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Cum-Ex-Skandal: Für Olaf Scholz wird es ungemütlich


Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre
Doppel-Wumms gegen den Kanzler


Aktualisiert am 04.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in Sachen Cum-Ex viele Erinnerungslücken. Jetzt soll es einen Untersuchungsausschuss auf Bundesebene geben. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa)

Der Untersuchungsausschuss in Hamburg wurde Olaf Scholz nicht gefährlich. Doch nun will die Union auch im Bundestag ein Gremium einsetzen, das zu seiner Rolle in der Cum-Ex-Affäre ermitteln soll.

Matthias Middelberg glaubt nicht an Erinnerungslücken. Manchmal erinnere man sich nach Treffen an Kleinigkeiten, sagt der stellvertretende Vorsitzende von CDU/CSU im Bundestag am Dienstagmittag vor Berliner Journalisten. Etwa daran, dass der Gesprächspartner "eine grüne Krawatte mit Meerschweinchen drauf" getragen habe. Nur bei Olaf Scholz sei das Erinnerungsvermögen seltsamerweise immer schlechter geworden.

Deshalb will die Union nun einen Untersuchungsausschuss des Bundestags auf den Weg bringen. Von einem "erheblichen Aufklärungsbedarf" spricht Middelberg. Und davon, dass "die Bürger Aufklärung verdient" hätten.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass Christian Olearius eine Meerschweinchen-Krawatte trug, als der Mitgesellschafter der Hamburger Warburg-Bank den damaligen Ersten Bürgermeister der Hansestadt Olaf Scholz traf. Ähnlich unwahrscheinlich ist, dass sich der spätere Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler an konkrete Inhalte der insgesamt offenbar drei Treffen mit Olearius nicht mehr erinnern kann. Zumindest behauptet er das.

Denn hinter den Treffen verbirgt sich einer der größten deutschen Steuerskandale. In der Cum-Ex-Affäre geht es im Kern um Aktiendeals, mit denen sich Banker, Anwälte und Steuerberater jahrelang mehrfach Kapitalertragsteuern vom Staat erstatten ließen, obwohl sie diese Steuer nur einmal gezahlt hatten. Die Hamburger Privatbank MM Warburg war dabei eines von mehreren Instituten, das mit diesen illegalen Geschäften Millionen verdiente.

Die Rolle von Scholz in der Affäre ist relevant, weil sich das Hamburger Finanzamt zunächst um eine Rückzahlung der zu viel erstatteten Steuern bemüht hatte, im November 2016 aber wieder Abstand davon nahm. Just in diesem Zeitraum war es zu mehreren Treffen zwischen Scholz und Olearius gekommen. Gegen den Banker liefen schon damals Ermittlungen wegen schweren Steuerbetrugs. In seinen Tagebüchern vermerkte Olearius zudem, dass ihm Scholz-Vertraute wie der frühere Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs und der ehemalige Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk Hilfe zugesagt hätten.

Eine ideale Vorlage für die CDU

Wer wusste wann was? Und vor allem: Wer sorgte dafür, dass das Hamburger Finanzamt der Warburg-Bank Steuerschulden erließ? Für die CDU sind diese Fragen eine ideale Vorlage. Bereits in Hamburg initiierte sie vor mehr als zwei Jahren einen Untersuchungsausschuss. Der brachte viele Ungereimtheiten ans Licht, aber eben keine Gewissheiten.

Deshalb will die Union nun auf Bundesebene nachlegen. Und kann das auch. Denn nur 25 Prozent der Mitglieder des Bundestages müssen für einen Untersuchungsausschuss stimmen. Die bekommt sogar die zuletzt gebeutelte CDU/CSU-Fraktion noch zusammen. Es gibt also bald zwei Untersuchungsausschüsse. Wenn man so will, eine Art Doppelwumms gegen den Kanzler.

Nur: Was soll in Berlin besser laufen als in Hamburg? Was können Bundestagsabgeordnete herausfinden, das Hamburger Abgeordneten nicht herauszufinden gelungen ist? Womöglich mehr, als auf den ersten Blick realistisch erscheint.

Der bisherige Untersuchungsausschuss habe bloß "eingeschränkte Möglichkeiten", sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann bei dem Pressetermin am Dienstag. So müsse er sich auf die Hamburger Ereignisse beschränken und könne seine Ermittlungen nicht auf andere Bundesländer oder gar den Bund ausdehnen. Zudem sei die Hamburger Bürgerschaft "kein Vollzeitparlament".

Einen dritten Grund ergänzt Middelberg selbst. In Hamburg werde der Arbeitsstab, der die Fragen im Untersuchungsausschuss vorbereite und steuere, von einem SPD-Politiker geleitet. Im Bundestag wird hingegen die Union den Vorsitzenden stellen. Vorgeladen werden sollen unter anderem der frühere Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs und der jetzige Erste Bürgermeister von Hamburg Peter Tschentscher. Eventuell aber auch der heutige Kanzleramtschef und langjährige Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt. Und natürlich der Kanzler selbst.

