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AfD-Spitze: Das könnte der Partei zum Verhängnis werden


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Tagesanbruch
Ja, was denn nun?

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 05.02.2024Lesedauer: 8 Min.
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AfD-Chefs Tino Chrupalla, Alice Weidel: In der Partei schüttelt man den Kopf über ihre Kommunikation. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago-images-bilder)
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Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

am Anfang war Skepsis angebracht, die vergangenen Tage aber haben es deutlich gezeigt: Die Proteste gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD sind kein Sturm im Wasserglas.

Auch an diesem Wochenende sind wieder Hunderttausende auf die Straße gegangen. Sie gingen zu Großdemos in Städten und fuhren kilometerweit in kleinere Orte im Osten – um dort präsent zu sein, wo die AfD besonders stark ist und sonst häufig Rechtsextreme auf die Straße gehen. In Berlin demonstrierten der Polizei zufolge mehr als 150.000 Menschen rund um den Bundestag. Damit kamen noch mehr als bei der Demonstration vor zwei Wochen und so viele wie selten in der so protestfreudigen Hauptstadt. Dutzende weitere Demos in ganz Deutschland sind für diese Woche geplant.

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Für die AfD wird das zunehmend zum Problem. Nicht nur, weil sie sich als Partei der Basis, der Bürger, des Volks rühmt und ihr nun ein guter Teil dieses Volks die Rote Karte zeigt. Sondern auch, weil die Menschen auf der Straße die schweren Vorwürfe präsent halten, die gegen die AfD im Raum stehen. Und weil die Köpfe der Partei zunehmend beim Versuch scheitern, diese Vorwürfe vom Tisch zu wischen. Die Partei, die von Krisen zehrt wie keine andere, sie scheitert an der Kommunikation, wenn sie selbst in der Krise steckt.

Zwar fluten AfD-Politiker mit ihren Freunden im rechtsextremen Vorfeld das Netz mit Lügen und Desinformationen: Die Demonstranten seien bestellt von der Regierung, sogar von ihr bezahlt – ebenso wie die Rechercheure von "Correctiv". Die hatten berichtet, wie AfD-Politiker sich im November in Potsdam unter anderen mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner trafen, um Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland zu besprechen, auch von solchen mit deutschem Pass.

Glaubt man der Kampagne der AfD im Netz, ist die "Correctiv"-Recherche nichts als: Lüge, Betrug, Medienskandal. Am deutlichsten widersprechen diesem Narrativ allerdings die Köpfe der eigenen Partei. Bei Auftritten in der Öffentlichkeit geraten sie gerade ins Schwimmen, stürzen in tiefe kognitive Dissonanz.

Den Auftakt machte AfD-Chefin Alice Weidel bereits Mitte Januar. Bei einer Pressekonferenz bezeichnete sie die Vorwürfe, die "Correctiv" erhebt, als "unwahre Behauptungen" und "unwahre Unterstellungen", um gleich danach über "stasiähnliche Zersetzungsmethoden" zu schimpfen. Das "Privattreffen" in Potsdam sei nämlich "infiltriert und ausgespäht" worden. Im Bundestag wiederholte Weidel diesen Vorwurf in der vergangenen Woche, als sie "Correctiv" in einer beißenden Rede als "Hilfsstasi" bezeichnete.

Schon da kann man sich nur wundern: Ja, was denn nun? Entweder sind die Vorwürfe frei erfunden oder die AfD-Teilnehmer fühlten sich beim Lesen der Recherche so gründlich dokumentiert, dass sie vermuten, abgehört worden zu sein. Beides zugleich ist schlecht möglich.

Weidel zeigte denn in Taten auch genau, was an der Recherche dran war: Sie trennte sich von zwei Mitarbeitern, die bei dem Treffen dabei waren. Es ist der deutlichste Beleg, dass selbst die AfD-Spitze weiß, wie viel falsch war an diesem Treffen mit Sellner in Potsdam. Und wie wenig sie damit zu tun haben will – zumindest offiziell.

Weidel weiß um den offensichtlichen Widerspruch, den sie mit den Vertragsauflösungen kreiert hat – und geht auf Tauchstation. Zwar tritt sie bei AfD-Veranstaltungen gewohnt kampfeslustig auf. Doch in Talkshows war sie seither nicht, deutschen Medien hat sie kein Interview gegeben. Auch in den nächsten Tagen sind keine öffentlichen Weidel-Auftritte geplant.

