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Erst Trump, dann Taiwan: China verfolgt einen Plan


Tagesanbruch
China verfolgt einen gefährlichen Plan

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 07.03.2025Lesedauer: 6 Min.
General Zhang Jouxia, stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Militärkommission Chinas, im Nationalen Volkskongress.Vergrößern des Bildes
General Zhang Jouxia, stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Militärkommission Chinas, im Nationalen Volkskongress. (Quelle: Ng Han Guan/AP/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist Freitag, die Woche war anstrengend, der neue Tag beginnt und Sie sind noch müde? Keine Sorge, das haben wir gleich: Ein Dritter Weltkrieg droht schon bald. Sage nicht ich, sondern hat eine Umfrage unter Hunderten Experten für internationale Politik ergeben. Vierzig Prozent von ihnen rechnen in den kommenden zehn Jahren mit einem weltumspannenden Krieg. Fast die Hälfte geht davon aus, dass wir bis 2035 den Einsatz von Atomwaffen erleben werden. Der gefährlichste Konfliktherd ist demzufolge eine chinesische Invasion in Taiwan. So, sind Sie nun wach? Guten Morgen noch mal.

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Spätestens an dieser Stelle könnte man gute Nachrichten gebrauchen. Schielt man nach Taiwan, scheint der Konsens der Experten so falsch allerdings nicht zu sein. Der US-Oberbefehlshaber im pazifischen Raum, Admiral Samuel Paparo, steuert gleich die nächste Warnung bei: Die Manöver der chinesischen Marine und Luftwaffe um Taiwan herum seien mittlerweile so groß, dass sie zur Verschleierung einer echten Attacke geeignet wären. Es handele sich nicht mehr um normale Übungen, sondern um Probeläufe für die Invasion.

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Aus China ist auch nichts Beruhigendes zu hören: Präsident Xi Jinping hat seinem Militär neue Regeln verpasst und ihm eine strikte Fokussierung auf die Kriegsvorbereitung verordnet. Der für Taiwan zuständige Minister hat die Tonlage verschärft. In Peking wird den Streitkräften derweil ein gewaltiges neues Hauptquartier gebaut, demgegenüber das Pentagon wie ein Geräteschuppen aussieht. Es gibt also wenig daran zu deuteln: China rüstet sich. Wo bitte sind die guten Nachrichten?

Die frohe Botschaft lautet: Die Verhältnisse sind komplizierter als es scheint. Für eine Entwarnung reicht es leider nicht, aber immerhin finden sich im Lagebild noch andere Farben als tiefschwarz. Zur diesjährigen Tagung des Nationalen Volkskongresses in Peking, einer durchchoreografierten Veranstaltung, ist die Delegation des Militärs in Unterzahl aufgelaufen. Stühle bleiben leer, weil hochrangige Offiziere mit Korruptionsverfahren überzogen werden. Im vergangenen Sommer verschwand der Verteidigungsminister für zwei Monate komplett von der Bildfläche, anschließend wurde er aus dem Amt geworfen. Präsident Xi ist nicht zufrieden mit seiner Armee. Sie soll sich rüsten, aber in der Kommandantur wird vor allem aufgeräumt.

Die Entwicklung in China unbefangen einzuschätzen, wird von selektiver Wahrnehmung erschwert. Das Land erscheint als Doppelbild: hier die unaufhaltsam aufsteigende Supermacht, da der schwerfällige Koloss. Unser Wissen um Chinas Innovationskraft, sein hohes Entwicklungstempo und seine weltweit einmalige industrielle Stärke steht unverbunden neben den Negativnachrichten: Konsumschwäche, Wirtschaftskrise, hohe Jugendarbeitslosigkeit, Desillusionierung, Rückzug ins Private, erdrückende gesellschaftliche Zwänge und eine katastrophal niedrige Geburtenrate. Das Reich der Mitte wird gerne in Schwarz oder in Weiß wahrgenommen, seltener in den Graustufen dazwischen.

