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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutsche Drohne in der Ukraine Die "Maus" geht auf die Jagd
Drohnen sind für die Ukraine im Krieg gegen Russland unverzichtbar. Nun mischt auch ein deutsches Start-up aus der Rüstungsindustrie im Drohnenkrieg mit.
Sie schwirren in der Luft, rollen über Land und pflügen durch das Wasser. Manche liefern mit ihren Kameras hochauflösende Bilder zur Aufklärung, andere werden mittels Sprengsätzen oder Geschossen zu Tod und Zerstörung bringenden Waffen. Aus der modernen Kriegsführung jedenfalls sind sie nicht mehr wegzudenken: Drohnen.
Besonders in der Ukraine werden sie seit Beginn der russischen Invasion massenhaft eingesetzt. Und künftig mischt dabei auch das neue Modell eines kleinen deutschen Unternehmens mit: die "Maus". Dabei handelt es sich um eine Kamikazedrohne, die oft für längere Zeit über ihrem Ziel lauert, bevor sie sich darauf stürzt und dann explodiert.
Die Geschichte des Herstellers, der Donaustahl GmbH, ist dabei ungewöhnlich: Das Start-up begann eigentlich in einer gänzlich anderen Branche, verlagerte nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ihren Schwerpunkt und beliefert nun den ukrainischen Geheimdienst direkt. Das macht das Unternehmen bereits zum Ziel russischer Schmutzkampagnen. Doch was kann die "Maus"? Und wie kam es dazu, dass ein kleines deutsches Unternehmen plötzlich Kriegswaffen herstellt?
Die "Maus" macht sich auf den Weg in die Ukraine
Wie die Donaustahl GmbH selbst mitteilt, hat das Bundeswirtschaftsministerium dem Start-Up erst vergangene Woche genehmigt, ihre sogenannte Adaptive Loitering Munition Platform (ALMP) herzustellen und an die Ukraine zu liefern. Laut dem Geschäftsführer Stefan Thumann ist sein Unternehmen damit das erste in Deutschland, das ein solches Waffensystem herstellen und an die Ukraine ausliefern darf.
Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums wollte die Genehmigung auf t-online-Anfrage übrigens "aus Gründen der Vertraulichkeit mit Bezug auf Geschäftsgeheimnisse und die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland" nicht kommentieren.
Von der Ausrüstung für Sportschützen zu Drohnen
Donaustahl hat sich 2020 im bayerischen Hutthurm nahe Passau eigentlich als Hersteller für Ausrüstung von Sportschützen gegründet und war in dieser Sparte zunächst auch tätig. Doch dann begann Russland im Februar 2022 seine großangelegte Invasion in der Ukraine – und für Donaustahl eröffnete sich ein neues Betätigungsfeld.
So entwickelte das Unternehmen für die ukrainischen Streitkräfte ein Einsatzkit für das satellitengestützte Internetsystem Starlink, das sensible Teile beim Feldeinsatz schützen soll. Zudem stattet Donaustahl seit September 2023 ukrainische Rettungssanitäter mit geschützten Trägersystemen für Ampullen aus. Bereits seit vergangenem November liefert das Unternehmen zudem Drohnenbauteile. Das eigene Drohnenprogramm zur Herstellung der unbemannten Fluggeräte und Trägersysteme begann laut Unternehmenswebseite erst im vergangenen April.
Abnehmer soll laut Unternehmensangaben die ukrainische Spezialeinheit "Kraken" sein. Die Einheit, "bzw. deren übergeordnete Instanz", wie Geschäftsführer Thumann auf der Plattform X schreibt, habe eine offizielle Bestellung für die "Maus" aufgegeben. "Kraken" untersteht dem Militärnachrichtendienst HUR und betreibt in erster Linie Aufklärung. Die Einheit besteht vor allem aus Veteranen des Asow-Regiments. Wie viele der Drohnen in die Ukraine geliefert werden sollen, ist bislang nicht bekannt.
Das kann die "Maus"
Bei der "Maus" handelt es sich um eine Drohne mit vier Rotoren – ein sogenannter Quadrokopter. Mittels eines modularen Trägersystems, das laut Unternehmensangaben weltweit einzigartig ist, kann die "Maus" verschiedene Einsatzzwecke erfüllen. So kann etwa eine Panzerabwehrgranate an ihr befestigt werden, die aus dem Fluggerät eine sogenannte Kamikazedrohne macht.
Ferner bietet Donaustahl ein Trägersystem für bis zu drei in Nato-Armeen übliche 40-Millimeter-Granaten oder russische 30-Millimeter-VOG-Granaten an. Diese können einzeln von der Drohne abgeworfen werden. Die Drohne kann so für eine spätere Mission wiederverwendet werden.
Ebenso kann daran der "Trench Cleaner" (zu Deutsch "Grabenreiniger") befestigt werden. Dieser Sprengsatz entstammt der Entwicklung von Donaustahl. Sein Einsatzzweck ist es, eroberte Schützengräben von möglichen Sprengfallen zu säubern. Dazu enthält er laut Aussage von Thumann 48 Stahl- oder Titanstäbe. Diese sollen selbst bis zu 20 Zentimeter tief vergrabene Sprengkabel durchtrennen und so Sprengfallen entschärfen können.
