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Heizungsgesetz? Nicht das Problem: Superreiche sind die wahren Klimasünder


Meinung
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Tagesanbruch
Das nächste Verbot

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 06.06.2023Lesedauer: 6 Min.
Privatjet nach dem Start auf dem Flughafen Dortmund-Wickede.Vergrößern des Bildes
Privatjet nach dem Start auf dem Flughafen Dortmund-Wickede. (Quelle: imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die Sonne scheint, der Sommerurlaub rückt näher, höchste Zeit für Reisepläne! Also, als Erstes geht es mal nach Sylt. Anschließend an den Bodensee. Zwischendrin ein Abstecher zur Modemesse in Düsseldorf. Dann das Wellness-Wochenende im Chiemgau. Ein bisschen Segeln auf der Hamburger Alster. Und weil es so schön schnell geht, reisen wir dabei im Privatjet: Schwups, schon sind wir da, toll!

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Ist der Harms jetzt übergeschnappt, fragen Sie sich wohl spätestens jetzt. Ich kann Sie beruhigen: Ist er nicht. Er versucht sich nur in die Haut anderer Leute hineinzuversetzen, denn das soll man ja als empathischer Kommentator des Zeitgeschehens. Allerdings nicht irgendwelcher Leute. Sondern jener Gutbegüterten, die ein Privatflugzeug besitzen und damit fröhlich durch die Republik und um die Welt jetten.

Das sind natürlich nur sehr wenige, schon klar. Aber sie verursachen ein großes Problem, das auch auf der gegenwärtigen Klimakonferenz in Bonn im Fokus steht: Privatjets stoßen überproportional viel Kohlendioxid aus – und die Zahl der Kleinflugzeuge wächst rasant. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace und die Kollegen der "Süddeutschen Zeitung" haben die Fakten kürzlich zusammengetragen. Demnach verzeichnete die deutsche Flugsicherung im vergangenen Jahr die Rekordzahl von 94.000 Starts privater Flüge. Damit liegt Deutschland in Europa nach Großbritannien und Frankreich auf Platz drei. Durchschnittlich alle neun Minuten hebt hierzulande ein Privatjet ab, berichtet meine Kollegin Theresa Crysmann.

Die häufigsten Strecken sind: Berlin-Köln, Berlin-London und München-London. Aber auch die Verbindungen Hamburg-Sylt, Berlin-München, Oberpfaffenhofen-Augsburg und – ja, tatsächlich – Düsseldorf-Essen werden gern geflogen. Dabei gibt es für letztere sogar eine S-Bahn. Fast drei Viertel aller in Deutschland abhebenden Flugzeuge legt eine Strecke kürzer als 500 Kilometer zurück.

Fliegen ist ohnehin schlecht fürs Weltklima – aber die Privatfliegerei ist es erst recht. Deren Passagiere verursachen pro Kopf einen überproportional hohen CO2-Ausstoß. Vor allem, wenn sie der Bequemlichkeit halber nur mal eben von einer Stadt in die nächste hüpfen: Starts und Landungen blasen besonders viele Emissionen in die Luft.

Es kommt noch dicker: Anders als Autobenzin ist Kerosin in Europa bislang steuerfrei. Die Klimaschäden werden also auch noch subventioniert. Frau von der Leyen will das mit ihrer EU-Kommission ändern – aber frühestens ab nächstem Jahr und allenfalls schrittweise über die kommenden zehn Jahre gestreckt und überhaupt: Noch gibt es keine Einigung mit dem Europaparlament. Man will ja niemandem wehtun.

Der eigenen Klientel zum Beispiel. Leuten wie Charles Michel: Der Präsident des Europäischen Rates vertritt die Mitgliedsstaaten gegenüber der Kommission und nutzt offenbar geradezu exzessiv Privatjets – auch dafür, um zu Klimaschutzgipfeln zu fliegen, was so absurd ist, wie es klingt. Oder CDU-Chef Friedrich Merz, der seiner Partei ein attraktiveres Profil verpassen will und dabei auch auf den Klimaschutz setzt: Auch er flitzt gern in seinem Privatflugzeug von A nach B, wenngleich einer Propellermaschine. "Während Superreiche mit Privatjets fliegen, als gäbe es kein Morgen, leiden ärmere Menschen aus dem globalen Süden am stärksten unter den Konsequenzen der Klimakrise", sagt die Greenpeace-Expertin Lena Donat. "Klimaschädliche Privatjets sind die rücksichtsloseste Form der Mobilität. Sie gehören verboten."

Die Fakten sprechen für sich. Einer Analyse der Umweltorganisation Transport and Environment zufolge sind die reichsten ein Prozent aller Erdenbürger für 50 Prozent aller Klimaschäden durch den Luftverkehr verantwortlich. Dabei könnten sie auch anders reisen: Auf den meisten beliebten Jet-Strecken gibt es auch Schnellzugverbindungen.

Derzeit wird ja viel über die hohen Umfragewerte für die AfD gerätselt. Ich sage es mal so: Hätten mehr Bürger den Eindruck, dass die Klimapolitik sich nicht nur darin erschöpft, ihnen halbgare Heizungsgesetze aufzunötigen, sondern wirklich die größten Hebel angepackt werden, müssten wir wohl nicht so viel über Extremisten reden.


Trainierter Gegenschlag

Während in Bonn internationale Delegierte die Weltklimakonferenz in Dubai vorbereiten, wird hier noch mal so richtig Kerosin verbrannt: Vom 12. bis zum 23. Juni findet im deutschen Luftraum das Militärmanöver "Air Defender 2023" statt, die größte Verlege-Übung von Luftstreitkräften in der Geschichte der Nato. 25 Länder mit rund 10.000 Soldaten nehmen teil; etwa 250 Flugzeuge sollen zum Einsatz kommen, darunter 70 Maschinen der Bundeswehr.