Hinter verschlossenen Türen aber will die AfD-Chefin sich nach Informationen von t-online zeitnah mit Marine Le Pen, der Chefin der französischen AfD-Partnerpartei Rassemblement National (RN) treffen. Weidel muss sich bei Le Pen um Schadensbegrenzung bemühen – die nämlich hatte empört auf die Berichte über Pläne zur Massenvertreibung auch deutscher Staatsbürger reagiert. Sogar mit Folgen für die gemeinsame Fraktion im EU-Parlament hatte sie gedroht. Und die Franzosen sind wichtige Partner der AfD, derzeit nach den Italienern die mächtigste Gruppe der Fraktion.

Es ist nicht das erste Mal, dass es zwischen den deutschen und französischen Rechten knallt. Selten aber grenzte sich Le Pen so deutlich ab. Grund dürfte sein, dass sie 2027 Frankreichs Präsidentin werden will und nun im Gegensatz zum deutschen Partner gemäßigtere Töne anschlagen will – wie die meisten rechten Parteien, die es in Europa in Regierungsverantwortung geschafft haben. Ihr radikales Auftreten hat die AfD bisher in Deutschland erfolgreich gemacht, auf europäischer Bühne war sie deswegen aber schon häufiger einsam.

Bisher bemühte sich die AfD, den Eindruck zu vermitteln, der Knatsch mit Le Pen sei nicht so tragisch, schon so gut wie aus der Welt geschafft. Dass nun doch die Chefin selbst aktiv wird, könnte anzeigen, wie groß die Differenzen wirklich sind.

Um die innenpolitischen Verwerfungen muss Co-Chef Tino Chrupalla sich derweil kümmern. Auf großer Bühne stellte er sich in der Talkshow "Maischberger" den Vorwürfen – und geriet schwer ins Rudern. Die von einem Rechtsextremismus-Experten vorgetragenen Fakten, die belegten, wie sehr die AfD inzwischen als parlamentarischer Arm der rechtsextremen Szene in Deutschland fungiert, erklärte er kurzerhand zu reinen Meinungsäußerungen. Gegenargumente? Fehlanzeige.

Immerhin brachte Chrupalla die für die AfD derzeit wichtige Schutzbehauptung, in der Partei habe man nichts gegen Ausländer, wolle Menschen mit deutschem Pass auch nicht des Landes verweisen. Doch nicht nur Moderatorin Sandra Maischberger strafte ihn umgehend Lügen, sondern auch die eigene Basis: Die regte sich in Chats und sozialen Netzwerken über Chrupallas Distanzierungen auf. Lieber wäre einigen offensichtlich das klare Bekenntnis zum rechtsextremen Sellner gewesen.

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Fast erfrischend ehrlich hielt es dagegen Bernd Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD im Bundestag. Der nämlich konnte im "Bericht aus Berlin" rein gar nichts Schlimmes daran finden, dass AfD-Funktionäre in Bayern in einer Disko tanzten, in der "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" skandiert wurde. Zu ausländerfeindlichen NPD-Slogans tanzen – recht normal, findet Baumann offenbar und hatte auch am Slogan selbst nichts auszusetzen.

"Deutschland muss wieder deutscher werden", forderten denn auch die Fraktionschefs der AfD in den Landtagen der östlichen Bundesländer in einem Papier zum nun so umstrittenen Begriff der "Remigration". Von verfassungswidrigen Ausweisungen nahm man darin Abstand – der Schlusssatz des Papiers allerdings ist wieder nicht weit entfernt von der NPD-Parole "Deutschland den Deutschen". Kritik aus der AfD, vom Bundesvorstand? Wieder: Fehlanzeige.

Auf öffentlichen Schmusekurs mit dem rechtsextremen Vorfeld der AfD ging EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah. Der Vertreter des Höcke-Flügels in der Partei war zwar nicht beim Treffen in Potsdam dabei, trat aber in Berlin mit Sellner zusammen auf und rührte dort die Werbetrommel für sein Buch. Distanzierung kam Krah nicht in den Sinn, er korrigierte stattdessen lieber jene Parteikollegen, die im Nachhinein behaupteten, von den Gästen entsetzt gewesen und früh gegangen zu sein. Quatsch, sagte Krah, er habe mit der Betroffenen – Berlins AfD-Chefin Kristin Brinker – lange einen schönen Abend genossen.

Krah sendete damit ein starkes, für den Flügel typisches Signal: So geht es nicht, Freunde. Schließt die Reihen. Wir stehen zu unseren rechtsextremen Freunden.

Das Aushängeschild der AfD für die Europawahl schoss so auch den eigenen Parteichefs vor den Bug, wischte Schönrednerei und Halbwahrheiten beiseite. Und zeigte recht deutlich: Das Herz der AfD ist braun. Da mag sie noch so oft behaupten, es sei blau.

