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Ukraine-Krieg | Russische Luftangriffe: Putin provoziert die USA


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Luftangriffe in der Ukraine
Verlieren die USA die Geduld mit Putin?


27.08.2024Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Mit den massiven Luftangriffen auf die Ukraine provoziert Russland auch den Westen.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Mit den massiven Luftangriffen auf die Ukraine provoziert Russland auch den Westen. (Quelle: t-onlineAgentur/Partner: IMAGO / Björn Trotzki, Russian Look/imago-images-bilder)

Die russische Luftwaffe greift massiv zivile Infrastruktur in der Ukraine an. Experten sehen das auch als Racheaktion für die ukrainische Offensive in Kursk. Doch dieser Schuss könnte für Putin nach hinten losgehen.

Es ist ein wahrer Raketen- und Drohnenhagel, der aktuell über die Ukraine hereinbricht. In der zweiten Nacht in Folge hat Russland die Ukraine in einer massiven Angriffswelle aus der Luft beschossen. Die russische Luftwaffe zielt vor allem auf kritische Infrastruktur, aber auch Wohnhäuser und ein Hotel wurden getroffen. In der Nacht zum Dienstag starben dabei mindestens vier Menschen, in der Nacht zum Montag, in der Russland 236 Raketen, Marschflugkörper und Drohnen auf die ukrainischen Städte schoss, kamen mindestens sieben Menschen ums Leben.

Die russischen Luftangriffe sind nächtlicher Psychoterror für die ukrainische Zivilbevölkerung, deren Städte teilweise weit entfernt von der Front sind. Russland verfolgt damit schon im Sommer wiederholt die Strategie, die Infrastruktur der Ukraine zu zerstören, damit die Bevölkerung im Winter friert und im Dunkeln ausharren muss. Das soll die Widerstandsfähigkeit der Ukraine schwächen.

Video | Diese Taktik verfolgt Putin jetzt in der Ukraine
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Quelle: t-online

Doch dass Wladimir Putin schon in der Sommerzeit so massiv seine Luftwaffe gegen die Zivilbevölkerung einsetzt, liegt wahrscheinlich vor allem in der ukrainischen Offensive im südrussischen Kursk begründet. Dort attackiert die ukrainische Armee auch Infrastruktur, die Russland für seine Kriegslogistik in der Ukraine braucht. Die Unfähigkeit der russischen Armee, ihr eigenes Staatsgebiet zu verteidigen, ist auch drei Wochen nach Beginn der ukrainischen Offensive noch immer eine heftige Ohrfeige für den Kreml.

Dass Putin nun die ukrainische Zivilbevölkerung ins Visier nimmt, ist die Rache.

Doch diese Schüsse könnten für den russischen Präsidenten nach hinten losgehen. Denn die russischen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung provozieren vor allem auch die USA, die der Ukraine noch immer Grenzen für den Einsatz ihrer weitreichenderen Waffensysteme setzen. Doch wie lange noch?

Russsische Rache für Kursk-Offensive

Eines liegt auf Hand: Die russische Armee ist in Kursk weiterhin in der Defensive und hat noch immer nicht ausreichend Soldaten und Kriegsgerät in der Region Kursk, um ihr Staatsterritorium zurückzuerobern. Am Dienstag meldeten die russischen Behörden, dass ukrainische Einheiten versucht hätten, in die benachbarte Region Belgorod vorzustoßen. Wjatscheslaw Gladkow, der Gouverneur der Region, schrieb auf seinem Telegram-Kanal: Die Situation vor Ort bleibe schwierig, sei aber unter Kontrolle.

Ein Großteil der russischen Reserven wird aktuell allerdings für die eigene Offensive im Donbass benötigt. Kremltreue Kräfte hatten zuletzt kritisiert, dass Moskau zu lange mit einer Reaktion warte. Experten gehen davon aus, dass die ukrainischen Kräfte die besetzten russischen Ortschaften über Monate hinweg kontrollieren können.

Eine besonders schlechte Ausgangslage für Putin: Er steht unter Druck und ihm fehlen die Optionen – wohl auch deswegen wählte er die Luftangriffe als Reaktion.

F-16-Kampfjets sind keine Wunderwaffe

Russland macht es sich dabei vor allem zunutze, dass die Ukraine noch immer nicht über ausreichend Luftabwehr verfügt. Mit einer größeren Anzahl von Drohnen und Raketen ist es für die russische Luftwaffe vergleichsweise einfach, die ukrainischen Abwehrsysteme zu übersättigen. Die ukrainische Luftwaffe erklärte am Dienstag: Die Luftabwehr habe die Hälfte der Raketen und 60 der 81 Drohnen abgefangen. Dass so viele Raketen ihr Ziel finden, ist definitiv ein Warnsignal für die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer. Die russische Luftwaffe habe viele Ziele erfolgreich getroffen, hieß es aus dem Kreml.

In seiner Videobotschaft am Montagabend kündigte Präsident Wolodymyr Selenskyj bereits Vergeltung für die russischen Angriffe an. Er ließ allerdings offen, wie diese aussehen könnte. An der militärischen Antwort würden auch vom Westen gelieferte F-16-Kampfjets beteiligt sein, sagte er. Die Lieferung der F-16-Kampfflugzeuge ist durchaus ein Zeichen der Hoffnung für die Ukraine. Auch deswegen inszenierte Selenskyj die Übergabe der ersten Flugzeuge Anfang August relativ groß.

