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Ukraine-Krieg | Schwere Kämpfe gemeldet: Jetzt beginnt die ukrainische Gegenoffensive


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Großoffensive der Ukraine
Es beginnt


Aktualisiert am 05.06.2023Lesedauer: 6 Min.
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Start der Gegenoffensive? Drohnenaufnahmen sollen einen Großangriff der ukrainischen Streitkräfte südlich von Donezk zeigen. (Quelle: t-online)
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Die Kampfaktivitäten in der Ukraine nehmen rasant zu. Die ukrainische Armee rückt im Osten vor. Hat die große Gegenoffensive schon begonnen? Ein Überblick.

Es ist ein großes Verwirrspiel. Das ukrainische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Sonntag ein Video, in dem sich viele ukrainische Soldaten Zeigefinger vor ihre Münder halten. "Pläne lieben das Schweigen", heißt es darin. "Es wird keine Ankündigung über den Start geben."

Gemeint ist natürlich die erwartete ukrainische Gegenoffensive. Möchte Kiew die russische Armee mit dem Video unter Druck setzen – oder ist es eine versteckte Botschaft über den Beginn des Großangriffs?

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Fest steht: Seit Sonntag haben sich die Kampfhandlungen im Krieg in der Ukraine rasant intensiviert. In der Region Donezk rücken ukrainische Truppen vor, aber auch in der ukrainisch-russischen Grenzregion um die Stadt Belgorod gibt es heftige Kämpfe und ukrainische Drohnen attackieren Ziele auf der Krim.

Die wichtigsten Fragen zur ukrainischen Gegenoffensive im Überblick:

Hat die Gegenoffensive schon begonnen?

Das lässt sich nicht zweifelsfrei beantworten. Die Ukraine hat am Montag "offensive Aktionen" in einigen Frontabschnitten bestätigt und Geländegewinne nahe der zerstörten Stadt Bachmut im Osten des Landes bekannt gegeben. "In einigen Sektoren führen wir offensive Aktionen aus", erklärte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar im Onlinedienst Telegram. Das Gebiet rund um Bachmut bleibe "das Zentrum der Kämpfe" und dort verzeichne die Ukraine Erfolge, fügte sie hinzu.

Es gibt jedoch eigentlich keinen genauen Startzeitpunkt für die Großoffensive, denn schon seit Wochen hat die Ukraine mit ersten Attacken ihre Offensive vorbereitet. Nun ist noch immer unklar, mit welcher Intensität die Ukraine aktuell angreift. Die Offensive laufe schon seit Tagen, sagte unlängst der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, in einem Interview mit dem italienischen Fernsehen. "Dies ist ein intensiver Krieg entlang einer Grenze von 1.500 Kilometern, unsere Aktionen haben bereits begonnen."

Für die Ukraine steht dabei im Mittelpunkt, Schwachstellen in der russischen Front auszutesten und russische Truppen zum Beispiel im Norden oder auf der Krim zu binden. "Es geht aktuell darum, die russischen Truppen zur militärischen Verstärkung bestimmter Streifen zu zwingen", erklärte der Militärexperte Gustav Gressel im Gespräch mit t-online am Freitag. "Die Ukraine möchte dafür sorgen, dass die russischen Reserven an falschen Stellen geparkt sind, bevor die Gegenoffensive beginnt." Aber vieles deute darauf hin, dass es bald losgehen werde, meinte Gressel.

In der Tat haben die Kämpfe und der Artilleriebeschuss in den vergangenen Tagen stark zugenommen. Bestätigt sind vermehrte Kampfhandlungen bei Sjewjerodonezk, Bachmut und südwestlich von Donezk. Auch in der Region um die russische Grenzstadt Belgorod gibt es erbitterte Kämpfe. Dort sollen russische und polnische Freiwilligenverbände kämpfen, die auf der Seite der Ukraine stehen.

"In der Region Belgorod steht eine der Energieanlagen in Flammen. Die vorläufige Brandursache war ein Sprengsatz, der von einer Drohne abgeworfen wurde", schreibt der russische Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram. "Es gab keine Verletzten."

