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EU-Besuch in China: Macrons und von der Leyens heikler Balanceakt bei Xi


Meinung
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Tagesanbruch
Goliath wankt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.04.2023Lesedauer: 6 Min.
Chinas Diktator Xi Jinping sucht seinen Kurs.Vergrößern des Bildes
Chinas Diktator Xi Jinping sucht seinen Kurs. (Quelle: Imago Images)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es gibt tröstliche Geschichten, in denen die Kleinen sich mit den Großen anlegen und aus dem Kräftemessen siegreich hervorgehen. Ein Riese mit "einem ehernen Helm auf seinem Haupt und einem Schuppenpanzer an, und das Gewicht seines Panzers war fünftausend Lot Erz": So einer versetzte seine Gegner natürlich in Entsetzen. Aber ein unerschrockener Winzling, der mit Schwert und Rüstung nicht einmal ein paar Schritte laufen konnte, brachte den Koloss trotzdem zur Strecke. David gegen Goliath ist eine der Bibelgeschichten, die fast jeder kennt. Sie ist auch deshalb so populär, weil sie den üblichen Gang der Dinge auf den Kopf stellt. Normalerweise geht das Ringen der Schwachen gegen die Starken nämlich andersrum aus.

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Heute treffen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der französische Präsident Emmanuel Macron in China ein, um mit Präsident Xi Jinping schwierige Themen zu verhandeln. Schon auf den ersten Blick scheint klar zu sein, wer bei diesem Treffen der Riese ist und welche Winzlinge in Peking über ihre eigene Rüstung stolpern werden. Die gemeinsame Reise des europäisch-französischen Duos soll eigentlich die Einigkeit der EU-Chefs demonstrieren – doch deren Signale münden schon vor der Ankunft in eine Kakofonie.

Die Kommissionspräsidentin ging in einer Grundsatzrede vergangene Woche mit China hart ins Gericht. Sie warf dem Regime eine Politik der Einschüchterung vor: gegenüber seinen Nachbarländern, gegenüber den EU-Staaten, gegenüber Europa-Abgeordneten und kritischen Stimmen in aller Welt. Von der Leyen prangerte die brutale Unterdrückung der Uiguren an, brandmarkte Xis Schulterschluss mit Putin trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine. All das soll Konsequenzen haben. Die Art und das Ausmaß der Zusammenarbeit mit China würden von der weiteren Entwicklung in diesen Fragen abhängen: soweit die eiserne Lady, die heute in Peking aus dem Flieger steigt.

Und ihr Begleiter, der galante Monsieur Macron? Reist mit Vertretern von Konzernen zum Geschäftemachen an.

Die europäische Position gegenüber China gleicht also einem Gemischtwarenladen. Aber immerhin ist sie nicht so konzeptlos, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Die europäische Doppelspitze muss einen heiklen Balanceakt vollführen. Von China entkoppeln könne man sich nicht, hat auch die Kommissionspräsidentin eingestanden. Zu eng sind die wirtschaftlichen Verbindungen, zu groß ist die Abhängigkeit bei wichtigen Rohstoffen – zum Beispiel bei den "seltenen Erden", die so selten zwar gar nicht sind, aber trotzdem überwiegend aus China zu uns kommen. Akkus für die Energiewende brauchen wir von dort, Großkonzerne (und Groß-Arbeitgeber) wie VW und BASF kommen ohne den Absatzmarkt China nicht aus. Zwar will die EU diese Abhängigkeit verringern, aber das dauert Jahre. Bis dahin ist es mit dem markigen Auftreten so eine Sache.

Spätestens an dieser Stelle ist es allerdings höchste Zeit, dem Riesen Goliath mal unter seinen schweren Panzer zu schielen. Denn von außen, aus der Ferne, wirkt eine Diktatur wie die von Xi Jinping übermächtig und unangreifbar. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich aber Rostlöcher in der Rüstung.

Die Kommunistische Partei hat mit dem Volk einen Deal gemacht: Für politische Freiheiten gibt es keinen Raum. An der Spitze steht nur einer, der sagt, wo es langgeht. Aber das geschieht nicht ohne Gegenleistung. Eine Wohlstandsmaschine hat die KP gebaut, mit hohem Wachstum und zunehmendem Wohlstand für fast alle, selbständigem Unternehmertum und schamlosem Reichtum für manche. Doch das Ende der Fahnenstange ist nun erreicht. Keine Wirtschaft wächst auf Dauer rasend schnell. Nur weniger entwickelte Ökonomien tun das, es ist ein Zeichen ihrer Aufholjagd.

Schon länger arbeitet die Partei an einem geeigneten Ersatz für das abflachende Wachstum, um die Bevölkerung des Riesenreichs bei der Stange und die Opposition unter der Knute zu halten. Ideologen und Propagandisten haben deshalb landauf, landab den Nationalismus geschürt, der die Leute von chinesischer Größe träumen und stolz auf die einzigartigen Verdienste ihres Landes schauen lässt. Doch zum Bedauern der Pekinger Bosse hängt auch der Stolz auf die Errungenschaften davon ab, dass es mit den Errungenschaften permanent weiter klappt. Als die Menschen in Massen gegen die drakonischen Corona-Lockdowns auf die Straße gingen, verstummten auch die Hurra-Patrioten in den sozialen Netzwerken. Der von oben geschürte Nationalismus erwies sich als nicht krisenfest.

Nun versucht die Parteiführung, auch an anderer Stelle gegenzusteuern: Um die Selbstbereicherung der Elite zu begrenzen und den Geldsegen des Wirtschaftsbooms gleichmäßiger im Volk zu verteilen, hat sie Schlüsselindustrien wie die Hi-Tech-Branche an die Kette gelegt. Damit hat sie jedoch sowohl ausländische Investoren als auch Chinas Top-Unternehmer verschreckt und die Wirtschaftslage zusätzlich belastet. Chinas Motor ist ins Stocken geraten.

Umso mehr freut sich der Diktator nun auf lukrative Deals mit Partnern aus aller Welt. Der Konfrontationskurs der Amerikaner, die auch verbündete Staaten zur Abkehr von China drängen, kommt Herrn Xi ungelegen. Die europäischen Winzlinge, die aus dem Flieger vor den Goliath treten, haben mit ihrer verschwurbelten Botschaft also durchaus eine Chance – wenn sie die erwartbaren Lippenbekenntnisse des Gastgebers nicht sofort für bare Münze nehmen und als "Politikwechsel" schönreden.

Man braucht sich nämlich beiderseits in Ost und West. Welche Seite bei der Begegnung erfolgreicher ist, liegt am Geschick der Kontrahenten. So sorgen sogar die Kleinen manchmal für eine Überraschung. Wer's nicht glaubt, schaut in die Bibel.


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Zum Schluss

In der deutschen Wirtschaft geht es aufwärts.

Ich wünsche Ihnen einen optimistischen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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