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Volker Wissing und die Verkehrswende: So wird das nichts


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Tagesanbruch
Versprochen, gebrochen

MeinungVon Heike Vowinkel

Aktualisiert am 18.04.2024Lesedauer: 6 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:240417-911-002314Vergrößern des Bildes
Mal kommt der Zug, mal kommt er nicht: Ein einsamer Reisender wartet am Gleis. (Quelle: Jens Büttner/dpa)

Guten Morgen, liebe Leserin, liebe Leser,

wer regelmäßig mit Bus und Bahn fährt, kennt das: Mal kommt der Zug eine Stunde zu spät, mal gibt es nur Schienenersatzverkehr mit Bussen, die zwei Stunden länger dafür brauchen, um ans gleiche Ziel zu juckeln. Dann wieder fällt die Verbindung ganz aus. Wer Glück hat, wird rechtzeitig von einer App gewarnt, alle anderen warten am tristen Gleis auf die nächste Verbindung.

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Dabei, man vergisst das so schnell, war uns mal "eine nachhaltige, effiziente, barrierefreie, intelligente, innovative und für alle bezahlbare Mobilität" versprochen worden – genau so von der Ampel in ihrem Koalitionsvertrag. Klingt zu schön, um wahr zu werden? Wird es auch nicht.

Selbst wenn die Deutschen wollten, könnten sie auf ihr Auto kaum verzichten. Denn es gibt keine echten Alternativen. Das liegt am fehlenden politischen Willen, und zwar dem des zuständigen Ministers: Volker Wissing.

Der beruft sich zu Recht auf das miese Erbe, das er vor fast drei Jahren angetreten hat. Heruntergerockt war das Schienennetz. Die Merkel-Regierungen, allen voran ihre CSU-Verkehrsminister, hatten kein Interesse daran, die Bahn zu stärken. Zwischen 1995 und 2019 schrumpfte das Bundesschienennetz um mehr als 20 Prozent. Im selben Zeitraum stieg die Autobahnlänge um 18 Prozent.

Die Prioritäten waren klar: freie Autofahrt für freie Bürger. Im Autoland Deutschland sollte nur ja niemand auf die Idee kommen, dass es zum Auto eine Alternative geben könnte. Dumm nur, dass immer mehr Autos auf den Straßen die Fahrbahnen umso mehr und schneller abnutzten. Weshalb auch viele Straßen und Brücken marode sind.

Allerdings: Auch Volker Wissing hat die Prioritäten nicht verschoben. Nachhaltig und effizient ist an seiner Verkehrspolitik wenig. Aktuell bewegen sich so viele Autos auf deutschen Straßen wie nie zuvor, fast 50 Millionen, der Anteil an E-Autos liegt gerade einmal bei drei Prozent. Allein 2023 kamen 2,8 Millionen neue Pkw hinzu, ein Anstieg um 7,3 Prozent zum Vorjahr.

Und selbstverständlich steckt der Verkehrsminister auch weiterhin horrende Beträge in den Ausbau des Straßennetzes, wohlgemerkt nicht nur in den dringend benötigten Erhalt der vorhandenen Straßen, sondern 50 Milliarden für neue.

Kein Wunder also, dass der Verkehrssektor jedes Jahr von neuem das Klassenziel beim Klimaschutz nicht erreicht. Dabei wäre das dringend notwendig. Schließlich ist der Straßenverkehr für 20 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich.

Aber für dieses Problem hat Volker Wissing jetzt eine innovative Lösung gefunden: Das Klimaschutzgesetz wird kurzerhand geändert. Nicht mehr jeder einzelne Sektor muss Emissionen sparen. Nein, er darf von den Klassenstrebern profitieren, jenen Sektoren also, die mehr einsparen, als sie müssten. Damit kann er die schlechten Zahlen in seinem Ressort ausgleichen. Es zählt nun das Gesamtergebnis. Und schon kann auf deutschen Straßen alles so bleiben, wie es ist. Der Urlaub ist gerettet.

Der Urlaub? Ja. Denn Wissing ist dieser Clou mit einer bauernschlauen Erpressung gelungen: Er drohte mal eben via "Bild"-Zeitung mit Fahrverboten, die leider mitten in der Ferienzeit ausgesprochen werden müssten, wenn das Klimaschutzgesetz nicht geändert werde – und schon war der Widerstand in der Ampel gebrochen. Wer will schon für Fahrverbote in den Ferien verantwortlich sein? In diesen aufgeregten Zeiten. Dass diese gar nicht notwendig gewesen wären, hätte sich der Verkehrsminister nur endlich ernsthaft bemüht, Emissionen in seinem Sektor einzusparen, etwa mit einem Tempolimit, oder in anderen Verkehrsbereichen wie der Schifffahrt – geschenkt. Dreistigkeit kommt weiter.