Mindestens Vorboten eine Offensive

Darüber hinaus gibt es ukrainische Raketen- und Drohnenangriffe, um russische Versorgungslinien zu stören, oder Sabotageakte ukrainischer Partisanen in russisch besetzten Gebieten. Die aktuellen Kampfhandlungen sind also zumindest die Vorboten einer Offensive. Doch noch gibt es keine verlässlichen Informationen darüber, wie groß angelegt die ukrainischen Angriffe an der Front sind.

"Wir sind bereit für die Gegenoffensive", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dem "Wall Street Journal" am Samstag. "Wir hätten gerne noch einige Dinge, können aber nicht monatelang warten. Wir glauben wirklich an den Erfolg. Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir wirklich brauchen."

Damit scheint zumindest eines klar zu sein: Es geht jetzt langsam los.

Die ukrainische Armee muss ihre Gegenoffensive auch deshalb bald beginnen, weil im Sommer die Witterungsverhältnisse für einen Angriff mit motorisierten Verbänden am günstigsten sind. Kiew hat gewartet, bis möglichst viele westliche Waffen, Panzer und vor allem auch Artilleriemunition im Land sind. Die kleineren Angriffe der Ukraine, das Abtasten einiger Frontabschnitte – diese Vorgänge sind wohl die erste Phase der Offensive.

Wo sind Militäraktionen denkbar – welche Regionen stehen im Fokus?

Einen Schwerpunkt der Gegenoffensive erwarten Experten in der Oblast Saporischschja. Das ergibt strategisch Sinn, denn sollte die ukrainische Armee perspektivisch an das Asowsche Meer vorstoßen, stünde Kremlchef Wladimir Putin vor einem militärischen und ideologischen Dilemma. Plötzlich müsste sich Russland Gedanken über die Verteidigung und Versorgung der Krim machen, wenn die Krim-Brücke in Reichweite ukrainischer Raketensysteme geriete.

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In der Tat bestätigen ukrainische, russische und internationale Beobachter, dass ein Schwerpunkt der gegenwärtigen Kämpfe die Stadt Nowodarjiwka westlich von Donezk sein soll. Die Stadt ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt auf dem Weg nach Mariupol.

Kiew steht vor dem Beginn der Großoffensive unter Druck. "Die Ukraine will sich beweisen und zeigen, dass die westlichen Lieferungen von Kampf- und Schützenpanzern effektiv sind", sagte Gressel. "Kiew möchte mit Blick auf die Zukunft weitere Unterstützung aus dem Westen rechtfertigen. Das erzeugt einen gewissen Erwartungsdruck." Da die ukrainische Armee aktuell lediglich Reserven für eine und nicht mehrere Gegenoffensiven hat, muss sie allerdings sehr vorsichtig vorgehen.

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Es geht aber auch viel um Täuschung und den Moment der Überraschung. Das primäre Ziel der Ukraine ist ein Durchbruch. Dieser würde die russischen Verbände auf breiter Front zum Rückzug zwingen, damit sie nicht Gefahr laufen, eingekesselt zu werden. Nach einer gewissen Anzahl von Scheinangriffen oder kleinerer Vorstöße werden die ukrainischen Truppen deshalb dort vorrücken, wo sie die russischen Verteidigungslinien am leichtesten überwinden können.

Die Ukraine hat etwa in Bachmut oder Mariupol bewiesen, dass sie sehr erfolgreich Gelände verteidigen kann. Als Angreifer aber sind sie im Nachteil. Der Kreml hatte mehrere Monate Zeit, um sich auf diesen Angriff vorzubereiten.

Wie reagiert Russland?

Russland geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Großoffensive bereits gestartet ist. In der Nacht auf Montag behauptete ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Russland habe entsprechende ukrainische Versuche im Süden der Region Donezk bereits vereitelt.

Mehr als 900 Ukrainer seien an allen Frontabschnitten binnen 24 Stunden gefallen, teilte Armeesprecher Igor Konaschenkow am Montag in Moskau mit. Allerdings wecken Berichte von russischen Offizieren an der Front Zweifel an diesen Zahlen. Kiew bestätigte die Verluste zunächst nicht und sprach von einer Desinformationskampagne, um die Ukrainer zu demoralisieren. Unabhängig lassen sich derartige Angaben zumeist nicht überprüfen.

