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Sondervermögen für Aufrüstung: Starke Antwort auf Donald Trump


Tagesanbruch
Auch das noch

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.03.2025 - 07:34 UhrLesedauer: 6 Min.
US-Präsident Trump mit Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Trump mit Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses. (Quelle: Elizabeth Frantz/REUTERS)
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Europa erlebt so schicksalsschwere Tage wie seit Langem nicht. Die Anspannung ist förmlich mit Händen zu greifen. Nicht nur in den Regierungsvierteln, auch in Wohnzimmern landauf, landab, in Büros, in Kneipen, in der U-Bahn. Die Leute reden über die Weltlage, und viele ängstigen sich: Was tut Donald Trump als Nächstes? Jeden Morgen beim Blick aufs Smartphone ein neuer Querschuss aus Washington, gefolgt von heller Aufregung, Reaktionen, noch mehr Erschütterung.

Letzte Nacht unserer Zeit hat der US-Präsident eine Rede vor dem Kongress in der amerikanischen Hauptstadt gehalten. Es war seine erste Ansprache vor beiden Kammern des US-Parlaments seit Beginn seiner zweiten Amtszeit – und natürlich hat Trump die Gelegenheit für weitere Knalleffekte genutzt. Er warf anderen Staaten vor, die USA wirtschaftlich auszunutzen, und versprach der heimischen Autoindustrie einen "Boom" durch seine Zollmaßnahmen. Zur Ukraine erklärte Trump, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj nun bereit sei, ein Rohstoffabkommen zu unterzeichnen. Während seiner Rede kam es zu Protesten der Demokraten: Der texanische Abgeordnete Al Green wurde aus dem Saal geführt, nachdem er Trump lautstark kritisiert hatte. Hier lesen Sie einen ersten Überblick.

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Donald Trump dominiert die weltweite Nachrichtenagenda, und Abermillionen Menschen starren wie die Kaninchen vor der Schlange auf den Washingtoner Zampano. Mal sehen sie entgeistert, wie eine Gewissheit nach der anderen zusammenbricht. Dann schöpfen sie wieder ein bisschen Hoffnung, weil Trump eine überraschende Volte schlägt: Wird vielleicht alles doch nicht so schlimm? Die Nerven sind zum Zerreißen gespannt, nicht nur bei Politikern, auch in vielen deutschen Familien. Ehepaare blicken bange auf den Fernseher, Kinder fragen ängstlich ihre Eltern, ob bald der nächste Krieg ausbricht, junge Erwachsene tragen sich ernsthaft mit dem Gedanken an Auswanderung. Weg aus diesem Hexenkessel, der mal das friedliche Europa war.

Man sollte auch in hitzigen Zeiten kühlen Kopf bewahren, schon wahr. Aber der Realität ins Auge blicken muss man trotzdem. Die westliche Wertegemeinschaft, die Nato als stärkstes Verteidigungsbündnis der Welt, internationale Normen und Verträge, der Konsens demokratischer Staaten, dass man keine Angriffskriege führt und Aggressoren sanktioniert, statt sie zu belohnen: Alles steht nun in Frage. Das ist mehr, als ein durchschnittlicher Nachrichtenkonsument erträgt, erst recht, nachdem er schon von Pandemie, Krieg und Klimakrise erschüttert worden ist. Man weiß wirklich kaum noch, wo einem der Kopf steht.

Video | "Werden Grönland so oder so bekommen"
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Quelle: t-online

Zugleich erzeugt die Dauer-Disruption aus Washington eine ungeheure Dynamik und bewegt Politiker auch in Europa, Dinge zu tun, die sie in normalen Zeiten nicht tun würden. So ein besonderer Moment war gestern gleich zweimal zu beobachten: Erst stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein milliardenschweres Konzept zur Wiederaufrüstung Europas vor. Der Fünfpunkteplan umfasst eine Lockerung der strikten europäischen Schuldenregeln, Anreize zur Steigerung der Militärausgaben und einen 150 Milliarden Euro schweren Fonds, um die 27 Mitgliedstaaten bei der Aufrüstung zu unterstützen. Insgesamt könne Europa so "nahezu 800 Milliarden Euro" mobilisieren, schwärmte von der Leyen. Ein echter Wumms.

Wenige Stunden später folgte ein denkwürdiger Auftritt in Berlin. Ähnlich gewichtig wie Gerhard Schröders Rede nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, wie Angela Merkels und Peer Steinbrücks Garantie der deutschen Sparguthaben nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 und wie Angela Merkels Fernsehansprache nach Ausbruch der Corona-Krise 2020: Noch bevor sie die neue Bundesregierung bilden können, haben CDU-Chef Friedrich Merz, die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie CSU-Chef Markus Söder eine historische Entscheidung getroffen. Sie öffnen die staatlichen Geldschleusen sperrangelweit. Vorbei ist die Zeit der starren Finanzkontrolle, jetzt wird nicht mehr gekleckert, sondern geklotzt:

  • Alle Verteidigungsausgaben, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sollen von der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse ausgenommen werden. Die Bundeswehr soll sämtliches Gerät kaufen können, das sie braucht.
  • Ein über zehn Jahre laufendes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro soll die marode Infrastruktur instand setzen: Brücken und Straßen, Schulen und Bahntrassen sollen repariert werden.
  • Auch die Bundesländer sollen die Möglichkeit bekommen, mehr Schulden zu machen. Ihre besonders strenge Schuldenbremse soll an die flexiblere Bundesregelung angepasst werden.
  • Treffen soll diese weitreichenden Beschlüsse noch schnell der alte Bundestag. Dort können Union und SPD dank der Grünen auf die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit hoffen. Im neuen Parlament sind AfD und Linkspartei so stark, dass sie Grundgesetzänderungen blockieren können.