Experten warnen allerdings davor, den möglichen Effekt der F-16 zu überhöhen. Der Militärexperte Petro Tschernik sagte dem "Tagesspiegel": "Die F-16 könnten in diesem Krieg eine wichtige Rolle spielen, aber es gibt nur sehr wenige von ihnen. Zehn Stück sind sehr gut, sie werden definitiv als Flugabwehrraketensysteme funktionieren." Bislang hat die Ukraine nur zehn von 69 Maschinen bekommen, die bis spätestens 2025 geliefert werden sollen.

Die vorhandenen Maschinen also wird die Ukraine wohl eher dafür nutzen müssen, die russischen Raketen und Drohnen vom Himmel zu holen – also zur Verteidigung und nicht für Vergeltungsmaßnahmen. Tschernik ergänzte: "Damit die F-16 als Bomber eingesetzt werden können, brauchen wir mindestens ein paar Fliegerstaffeln. Ein Geschwader besteht aus zwölf Flugzeugen. Wenn es in jeder Richtung in einem Gebiet von bis zu 100 Kilometern ein solches Geschwader gäbe, wäre das Ergebnis nach einer Weile unglaublich. Aber wir haben, was wir haben."

Um der russischen Luftwaffe tatsächlich etwas entgegensetzen zu können, bräuchte die Ukraine wohl mindestens 120 bis 130 F-16-Kampfjets, das gestand auch Präsident Selenskyj ein. Davon ist die Ukraine noch weit entfernt.

"Feige Angriffe"

Hinzu kommt, dass vor allem im Bereich der Luftwaffe eine langfristige Planung noch wichtiger ist als in anderen militärischen Bereichen. Der Militäranalyst Justin Bronk von der Denkfabrik The Royal United Services Institute sagte dem britischen Sender BBC: "Die Ausbildung eines Piloten für eine F-16 dauert vier bis fünf Monate – und Jahre, um alle Techniken zu erlernen, die für den Einsatz im Kampf nötig sind."

Es geht für die Ukraine also nicht um einen unmittelbaren Vergeltungsschlag, sondern vielmehr um Weichenstellungen für den weiteren Kriegsverlauf.

Die schmutzige Art, mit der Putin seinen Angriffskrieg führt, befeuert natürlich die Wut im Westen. So reagierten Vertreter aus den USA, Deutschland und Großbritannien empört auf die Luftangriffe. Die Attacken auf die ukrainische Energieinfrastruktur seien "skandalös", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby. Mit massiven Angriffen auf die Energieinfrastruktur übersäe Moskau "die Lebensadern" der Ukraine und versuche, "die Versorgung zu zerstören", erklärte das Auswärtige Amt in Berlin im Onlinedienst X. Der britische Außenminister David Lammy verurteilte die russischen Angriffe "mit Raketen und Drohnen auf zivile Infrastruktur" als "feige".

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Hinzu kommt, dass vor allem europäische Staaten den russischen Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung auch als Versuch Putins werten, westliche Staaten zu destabilisieren. Der SPD-Außenpolitiker Michael sieht in den russischen Angriffen eine "Vernichtungskampagne" gegen die ukrainische Energieinfrastruktur, die Fluchtwellen nach Westeuropa auslösen sollen: "Zum einen soll die ukrainische Rüstungsproduktion lahmgelegt, zum anderen das Leben der Menschen in der Ukraine unerträglich gemacht werden, um neue Flüchtlingsbewegungen in die EU auszulösen", sagte er "Politico".

Mehr Unterstützung für die Ukraine?

Dementsprechend provoziert Putin mit diesen Angriffswellen auch den Westen und vor allem die USA. Denn es sind aktuell die Amerikaner, die die Ukraine beim Einsatz von westlichen Waffensystemen auf russischem Staatsgebiet bremsen. Doch das könnte sich mit Blick auf den aktuellen Schrecken, den Moskau über ukrainische Städte bringt, ändern.

Aus Washington heißt es zwar, dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden die ukrainische Offensive in Kursk befürworte. Öffentlich äußerte sich die US-Regierung bislang aber nicht. Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" möchte Biden zunächst auf entscheidende Fortschritte Kiews warten – und damit auf eine Bestätigung, dass sich der riskante Vorstoß auszahlt. Ziel der USA und der Ukraine sei es, Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Doch bis dahin ist es wahrscheinlich noch ein weiter Weg. Deshalb könnte Selenskyj nun erst einmal versuchen, im Westen für weitere Waffenhilfe zu werben. Putins Verbrechen liefern ihm dabei gute Argumente – zumindest für mehr Luftabwehrsysteme, vielleicht auch für mehr F-16-Kampfjets. Es könnten also gerade die russischen Attacken sein, die westliche Staaten aufwecken und sie dazu bewegen, ihre Hilfen zu intensivieren. Es wäre nicht das erste Mal in diesem Krieg.

Verwendete Quellen
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