Das gilt auch für Taiwan. Fakt ist, dass die Invasion nicht vor der Tür steht. Ebenso klar ist aber auch, dass Peking den Druck auf die Insel maximal erhöht. Die Wiedervereinigung des großen mit dem ganz kleinen China steht für Diktator Xi außer Frage, doch die Modalitäten und der Zeitpunkt sind nicht in Stein gemeißelt.

Die entscheidende Frage ist, ob Taiwan dem Druck widerstehen kann. Die Weichen dafür werden nicht nur von der Regierung in Taipeh und beim Widersacher in Peking gestellt. Da gibt es noch einen Dritten. Schützenhilfe erhält Xi nämlich von einem Herrn, dessen Erwähnung wir im heutigen Tagesanbruch bisher erfolgreich vermieden haben. Es tut mir leid, aber nun ist es so weit: Auftritt Donald Trump.

Der unberechenbare US-Präsident sorgt rund um den Globus für Nervosität – und natürlich auch in Taiwan. Das Muster ist bekannt: Die bedrängten Insulaner richten den Blick mit Unbehagen auf die ebenso bedrängten Ukrainer und fragen sich, ob ihnen in der Stunde der Not dieselbe Behandlung durch Washington blüht. Man sorgt sich, ob der "größte Dealmaker aller Zeiten" beim Small Talk mit Kollege Xi ein Geschäft vereinbaren könnte, bei dem die Chinesen ihre Exportflut nach Amerika eindämmen, wie Trump es sich wünscht, und im Gegenzug freien Zugriff auf Taiwan erhalten. Elbridge Colby, Trumps Kandidat für einen einflussreichen Posten im Pentagon, kritisierte gegenüber dem US-Kongress schon mal die unzureichenden Rüstungsausgaben Taipehs, verlangte deren Erhöhung auf unglaubliche 10 Prozent des Sozialprodukts und stellte nebenbei noch fest, Taiwan sei für die USA nicht unverzichtbar. Es ist der übliche Forderungskatalog, der Verbündeten präsentiert wird, die bald keine Verbündeten mehr sind.

Doch Taiwan hat eine Lebensversicherung abgeschlossen, um die man nicht so leicht herumkommt – eigentlich jedenfalls: In ihrem Land, und nur dort, werden die leistungsfähigsten Computerchips der Welt produziert. Der amerikanische KI-Boom und die Hi-Tech-Branchen weltweit hängen vom Know-how und den Fertigungslinien auf der Insel ab. Deren Komplexität ist so gewaltig, dass sie sich nicht mal eben an einen anderen Ort verfrachten oder neu aus dem Boden stampfen lassen. Es dauert Jahre. Ein chinesischer Angriff auf Taiwan würde also der US-Wirtschaft unkalkulierbaren Schaden zufügen. Das fördert die Solidarität.

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Dem Egomanen im Weißen Haus gefällt das nicht. Trump hat die Daumenschrauben angesetzt, damit die taiwanesische Industrie Produktionsstandorte in den USA aufbaut. Die Firmenbosse in Taipeh haben sich dem Druck ein Stück weit gebeugt, auch die Regierung hat grünes Licht gegeben: Sie investieren nun Milliarden in den USA. In Trumps Amtszeit wird die Zwangsamerikanisierung der Chipindustrie noch keine üppigen Früchte tragen. Auf längere Sicht verliert Taiwans Lebensversicherung damit allerdings an Wert. Trump freut sich über die neuen Fabriken. Xi lächelt still.

Es ist eine Herausforderung, eine Prognose für die kommenden zehn Jahre abgeben zu wollen, während nicht einmal die kommenden zehn Tage vorhersehbar erscheinen. Die düsteren Vorhersagen, mit denen wir heute in den Tag gestartet sind, haben ihre Berechtigung – und sei es nur als Vorwarnung für den Fall, dass sich noch irgendwer zu sehr entspannt. Man muss jetzt wirklich aufmerksam sein.