Die schwarz-roten Füllhornpolitiker sparen nicht mit Superlativen. "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes", verkündet Merz, also was auch immer es braucht. "Wir werden alles tun, um unser Land zu schützen", verspricht Söder, "für die Sicherheit: no limit! Alles, was die Bundeswehr braucht." Und weiter: "Wir rüsten komplett auf – militärisch und technologisch. An unserer Entschlossenheit soll niemand zweifeln."

Worte wie diese wären aus dem Mund eines deutschen Spitzenpolitikers vor fünf Jahren undenkbar gewesen. Heute verdeutlichen sie den dramatischen Handlungsdruck. Donald Trump hat binnen Tagen das Vertrauen in den militärischen Schutz Amerikas und damit auch der Nato zerstört. Europa muss fürchten, im Fall der nächsten russischen Aggression allein dazustehen, die Bundeswehr könnte das Leben von 83 Millionen Bundesbürgern nicht verteidigen.

Das ist eine Katastrophe, die im jahrelangen Versäumnis der vergangenen Jahrzehnte wurzelt: Nicht nur die Politiker haben versagt, die ganze Gesellschaft hat die Zeichen der Zeit verschlafen, während sie unbekümmert ihren Wohlstand genoss. Man hätte sehen können, was sich in Russland zusammenbraute, nicht erst seit der Krim-Annexion 2014. Hat man aber nicht, wollte man nicht.

Der Ampelkanzler Olaf Scholz hat mit dem Zeitenwendevermögen einen ersten Schritt zur Wiederherstellung der deutschen Verteidigungsfähigkeit gemacht. Nun zeigt sich, dass er zu klein war – nicht ausreichend angesichts des Trump'schen Zerstörungskurses. Deshalb unterschreiben die Chefs der künftigen schwarz-roten Koalition einen Schuldschein mit sehr, sehr vielen Nullen, und das ist gut so. Die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt, das stärkste Land der Europäischen Union, kann nicht weiter als hilfsbedürftiger Teenager durch die internationale Politik schleichen. An diesem 4. März 2025 ist die Bundesrepublik volljährig geworden.

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Bis zu ihrer Reife wird es allerdings noch dauern. Die Abwehrbereitschaft ist nicht morgen wiederhergestellt. Neue Waffen fallen nicht vom Himmel, die Wehrpflicht ist nicht in 24 Stunden eingeführt, Kommandostrukturen werden nicht über Nacht geplant. Umso wichtiger, dass die künftigen Koalitionäre nun Kurs halten und sich nicht verzetteln. Das gilt vor allem für die SPD, die den Multimilliardensegen nutzen will, um auch ihre Wählerklientel zu alimentieren: Familien sollen entlastet und Renten bezuschusst werden. Alles schön und gut in normalen Zeiten.

Doch die Zeiten sind nicht mehr normal. Die Priorität muss jetzt darauf liegen, die Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen. Putin muss verstehen, dass Deutschland stark ist. Nur militärische Stärke wirkt abschreckend auf Imperialisten wie den Kremlchef. Merz, Söder und Klingbeil haben ein großes Versprechen gegeben. Jetzt müssen sie liefern.


Ohrenschmaus

Ein kundiger Leser schlug mir vor, angesichts des Irrsinns in Amerika einen bestimmten Song zu empfehlen. Tu ich gern.


Chinas Scheinparlament tagt

Klatschen und abnicken: Das sind die beiden vornehmsten Aufgaben des chinesischen Volkskongresses, der heute in Peking zu seiner jährlichen Sitzung zusammentritt. Sämtliche Arbeitsberichte, Gesetzentwürfe und Zielvorgaben, die die rund 3.000 Delegierten aus allen Landesteilen in den kommenden sieben Tagen verabschieden, sind bereits en détail ausgearbeitet und abgestimmt. Die wahre Macht liegt im Reich der Mitte beim Politbüro der Kommunistischen Partei und bei Diktator Xi Jinping.

Dennoch hat das durchchoreografierte Schauspiel im Scheinparlament eine gewisse Relevanz: Es vermittelt zumindest einen Eindruck davon, wohin die Volksrepublik wirtschaftlich und militärisch steuert – in Zeiten, da sich der Handelskonflikt mit den USA nach Inkrafttreten zusätzlicher US-Zölle auf Einfuhren aus China zuspitzt. Gestern hat Peking bereits Gegenzölle auf mehrere amerikanische Landwirtschaftsprodukte angekündigt. Die Eskalationsspirale dreht sich weiter.


Bayern gegen Bayer

Im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales kommt es heute Abend zum Kracher: Der FC Bayern empfängt Bayer Leverkusen. Selbst unser Kolumnist Stefan Effenberg tut sich schwer damit, einen Favoriten zu benennen. Fest steht allerdings: Seit Trainer-Genie Xabi Alonso bei Leverkusen auf der Bank sitzt, konnten die Münchner noch nicht gegen die Werkself gewinnen. Will Bayern-Coach Vincent Kompany mit einer guten Ausgangsposition ins Rückspiel gehen, müsste sich daran heute etwas ändern. Schau mer mal.


Lesetipps

Union und SPD haben sich geeinigt, woher sie das viele Geld nehmen wollen, das sie brauchen. Doch noch können ihre Pläne scheitern, berichtet unser Reporter Johannes Bebermeier.



Wie werden die Grünen wieder erfolgreich? Parteivize Sven Giegold hält die Verschiebung nach rechts für gescheitert – und hat eine neue Idee, wie er im Interview mit Johannes Bebermeier erzählt.


Zum Schluss

Er lässt keine Gelegenheit aus …

Ich wünsche Ihnen einen umsichtigen Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch von unserem Nachrichtenchef Mauritius Kloft, von mir lesen Sie am Freitag wieder.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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