"Der Feind hat seine gesteckten Ziele nicht erreicht", sagte Sprecher Konaschenkow. Allein an zwei Orten an der Front habe das ukrainische Militär 300 Soldaten verloren, behauptete er und sprach von insgesamt mehr als 900 toten Ukrainern. Der Feind habe seine Ziele nicht erreicht.

Das russische Ministerium veröffentlichte auch ein Video, das nach eigenen Angaben mehrere ukrainische Panzerfahrzeuge zeigt, die nach Beschuss auf einem Feld explodieren. Unabhängig prüfen lassen sich diese Informationen nicht.

Was ist dran an Russlands Behauptung, die Offensive sei schon gestoppt?

Der russische Feldkommandeur Alexander Chodakowski hat den Moskauer Erfolgsmeldungen widersprochen. Bisher werde der Feind "von Erfolg begleitet", schrieb Chodakowski auf seinem Telegram-Kanal. Seiner Darstellung nach handelt es sich bei den Angriffen westlich von Wuhledar um eine begrenzte taktische Operation der Ukrainer.

Chodakowski leitete seit 2014 die Brigade "Wostok" der Separatisten im Donbass-Gebiet. Seine Einheiten wurden nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine in die russische Nationalgarde eingegliedert.

Zunächst hätten die ukrainischen Truppen den Eindruck erweckt, den Druck auf den Frontabschnitt Welika Nowosilka zu verstärken, wo ihnen am Sonntag bereits ein Durchbruch gelungen sei. Währenddessen sei ein Stoßtrupp fast unbemerkt weiter östlich bei der Ortschaft Nowodonezke vorgedrungen. "Traditionell den Funkverkehr störend, ist es dem Feind gelungen, uns in eine schwierige Lage zu bringen", schrieb Chodakowski. Die Lage sei im Fluss.

Zugleich räumte der Chef der russischen Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, nun Geländegewinne der ukrainischen Streitkräfte in der Nähe von Bachmut ein. Ukrainische Truppen hätten einen Teil der Siedlung Berchiwka nördlich der erst kürzlich von russischen Einheiten eingenommenen Stadt in der Ostukraine zurückerobert, teilte Prigoschin mit. Der Chef der für ihre Brutalität berüchtigten Wagner-Truppen bezeichnet dies als eine "Schande".

Was sagt das ukrainische Militär zu den jüngsten Gefechten?

Von Kiewer Seite wurden diese Berichte bislang nicht bestätigt oder kommentiert. Der Lagebericht des ukrainischen Generalstabs vermerkte am Montag keine besonderen Aktivitäten in der Region. Dort hieß es lediglich, dass Wuhledar und die anliegenden Ortschaften von russischer Seite beschossen worden seien.

Die Ukraine hält sich in der Regel mit Kommentaren zum Frontgeschehen aus taktischen und strategischen Gründen zurück. Auch ukrainische Zeitungen wie der "Kyiv Independent" meldeten zunächst keine Großoffensive oder mögliche Rückschläge. Die "Kyiv Post" verwies darauf, dass russische Kräfte ihre Kämpfe verteidigt hätten und zitiert einen Armeevertreter, der vor Fake-News warnt.

Der Kommandeur der Bodentruppen, Olexandr Syrskji, vermeldete lediglich, dass das ukrainische Militär in der Nähe von Bachmut weiter vorgerückt sei. Den Streitkräften sei es gelungen, eine russische Stellung in der Nähe der Stadt zu zerstören, schrieb Syrskji auf Telegram. "Wir rücken weiter vor."

Auf Angaben des russischen Verteidigungsministeriums, die eigenen Truppen hätten eine ukrainische Großoffensive im Süden von Donezk vereitelt, ging auch Syrskji nicht ein.

Verwendete Quellen
  • kyivpost.com: "EXPLAINED: Russia Claims to Have Repelled ‘Large-Scale Ukrainian Offensive’, Rumors of Counteroffensive Swirl" (englisch)
  • kyivindependent.com: "Ukraine war latest: Zelensky says Ukraine ready for counteroffensive; Russian attack near Dnipro kills 2-year-old" (englisch)
  • Gespräch mit Gustav Gressel
  • understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, June 4, 2023 (englisch)
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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