Immerhin haben wir Wissing das Deutschlandticket zu verdanken. Der bundesweit einheitliche Tarif für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs hat diesen um vieles attraktiver gemacht. Allerdings wird auch darum gerade in Münster bei der Verkehrsministerkonferenz wieder heftig gestritten. Denn eine dauerhafte Finanzierung ist alles andere als sicher. Den Ländern fehlen ebenfalls Milliardenbeträge. Sie drohen bereits mit Streichungen im ÖPNV.

Was neben Geld fehlt? Vor allem ein Konzept für eine "nachhaltige, effiziente, barrierefreie, intelligente, innovative und für alle bezahlbare Mobilität".


Ohrenschmaus

Die Hymne der Autobahn stammt übrigens von der Band Kraftwerk – aus dem Jahr 1974. Das sagt eigentlich alles darüber, wie zeitgemäß die Verkehrspolitik der Ampel ist.


Was steht an?

Die EU und der Iran: In Brüssel setzen heute die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ihren informellen Gipfel fort. Schon am Mittwochabend kamen sie zusammen. Und schon da dominierte ein Thema: Wie auf den Angriff des Iran auf Israel reagieren? Gefordert werden härtere Sanktionen, und die Elitestreitkräfte des Iran, die Revolutionsgarden, sollen als Terrororganisation eingestuft werden. Eigentlich sollte es ja um den Krieg Russlands gegen die Ukraine und um die wirtschaftlichen Beziehungen der EU zu China gehen. Wird es auch, dann vor allem heute.


Die G7 und der Iran: Den ungleich schöneren Tagungsort haben die Außenministerinnen und Außenminister der G7-Staaten für ihr Treffen gewählt: die Mittelmeerinsel Capri. Dafür bleiben sie auch länger – nämlich bis Freitag. Auch dort standen der Iran und der Nahostkonflikt bereits am Mittwoch im Vordergrund. Unser außenpolitischer Reporter Patrick Diekmann berichtet von vor Ort, wie die G7-Staaten (neben Deutschland die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan) versuchen, im Krisengewitter nicht die Initiative zu verlieren.


Nazi-Sprache: Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke soll in zwei Reden die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) "Alles für Deutschland" benutzt haben, der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP. Deswegen steht er nun in Halle an der Saale wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor Gericht. Der Geschichtslehrer Höcke behauptet, er habe die Losung nicht als Nazi-Parole gekannt. Wie glaubwürdig das ist, erklärt der Historiker Jens-Christian Wagner, der auch Direktor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald ist, meiner Kollegin Annika Leister. Höcke ist zudem nicht der erste in der AfD, der diese Losung verwandte. Wer das noch tat und warum er mehr damit bezweckt als seine Vorgänger, schreibt Investigativreporter Lars Wienand.

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Klage gegen Gasleitung: Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt in Leipzig über eine Klage von Umweltverbänden gegen die neue Gas-Pipeline zwischen Rügen und Lubmin. Nabu und Deutsche Umwelthilfe (DUH) halten die im beschleunigten Verfahren gebaute 50-Kilometer-Leitung für überflüssig und sehen darin eine Gefahr für Umwelt und Artenschutz in der Ostsee. Sollten die Verbände erfolgreich sein, erlischt die Genehmigung für die Pipeline, die erst vergangene Woche erteilt worden war. Ob am Donnerstag bereits ein Urteil fällt, ist noch unklar.


Das historische Bild

Der japanische Überfall auf Pearl Harbor war eine Demütigung für die USA, 1942 holten sie zum Gegenschlag aus. Hier lesen Sie mehr.


Lesetipps

Droht ein Vergeltungsschlag? Das iranische Mullah-Regime hat Israel attackiert. Wie hoch ist die Gefahr einer weiteren Eskalation tatsächlich? Militärexperte Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer schätzt im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke die Lage ein.


Historischer Prozess: Ex-Präsident Donald Trump muss sich derzeit in einem beispiellosen Strafverfahren vor Gericht verantworten, an vier Tagen in der Woche, zwei Monate lang. Der Mann, der über ihn richtet, ist Juan Merchan. Er wird es Trump nicht leicht machen, schreibt der politische Redakteur, Simon Cleven.


Polit-Eklat: Der Schauspieler und Kabarettist Dieter Hallervorden hat mit einem Anti-Israel-Video für Aufsehen gesorgt. Es ist nicht sein erster Polit-Eklat, schreibt mein Kollege Steven Sowa. Das vertonte Gedicht, das Hallervorden in dem Video vorträgt, gehe weit über Sympathie mit der Zivilbevölkerung in Gaza hinaus, kommentiert Panorama-Chefin Simone Rafael – und nennt es Antisemitismus.


Titeltraum: Die Bayern haben sich gestern Abend mit einem 1:0 gegen den FC Arsenal die letzte Chance auf einen Titel in dieser Saison bewahrt und stehen nun im Halbfinale. Wie das Spiel verlief, beschreibt Sportchef Andreas Becker.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Donnerstag, ohne Verspätungen und Umwege. Morgen schreibt Florian Harms hier für Sie.

Herzliche Grüße

Ihre Heike Vowinkel
Textchefin t-online
X: @HVowinkel

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Mit Material von dpa.

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