Die Drohne "Maus" in Zahlen
- Hersteller: Donaustahl GmbH
- Fluggeschwindigkeit: bis zu 140 Kilometer pro Stunde
- Reichweite: bis zu sieben Kilometer
- Steigleistung: bis zu 22 Meter pro Sekunde
- Nutzlast: bis zu 2,7 Kilogramm
- Kameras: Tag- und Nachtsicht (Infrarot und Wärmebild)
- Wirkmittel: verschiedene Sprengsätze zur Bekämpfung von Infanterie, Kriegsgerät oder Entschärfung von Sprengfallen
Drohnen sind für die Ukraine unverzichtbar
"Wir gehen in einen Sektor, der bisher insbesondere von westlichen Unternehmen kaum abgedeckt wurde – nämlich günstig, effektiv und hochskalierbar", erklärte Thumann im Juni dem YouTube-Kanal "BTB-concept". Anders als andere Drohnen dieser Kategorie setze Donaustahl bei der Herstellung zudem nicht auf Karbon, sondern auf Holz. Das Material sei nachhaltig und lediglich zehn Prozent schwerer – dafür aber um gut ein Viertel billiger als die Kohlenstofffaser. In Zukunft soll zudem die komplette Elektronik in Europa hergestellt werden.
Donaustahl besetzt damit eine Nische, die für die Ukraine überlebenswichtig ist. In keinem Krieg waren Drohnen bisher dermaßen omnipräsent wie im Krieg in der Ukraine. Die unbemannten Fluggeräte sind günstig in der Beschaffung und dabei hocheffektiv, da sie ihre Ziele meist präzise treffen.
Für die Ukraine sind sie besonders wichtig, da ihre Streitkräfte mit Drohnen versuchen, den Mangel an Artilleriemunition auszugleichen. Laut Angaben der ukrainischen Regierung kostet eine Artilleriegranate zwischen 2.800 und 3.200 Euro. Eine handelsübliche Drohne kostet meist unter 500 Euro, hinzu kommen Kosten zwischen etwa 200 und 600 Euro für eine Panzerabwehrgranate, die als Sprengsatz montiert werden kann. Wie die Ukraine Drohnen im Krieg einsetzt, können Sie hier nachlesen.
Seit Beginn des Konflikts im Donbass im Jahr 2014 hat die Ukraine viel Geld in die Entwicklung von Drohnentechnologie investiert. Nochmals zugenommen haben die Ausgaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Mittlerweile setzt die Ukraine verschiedenste Modelle der Marke Eigenbau ein – nicht nur in der Luft, sondern auch zu Wasser und an Land. Besonders die Seedrohnen haben sich als effektiv gegen die russische Kriegsmarine erwiesen. Mehr dazu lesen Sie hier.
"Ich bin im Visier": Donaustahl-Chef sieht sich von Russland bedroht
Auch die Donaustahl-Drohnen seien bereits in der Ukraine von mehreren Armee-Einheiten "getestet" worden, erklärte Thumann im Interview mit "BTB-concept". Wie genau das ohne erteilte Ausfuhrgenehmigung möglich war, ist nicht bekannt. Eine Anfrage von t-online an das Unternehmen blieb zunächst unbeantwortet.
Für den Geschäftsführer ist das Engagement seiner Firma indes nicht gänzlich ungefährlich. Bereits kurz nach Bekanntgabe der Ausfuhrgenehmigung für die "Maus" sei er von ukrainischen Behörden über eine "Schmutzkampagne" gegen sich informiert worden, schreibt Thumann auf X.
"Sich als Journalisten aus Deutschland ausgebende Personen melden sich bei militärischen Stellen und berichten, dass ich heimlich für die Russen arbeite und deswegen auch schon verhaftet worden wäre." Ziel sei wohl die Diskreditierung seiner Firma. "Ob es mir passt oder nicht. Ich bin im Visier und man nimmt die 'Maus' und meine Entwicklungen als Bedrohung wahr", schreibt Thumann außerdem.
Angesichts der in der vergangenen Woche bekannt gewordenen angeblichen Anschlagspläne gegen Rheinmetall-Chef Armin Papperger hatte Thumann im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland einen besseren Schutz durch staatliche Stellen auch für Start-ups in der Branche gefordert. Die Bundesregierung müsse "proaktiv durch die Sicherheitsbehörden handeln und staatliche Hilfe zur persönlichen Sicherheit anbieten".
"Es ist schwer, in Deutschland ein Start-up zu gründen", wird Thumann weiter zitiert. "Ein Defense-Start-up zu gründen, ist noch mal ungleich schwerer. Ein Defense-Start-up zu gründen und aufrechtzuerhalten, während man weiß, dass einen ausländische Mächte töten wollen, ist aber eine ganz andere Dimension."
- Internetauftritt der Donaustahl GmbH
- Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium
- x.com: X-Beiträge von @DonaustahlGmbH und @StefanThumann
- youtube.com: Video auf dem Kanal "BTB-concept": "Donaustahl: Drohnen aus Deutschland, getestet in der Ukraine"
- rnd.de: "Die tödliche 'Maus': Deutsches Rüstungs-Start-up darf Kamikazedrohnen für die Ukraine produzieren"
- en.defence-ua.com: "Germany Develops FPV Drone for Various Munitions, Now Striking russian Forces in Ukraine" (englisch)
- armyrecognition.com: "First battle proven FPV drone made in NATO presented by German industry." (englisch)