Wie lange Weidel und Chrupalla sich dem Drang zur Klarheit der radikalen Kräfte in der AfD noch widersetzen können, ist fraglich. Schon jetzt aber steht ihr öffentliches Auftreten deutlich im Widerspruch zu ihnen und hinterlässt vor allem einen Eindruck: Die Umfragewerte der Partei mögen stark sein – die Parteispitze ist es nicht.


Erwartbarer Sieg für Biden

US-Präsident Joe Biden hat die erste offizielle Vorwahl der Demokraten wie erwartet gewonnen. Mehr als 96 Prozent der Stimmen holte Biden bei der parteiinternen Abstimmung in South Carolina – allerdings hatte er auch keine ernst zu nehmende Konkurrenz. Die Wahl galt als Stimmungstest, wie gut Biden bei den schwarzen Wählern in den USA abschneidet. Parteistrategen zeigten sich danach zufrieden, der Anteil schwarzer Vorwähler soll demnach gestiegen sein. Das allein dürfte allerdings kaum genügen, wenn Biden im November vermutlich gegen Donald Trump antreten muss.

Einen entscheidenden Stimmenzuwachs zugunsten von Biden könnte hingegen US-Sängerin Taylor Swift erreichen. Seit Tagen spekulieren die USA darüber, ob sich der Superstar wie schon 2020 auch in diesem Wahljahr deutlich gegen Trump positionieren wird. Unser USA-Korrespondent Bastian Brauns beschreibt hier, warum Trump die Macht von Taylor Swift tatsächlich fürchten muss.


Paris stimmt gegen SUV

Paris will mit drastisch erhöhten Parkgebühren SUV und Geländewagen aus der Stadt fernhalten. 1,3 Millionen Stadtbewohner waren am Sonntag aufgerufen, um über eine Verdreifachung der Parkgebühren für die schweren Gefährte abzustimmen. Zur Wahl gingen nur knapp 6 Prozent der Einwohner – 54,5 Prozent stimmten nach vorläufigem Endergebnis dafür, die Parkgebühren für SUV auf 18 Euro in der Stunde zu erhöhen, 45,5 Prozent dagegen.

Vor allem im Umland dürfte das für Kritik und schlechte Stimmung sorgen: Betroffen seien schließlich vor allem jene, die von außerhalb in die Hauptstadt fahren – und kein Wahlrecht haben, lautete die Kritik schon vorab.


Was steht an?

Der neue französische Premierminister Gabriel Attal besucht auf seiner ersten Auslandsreise Kanzler Olaf Scholz (SPD). Um 18 Uhr empfängt Scholz ihn in Berlin, im Anschluss wird es eine Pressekonferenz geben.


Zuvor kommt Scholz mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, und mit Vertretern von Migrantenorganisationen zusammen. Auch hier dürfte es um die AfD gehen – und um Scholz' eigene Position mit Blick auf den Rechtsruck in Deutschland.


Seit drei Jahren streiten sich der Rapper Bushido und der Berliner Clan-Chef Arafat Abou-Chaker vor Gericht. Es geht um Vorwürfe wie Freiheitsberaubung, Erpressung, gefährliche Körperverletzung. Das Landgericht Berlin wird heute um 15 Uhr ein Urteil verkünden.


Was lesen?

Ihre Vorfahren kämpften gegen die Nationalsozialisten – und ließen dabei allzu oft ihr Leben. Nun rufen mehr als 280 Nachfahren von Widerstandskämpfern dazu auf, "der neuen Rechte in unserem Land und europaweit die Stirn zu bieten". Mehr über den Appell und seine Unterzeichner erfahren Sie hier bei den Kollegen der Berliner Morgenpost.


Die Ampel ist unbeliebt, die Wirtschaft schwächelt und die AfD ist stark. Was läuft da gerade schief? Mein Kollege Johannes Bebermeier sprach mit einem, der es wissen müsste: Robert Habecks Staatssekretär Michael Kellner.


Seit Wochen protestieren Fans in den Stadien gegen Investoren in der Bundesliga. Sie sorgen für Spielunterbrechungen, sie nerven – und handeln doch nur konsequent, kommentiert mein Kollege Noah Platschko.


Ohrenschmaus

Was Rechtsextreme fast immer ärgert: gleiche Rechte für Minderheiten, vor allem für Schwule und Lesben. Mit diesem Powersong setzte sich die Band Gossip 2005 für sie ein, hier können Sie ihn hören.


Zum Schluss

Sehnsucht nach den Klimaklebern am Montagmorgen:

Ich wünsche Ihnen einen fantastischen Start in die Woche. Morgen begleitet Sie Florian Harms wieder in den Tag.

Herzlichst,

Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
X: @AnnLei1

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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