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AfD und Identitäre Bewegung: So rekrutieren die Rechten Nachwuchs


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Rechtsextreme Organisationen
Hier rekrutiert die AfD ihren Nachwuchs


04.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Burschenschafter am Burschenschaftsdenkmal südöstlich von Eisenach: Viele Anhänger besonders rechter Burschenschaften sympathisieren mit der AfD. (Quelle: imago stock&people)

Die AfD will immer mehr politischen Einfluss gewinnen. Doch um politisch zu wachsen, braucht sie Nachwuchs. Ein Blick ins sogenannte Vorfeld der Partei.

Seit ihrer Gründung im Februar 2013 hat sich die Alternative für Deutschland (AfD) deutlich nach rechts außen bewegt. Überwogen anfangs noch euroskeptische und liberalkonservative Überzeugungen, hat sich die AfD mittlerweile zu einer teils rechtsextremen Partei mit völkischen Ausprägungen entwickelt.

Einen bedeutenden Anteil an dieser Wandlung trägt das sogenannte Vorfeld, aus dem die AfD einen großen Teil ihres Nachwuchses rekrutiert und das die Partei dabei unweigerlich weiter nach rechts treibt. Denn das "Vorfeld" der Partei besteht hauptsächlich aus rechtsextremen Organisationen, die mit ihren radikalen politischen Ansichten Themen innerhalb der AfD setzen wollen.

Aber was ist überhaupt dieses "Vorfeld"? Welche Organisationen gehören ihm an? Und welche Personen aus dem "Vorfeld" der AfD könnten in den kommenden Jahren Posten in der Partei übernehmen?

Das "Vorfeld" als neurechte Theorie

Mit dem Begriff Vorfeld werden Vordenker der sogenannten "Neuen Rechten" bezeichnet, unter anderem der Verleger Götz Kubitschek und sein Protegé Benedikt Kaiser sowie meist rechtsextreme Organisationen, Zeitschriften und Aktionsgruppen. Also Gruppen, die explizit kein Teil der AfD sind, ideologisch allerdings im gleichen Umfeld wie die radikalsten Köpfe der Partei angesiedelt sind – unter ihnen Thüringens Landeschef Björn Höcke und der Europaabgeordnete Maximilian Krah.

In einem Beitrag für die rechtsextreme Zeitschrift "Sezession" bezeichnet Benedikt Kaiser diese "Vorfeld"-Organisationen als Teil der "Mosaik-Rechten". Demnach müsse es "künftig eine kämpfende und eine regierende politische Rechte" geben. Dabei versteht Kaiser das "Vorfeld", also kleine, besonders extreme Organisationen wie die "Identitäre Bewegung" oder Burschenschaften, als eine Bewegung. Die "Neue Rechte", zu der er sich selbst und Autoren wie Martin Sellner oder Götz Kubitschek zählt, sieht er innerhalb dieser Bewegung als intellektuelle Avantgarde. Mehr zum rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek lesen Sie hier.

Als Gegenstück zur "Bewegungsrechten" – die im allgemeinen Sprachgebrauch eher Neonazis sind – sieht Kaiser die AfD im Bundestag und in den Landesparlamenten. Diese hat seiner Auffassung nach den Auftrag, die Ideen des "Vorfelds" als "übergroßen Baustein" in dem von ihm entworfenen Mosaik umzusetzen. Der Rechtsextremismusforscher Helmut Kellershohn schreibt in einem Beitrag für das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, die AfD solle laut Kaiser die Ideen der sich in Bewegungen manifestierenden, rechtsextremen "Basis" in Gesetzesvorlagen umwandeln und diesen Ideen Bekanntheit verschaffen.

Video | Es kam zu Großdemonstrationen gegen Rechts
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Quelle: reuters

Rechtsextreme Burschenschaften als Kaderschmiede

Wer aber sind diese kleinen Organisationen, die Kaiser zum "Vorfeld" der AfD zählt – und deren Mitglieder oft selbst Posten im Umkreis von AfD-Abgeordneten einnehmen? Dazu zählen Burschenschaften, die sich unter dem Dachverband der Deutschen Burschenschaft als Kaderschmiede für die AfD anbieten. Insbesondere die Marburger Burschenschaft Germania tut sich als Karrieresprungbrett hervor. Torben Braga, Landtagsabgeordneter der Thüringer AfD, ist "Alter Herr", also ehemaliges aktives Mitglied der Burschenschaft. Zahlreiche weitere "Alte Herren" der Germania arbeiten im Umfeld der AfD, etwa bei der Friedrich-Friesen-Stiftung.