Dass die Einsetzung des Untersuchungsausschusses nur ein politisches Manöver sei, wird von den Unionsvertretern heftig bestritten. Man habe lange versucht, Scholz auf anderem Weg zur Aufklärung zu bewegen. Etwa bei Fragestunden im Bundestag. Aber nie habe er Antwort gegeben.

"Wir können ihn nicht zu einer Aussage zwingen"

Dabei macht sich CDU-Mann Middelberg keine Illusionen darüber, dass Scholz vor einem Untersuchungsausschuss im Bundestag etwas anderes sagen wird als bisher. "Wir können ihn ja nicht zu einer Aussage zwingen." Doch anders als beim Strafrecht gelte vor einem Untersuchungsausschuss eben nicht der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Am Ende komme es darauf an, wem die Bürger vertrauten.

Genau darin wittert die SPD das eigentliche Motiv für den Untersuchungsausschuss. "Der CDU/CSU geht es nicht um Erkenntnisgewinn, es geht ihr um die Verbreitung längst widerlegter Behauptungen und Unterstellungen", sagte Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD, t-online.

Seit Ende 2020 gebe es den parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg. "Seit über zwei Jahren werden dort Zeugen befragt, Akten gewälzt, alle Details untersucht. Das Ergebnis: Keine der teils böswilligen Unterstellungen hat sich bestätigt." Vielmehr habe die Arbeit des Ausschusses sehr eindrücklich bestätigt: "Es gab keine politische Einflussnahme auf ein Steuerverfahren in Hamburg", so Schrodi.

Ob das Vorhaben der Union auf Bundesebene nur ein politisches Manöver ist, will der Journalist und Cum-Ex-Experte Oliver Schröm nicht bewerten. Er ist aber der Ansicht, dass es im Sinne der Sache der richtige Schritt ist. Es sei bitternötig, die entscheidenden Fragen auf Bundesebene zu klären und sie nicht beim Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zu lassen.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Oliver Hollenstein hat Schröm das Buch "Die Akte Scholz" geschrieben, das sich ausführlich mit dem Cum-Ex-Skandal auseinandersetzt. "Ein möglicher Untersuchungsausschuss im Bundestag hat mehr Wumms als in einem Landesparlament", sagt Schröm und verweist wie die CDU-Abgeordnete Hoppermann darauf, dass die Abgeordneten in Job ihr Mandat nur nebenbei wahrnähmen. Trotz dieser eingeschränkten Verfügbarkeit habe der Ausschuss Anhaltspunkte geliefert, dass beim zwischenzeitlichen Erlass der Steuerschulden der Warburg-Bank nicht alles richtig gelaufen sei.

Bei dem Puzzle, das bereits auf dem Tisch liege, fehlten nur noch wenige Teile, die durch einen Untersuchungsausschuss auf Bundesebene gefunden werden könnten, sagt Schröm. Zumal es nicht mehr allein um die Verwicklung von Scholz in den Skandal gehe, sondern auch um seinen Umgang damit.

Schließlich, so ist der Journalist überzeugt, habe Scholz dem Parlament und der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt. Dieses Urteil von Schröm basiert auf widersprüchlichen Aussagen von Scholz in unterschiedlichen Gremien.

Im April des vergangenen Jahres sagte der Kanzler vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zu einem Treffen mit dem Banker Olearius am 10. November 2017: "Insofern gehe ich davon aus, dass das Treffen stattgefunden haben wird, auch wenn ich daran keine eigenen Erinnerungen habe." Das vertrauliche Sitzungsprotokoll liegt t-online vor.

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Ein Jahr zuvor aber hatte Scholz sich ganz anders geäußert. Bei einer Sitzung des Finanzausschusses des Bundestags am 4. März 2020 antwortete der damalige Finanzminister laut Protokoll auf Nachfrage eines AfD-Abgeordneten zu besagtem Treffen, er habe sich angehört, was Herr Olearius zu diesem und anderen Themen zu sagen gehabt hätte. Mehr sei darüber nicht zu berichten.

"Beim Fall Cum-Ex geht es um mehr als die Erinnerungslücken des Kanzlers", so Schröms Fazit. Er ist überzeugt, dass "der damalige Erste Bürgermeister Scholz sich dreimal mit den beschuldigten Bankern getroffen" habe. Außerdem habe er den Warburg-Bankern den Tipp geben, dass sie sich direkt an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher wenden sollten. "Das ist definitiv Einflussnahme", Schröm.

Es gibt also genug Stoff für einen Untersuchungsausschuss. Ob politisch motiviert oder nicht.

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz der Union zur geplanten Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Cum-Ex-Affäre am 4. April 2023 im Haus der Bundespressekonferenz
  • Gespräche mit dem Buchautoren Oliver Schröm und dem SPD-Politiker Michael Schrodi
  • Buch "Die Akte Scholz. Der Kanzler, das Geld und die Macht" von Oliver Schröm und Oliver Hollenstein, 2022
  • Eigene Recherchen
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