Doch der Zukunft kann man nicht in die Karten schauen – jetzt noch weniger als sonst. Führen Donald Trump und Elon Musk die USA ins innere Chaos? Was wird von der ehemals einzigen Supermacht der Welt noch übrig sein, bevor das Jahr vorbei ist? Ein großes Land werde auferstehen, so stark wie nie zuvor, verspricht der Mann mit dem MAGA-Käppi. Aber tatsächlich haben wir keine Ahnung. Noch ist alles offen. Und diesmal ist das eine gute Nachricht.


Grüne Gewissensentscheidung

Die Einigung kam atemberaubend schnell, die Dimensionen des Vorhabens sind gewaltig, der Zeitplan ist sportlich: Am Dienstag verständigten sich Union und SPD auf eine Reform der Schuldenbremse zur Aufrüstung der Bundeswehr und genehmigten sich zugleich ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur. Um das beispiellose Finanzpaket samt Grundgesetzänderung noch vom alten Bundestag verabschieden zu lassen, ist schon am kommenden Donnerstag die erste Lesung geplant. Während die Sondierer schon über dem nächsten dicken Brocken, der Migrationspolitik, brüten, sollten sie allerdings nicht versäumen, noch einmal äußerst konstruktiv mit den Grünen zu sprechen – schließlich sollen die für die nötige Zweidrittelmehrheit sorgen.

Für die künftige Oppositionspartei ist es eine Gewissensentscheidung unter besonderen Vorzeichen: Schließlich war sie selbst mit dem Vorschlag, gemeinsam ein Sondervermögen für Infrastruktur und Wirtschaft zu beschließen, bei der Union abgeblitzt. Zugleich musste sie monatelang Markus Söders Tiraden gegen ihren Spitzenkandidaten Robert Habeck über sich ergehen lassen, sogar noch am vorgestrigen Aschermittwoch. Kein Wunder, dass sich die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann bislang zurückhaltend zu Friedrich Merz' Schuldenplänen äußern. Das Bild, dass sie nun den Kakao, durch den sie vorher gezogen wurden, auch noch trinken sollen, ist jedenfalls nicht abwegig: Der "Stern"-Kollege Nico Fried bringt Söders Unverschämtheit auf den Punkt.


Krypto-Gipfel im Weißen Haus

Donald Trump ist Fan von Kryptowährungen und möchte sie neben Öl und Gold in die strategische Reserve der USA integrieren. Am Donnerstag unterzeichnete er ein Dekret dazu. Dass viele Experten diesen Plan kritisch sehen, weil Bitcoin und Co. wie kaum eine andere Vermögensklasse für Kursschwankungen und Risiken stehen, während Währungsreserven doch sicher sein sollten, ficht den Egomanen (und Krypto-Unternehmer) im Weißen Haus nicht an. Wie er sich die Umsetzung vorstellt, könnte auf dem heutigen Krypto-Gipfel im Weißen Haus klarer werden.


Ohrenschmaus

Angesichts der Weltlage erinnere ich mich an einen Song, den ich vor 30 Jahren hoch und runter hörte. Jetzt passt er sogar besser als damals.


Lesetipps

Friedrich Merz braucht die Grünen, um seine Verschuldungspläne im Bundestag durchzusetzen. Das wird schwer: Im Interview mit unserem Reporter Johannes Bebermeier wirft Ex-Parteichefin Ricarda Lang dem CDU-Chef Lügen vor.


Lange hoffte man in Deutschland, dass hinter Donald Trumps Ukraine-Politik eine schlaue Verhandlungsstrategie stecke. Nun ist klargeworden: Die USA stehen an der Seite von Russlands Diktator Putin. Eine brutale Erkenntnis, kommentiert mein Kollege Patrick Diekmann.


Emmanuel Macron bietet an, den französischen Atomwaffenschutz auf Europa auszuweiten. Ob das funktionieren kann, erklärt Ihnen mein Kollege David Schafbuch.


Angesichts der Bedrohung durch Russland wollen Politiker von CDU und CSU die Wehrpflicht wieder einsetzen. Mein Kollege Mario Thieme hat dazu Meinungen aus unserer Leserschaft gesammelt.


Zum Schluss

Die schwarz-roten Koalitionäre in spe backen große Brötchen.

Ich wünsche Ihnen einen gut informierten Freitag.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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