Die Germania zu Marburg hat sehr gute Verbindungen in die "Neue Rechte". Das liegt an ihrem äußerst umtriebigen "Alten Herren" Philip Stein, der ein perfektes Beispiel für die von Benedikt Kaiser beschworene "Mosaik-Rechte" darstellt. Stein verlegt als Kopf des "Jungeuropa-Verlags" die Bücher rechtsextremer Autoren und leitet den Verein "Ein Prozent".

"Ein Prozent": Schnittstelle zwischen AfD und Identitären

Diesen Verein gründete Philipp Stein aber nicht allein. Mitgründer sind Götz Kubitscheks Institut für Staatspolitik, das der "intellektuellen Rechten" eine Heimat geben will, das rechtsextreme "Compact"-Magazin des Verlegers Jürgen Elsäßer und der stellvertretende Vorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider.

Der Verfassungsschutz ordnet "Ein Prozent" seit 2023 als gesichert rechtsextrem ein. Insbesondere die personelle und ideologische Nähe zur sogenannten "Identitären Bewegung" hebt die Behörde hervor. Die "Identitäre Bewegung" steht zwar auf einer Unvereinbarkeitsliste der AfD, das bedeutet praktisch allerdings wenig bis nichts.

Viele Verbindungen in NRW

Bei dem von dem Recherchenetzwerk "Correctiv" aufgedeckten Treffen zwischen AfD und Rechtsextremen im November 2023 war auch Martin Sellner, der Kopf der "Identitären Bewegung" in Deutschland und Österreich, zu Gast. Auch beim jüngst bekannt gewordenen Treffen von AfD-Abgeordneten mit Rechtsextremen im bayrischen Dasing waren laut "Süddeutscher Zeitung" neben Martin Sellner weitere Mitglieder der "Identitären Bewegung" zu Gast. Organisiert haben soll das Treffen der Verein "Reconquista21", der ebenfalls zum Umfeld der "Identitären Bewegung" gehört.

Die hier aufgezeigten Beispiele sind nur ein Bruchteil der Verbindungen zwischen dem rechtsextremen "Vorfeld" und der AfD. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen gibt es viele weitere Überschneidungen innerhalb der von Benedikt Kaiser beschworenen "Mosaik-Rechten". So hielt der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp im Jahr 2018 einen Vortrag in einem Haus in Halle, das von der "Identitären Bewegung" genutzt wurde und in dem sein AfD-Kollege Tillschneider ein Büro betrieb. Als der WDR die Verbindung enthüllte, erklärte die AfD-Fraktion in NRW, zu der Beckamp gehört, der Abgeordnete habe sich dort als Dokumentarfilmer aufgehalten und distanziere sich von den Rechtsextremen.

Machtkämpfe in der Partei sind vorprogrammiert

Auch die AfD-Kommunalpolitikerin Irmhild Boßdorf aus dem Rhein-Sieg-Kreis steht ideologisch in der Nähe der "Neuen Rechten" und bezieht sich immer wieder auf die Verschwörungserzählung des sogenannten "Großen Austauschs", die von einem angeblichen Bevölkerungstausch der "weißen Ureuropäer" durch Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika fabuliert. Boßdorfs Tochter Reinhild gehörte lange der "Identitären Bewegung" an, die Amadeu Antonio Stiftung führte sie als eines der weiblichen Gesichter der Bewegung in Deutschland. Mittlerweile gehört Reinhild Boßdorf zum Verein "Lukreta" – einer weiteren Vorfeldorganisation der "Mosaik-Rechten", in dem Frauen aus dem Umfeld von AfD und "Identitärer Bewegung" organisiert sind.

Personelle Überschneidungen zwischen AfD und dem sogenannten Vorfeld sind also keinesfalls selten. Allerdings findet nicht jeder AfD-Politiker die Kooperation innerhalb der "Mosaik"-Linken gut, schreibt Helmut Kellershohn in seinem oben zitierten Aufsatz. Deshalb seien auch in Zukunft Machtkämpfe zwischen Politikern, die in der AfD eine eher konservative Heimat sehen, und denen, die eine weitere Verzahnung mit der "Neuen Rechten" um Götz Kubitschek und Martin Sellner anstreben, vorprogrammiert.

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