenheit angehören. Wenn das klappt, könnte rückblickend folgende Passage über den FC Bayern geschrieben werden:
Der baldige Deutsche Meister FC Bayern holte einen Trainer, der erst seit wenigen Jahren an der Seitenlinie steht. Der auf höchstem Niveau gespielt und einen Titel nach dem anderen geholt hat. Der von Welttrainer Pep Guardiola trainiert und in den Himmel gelobt wurde. Der als Trainer zwei Saisons vor dem Wechsel auf- und eine Saison vor dem Wechsel abgestiegen ist.
- Eigene Beobachtungen
- Sport Bild (Print) vom 20.03.2024: "Max Eberl: 'Warum ich Klopp nicht anrufen werde ...'"
- Wahl, Grant: "Football 2.0", BackPage Press Limited, 2018