Krieg in der Ukraine Putin ruft zu den Waffen: Russland reagiert emotional
Aus mehreren Regionen Russlands wird gemeldet, dass Männer bereits für den Krieg rekrutiert werden. Studierende sollen aus einer Uni geführt worden seien.
Kein ganzer Tag ist vergangen seit Putin die Teilmobilisierung seines Landes erklärt hat und schon werden offenbar die ersten Männer eingezogen. Frauen verabschiedeten ihre Ehemänner, Kinder ihre Väter, so berichtet es der russische TV-Sender Doschd in sozialen Medien. In einem Video des Senders ist auch zu sehen, wie Männer in Jakutien, im russischen Fernen Osten, eine kurze Unterweisung erhalten und auf die bevorstehende Abreise eingestimmt werden.
Unterdessen veröffentlichte das Team um den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der derzeit in Haft sitzt, Videomaterial aus Ulan-Ude, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Burjatien in Sibirien. Demnach sollen Studierende der Staatlichen Universität Burjatien direkt aus dem Unterricht geführt worden sein. Beamte der Militärpolizei seien bereits früh am Morgen erschienen, heißt es, das Video soll von einem der Studenten aufgenommen worden sein.
Noch am Vortag hatte Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärt, dass Studierende von der Mobilisierung ausgenommen seien. Die Echtheit der Videos ist nicht prüfbar. Aus Burjatien waren allerdings bislang besonders viele Menschen in den Krieg in die Ukraine geschickt worden – und viele tote Soldaten wurden zurückgebracht. Das berichtet das Portal Meduza.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Ein 32-jähriger Mann aus Moskau postet ein Video von sich, in dem er einen gestempelten Zettel in die Kamera hält. Demzufolge soll sich Wiktor Bugreew an diesem 22. September 2022 um 15 Uhr bei der Militärverwaltung einfinden und zum Dienst melden, andernfalls drohe ihm Strafverfolgung. Der IT-Experte meint: "Ich habe nie Militärdienst geleistet, ich habe keine militärische Spezialisierung."
Eigentlich sollte laut offizieller Erklärung der russischen Regierung bei der Teilmobilisierung lediglich Menschen mit militärischer Erfahrung eingezogen werden. Anderen Berichten zufolge sollen Menschen, die bei Demonstrationen teilgenommen haben, verhaftet und direkt in den Militärdienst eingezogen worden sein.
Freude über Teilmobilisierung?
Insgesamt lässt sich aus dem Westen heraus allerdings nur schwer ein genaues Bild von der Lage nach Bekanntgabe der Teilmobilisierung zeichnen. Neben den Protestbildern finden sich auch einige Videos in den Sozialen Netzwerken, in denen junge Männer ihre Eiberufung offenbar begrüßen. Einige feiern diese sogar mit Alkohol.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Laut Angaben der russischen Armee hätten sich rund 10.000 Menschen in Russland innerhalb von 24 Stunden gemeldet, um beim Militäreinsatz in der Ukraine zu dienen. Sie seien freiwillig und ohne auf Vorladungen zu warten in die Rekrutierungsbüros gekommen, sagte ein Militärsprecher der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Die Armee habe ein Callcenter eingerichtet, um Fragen zur Mobilisierung zu beantworten.
Emotionale Szene spielen sich in Dagestan ab
Derweil teilt am Donnerstag ein Publizist aus dem Nordkaukasus auf Twitter ein Video, wonach angeblich eine für die Rekrutierung zuständige Frau in der Kaukasusrepublik Dagestan versucht, Männer davon zu überzeugen, in den Krieg zu ziehen und ihre Kinder in den Militärdienst zu schicken.
Die Männer entgegnen, sie wüssten nicht, weshalb sie das tun sollten. "Sie sagen ständig, dass wir für unsere Zukunft kämpfen müssen, aber von was für einer Zukunft reden Sie, wenn wir nicht einmal unsere Gegenwart haben?" Es wird sehr emotional. Ebenfalls in Dagestan protestierten offenbar Menschen gegen die Teilmobilisierung und blockierten eine Straße.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Ein Mitarbeiter der US-amerikanischen Helsinki-Commission, Bakhti Nishanov, twittert, derzeit würden verstärkt Menschen aus Jakutien, Sacha, Burjatien, Dagestan und Tschetschenien mobilisiert. Er wirft die Frage auf, ob bewusst systematisch ethnische Minderheiten Russlands im Krieg eingesetzt werden sollten. Ähnlich äußert sich Sam Greene, Direktor des Washingtoner Think-Tanks CEPA, auf Twitter.
Ein weiteres Video aus dem Fernen Osten soll zeigen, wie Neu-Rekruten noch kurz vor Abflug erste Informationen bekommen und dann in ein Flugzeug Richtung Militärdienst steigen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Sämtliche Berichte sind schwer zu prüfen. Umstritten war deshalb auch eine Liste mit Namen, die am Donnerstag im Nachrichtendienst Telegram auftauchte. Darauf: Tausende Namen, alphabetisch sortiert, samt der in Russland typischen Vatersnamen sowie Geburtsdaten und Adressen. Hacker wollen die Liste verbreitet haben, weitergehende Informationen wurden aber nicht publik. Beobachter vermuteten, dass die Liste gefälscht ist – auch weil Namen von Personen enthalten sein sollen, die sich bereits freiwillig zur Armee gemeldet hätten.
Fest steht: Die Teilmobilisierung hat in ganz Russland erhebliche Verunsicherung ausgelöst. Bereits am Mittwoch versuchten etliche Menschen panikartig das Land zu verlassen. Flugtickets in visa-freie Staaten waren zeitweise ausverkauft oder extrem teuer geworden. In der türkischen Stadt Antalya sollen immer mehr russische Männer im wehrfähigen Alter ankommen. An der russisch-georgischen, der finnischen und der kasachischen Grenze bildeten sich der Internetseite Meduza zufolge kilometerlange Schlangen. Ein Exodus soll auch von Burjatien in Sibirien in die angrenzende Mongolei stattfinden.
- Nachrichtendienste Telegram und Twitter
- meduza.io: "Everyone knew it was coming’ A dispatch from Russia's Republic of Buryatia, where mobilization is already underway" (englisch)