Auf dem Trainingsplan steht die "Reaktions- und Handlungsfähigkeit" bei folgendem Szenario: Die Nato-Staaten sind in einen Konflikt mit dem fiktiven östlichen Militärbündnis "Occasus" geraten. Dieses hält – unterstützt von den Spezialkräften der Organisation "Brückner" – bereits ein Viertel Deutschlands besetzt, versucht nach Norden zur Ostsee vorzustoßen und den strategisch wichtigen Rostocker Hafen in Besitz zu nehmen. Die Folge: Das westliche Bündnis löst den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrags aus, Deutschland bittet die Partner um Hilfe, um den Feind zurückzuschlagen.

Heute sind dazu zwei Pressetermine angesetzt: Im rheinland-pfälzischen Ramstein-Miesenbach wird eine militärmedizinische Übung vorgestellt. Und im niedersächsischen Wunstorf nimmt ein Feldtanklager den Betrieb auf; präsentiert wird die Befüllung eines A400M-Transportflugzeugs. Das Fassungsvermögen des Kraftstoffspeichers: 2,4 Millionen Liter Kerosin.

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Putin schlägt noch mal zu

Seit mehr als zwei Jahren sitzt Alexej Nawalny im Gefängnis: Immer wieder wird der prominenteste Kritiker von Wladimir Putin in eine zwei mal drei Meter kleine Isolationszelle gesperrt. Verurteilt wurde er bislang zu neun Jahren Haft. Das aber reicht dem Diktator im Kreml nicht. Deswegen beginnt heute in Russland ein neuer Strafprozess gegen den 47-jährigen Oppositionellen. Diesmal geht es unter anderem um den Vorwurf "Extremismus". Dabei drohen Nawalny weitere 30 Jahre Straflager. Wie er darauf reagiert, berichtet meine Kollegin Clara Lipkowski.

Gleichzeitig entscheidet heute der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg über eine Klage Nawalnys. Darin kritisiert er, dass die russischen Behörden keine Ermittlungen wegen der Vergiftung angestrengt hätten, wodurch sein Recht auf Leben und einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt worden sei. Doch selbst wenn ihm das Gericht einmal mehr den Rücken stärkt, nützt ihm das unmittelbar wenig: Russland erkennt die Urteile nicht mehr an.


Rendezvous in Potsdam

Gerade mal vier Tage ist es her, dass sie sich beim Europa-Gipfel in Moldau getroffen haben, aber die beiden meinen es offensichtlich ernst mit der angekündigten Charme-Offensive: Heute empfängt Kanzler Olaf Scholz den französischen Staatschef Emmanuel Macron zum Abendessen. Und zwar nicht in Berlin, sondern – eine Premiere in seiner 18-monatigen Regierungszeit – an seinem Wohnort in Potsdam. Bereits Anfang Juli wird Monsieur Macron erneut in Deutschland weilen, dann zu einem dreitägigen Staatsbesuch nebst Bankett auf Einladung von Bundespräsident Steinmeier. Da wäre man gern dabei.


Bild des Tages

Als schwäbischer Fußballfreund hatte man in den vergangenen Jahren nicht viel zu lachen. Umso schöner war der gestrige Sommerabend im Hamburger Volkspark: 3:1 hieß es am Ende für den VfB Stuttgart im Rückspiel der Relegation; damit bleiben die Schwaben in der 1. Bundesliga, während der HSV wieder mal nur in der 2. Liga kicken darf. Dabei waren die Hamburger sogar besser – aber wie so oft in dieser schönen Stadt, in der sich auch Schwaben pudelwohl fühlen, reichte das Bessersein nicht zum Erfolg. Schwamm drüber, Erfolg ist, wenn man trotzdem lacht!

Das neuerliche Aufstiegsdrama des HSV mag vielleicht daran liegen, dass sich der Klub immer noch mit der Realität im Bundesliga-Unterhaus schwertut. Das Team, aber auch die Verantwortlichen brauchen deshalb dringend einen Mentalitätswechsel, wie mein Kollege William Laing schreibt.


Ohrenschmaus

Wie die Zeit vergeht! 60 Jahre ist es diese Woche her, dass die Herren Jones, Jagger, Richards, Watts and Wyman ihre erste Single veröffentlichten. Selbst wer eher auf moderne Ufftata-Musik steht, muss einräumen: Damals war mehr Wumms!


Lesetipps

Bedroht künstliche Intelligenz die Menschheit? Meredith Whittaker arbeitete lange bei Google. Im Interview mit meinem Kollegen Peter Schink wählt sie drastische Worte.


Die Kämpfe in der Ukraine nehmen zu, die ukrainische Armee rückt im Osten vor. Hat die große Gegenoffensive schon begonnen? Meine Kollegen Clara Lipkowski und Patrick Diekmann ordnen die Lage ein.


SPD und Grüne stürzen in den Umfragen ab, die AfD legt zu. Diesen Warnschuss muss der Kanzler hören, schreibt unser Kolumnist Gerhard Spörl.


Massive Vorwürfe gegen Sänger Till Lindemann bringen Rammstein in Verruf. Mein Kollege Steven Sowa erklärt Ihnen, warum die Band vor dem Aus stehen könnte.


Zum Schluss

Auch Konzernchefs stehen vor Herausforderungen.

Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Tag. Morgen schreibt Tim Kummert den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Donnerstag wieder.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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