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Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer: Ein Egotrip, der unerträglich ist


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Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer: Kaum noch zu ertragen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 15.02.2023Lesedauer: 6 Min.
Sahra Wagenknecht verlangt den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine.Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht verlangt den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine. (Quelle: Joerg Carstensen/dpa)
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Seit fast einem Jahr tobt der Krieg in der Ukraine nun schon, viele Menschen hierzulande haben längst abgeschaltet. Die Nachrichten, Bilder und Videos sind ja auch kaum zu ertragen. Tag für Tag zeigen sie, wie russische Angreifer Wohnhäuser zerbomben, wie sie sich mit ukrainischen Soldaten brutale Kämpfe im Schlamm liefern, wie sie ihrerseits massenhaft niedergemäht werden. Man könnte meinen, nach Jahrtausenden der Kriege sollte die Menschheit endlich gelernt haben, wie man Konflikte friedlich löst, doch das Schlachten in der Ukraine erinnert uns einmal mehr daran, dass das leider nur ein frommer Wunsch ist. Angesichts des unerträglichen Leids mag es vordergründig verständlich erscheinen, wenn man sich auch hierzulande nichts sehnlicher wünscht als das Ende dieses Wahnsinns. Wer täte das nicht? Der Impuls ist verständlich.

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Weniger verständlich ist, wenn er politisch instrumentalisiert wird. So wie von der Politikerin Sahra Wagenknecht, die früher mal links war. Wo sie heute ist, weiß man nicht so genau. Vielleicht eher rechts, vielleicht in einer Profilneurose, vielleicht im Wolkenkuckucksheim. Gemeinsam mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hat sie einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben, der seit dem Wochenende für Schlagzeilen sorgt. Darin fordern die beiden, unterstützt von weiteren durchaus klargeistigen Köpfen, den Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine und sofortige Friedensverhandlungen mit Russland.

Was auf den ersten Blick nach einem verständlichen Wunsch klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als wohlfeiler Populismus: Weder erklären die Briefschreiberinnen, wie ehrliche Verhandlungen mit dem hartgesottenen Lügner Putin eigentlich funktionieren sollen – mit einem Mann also, der seit Jahren internationale Verträge hintertreibt, Absprachen bricht, sich wie ein zynischer Mafiaboss verhält, nicht wie ein Staatsmann. Noch haben Wagenknecht und Schwarzer sich die Mühe gemacht, mal dorthin zu schauen, wo Putin in der Vergangenheit "Frieden" geschlossen hat. Dabei kann das jeder sehen, der kein Brett vor dem Kopf hat: "Frieden" heißt für Putin ein riesiger Friedhof namens Tschetschenien, in dem jeder im Folterkeller verschwindet, der nicht nach der Pfeife des Kremlchefs und dessen Komplizen tanzt. "Befriedet" hat Putin auch Syrien, wo der Diktator nach russischen Flächenbombardements gegen Zivilisten wieder fest im Sattel sitzt, Oppositionelle ermorden und jede Freiheit unterdrücken lässt.

Kadyrow und Assad: Das sind Putins Kumpels. So skrupellos wie sie ist auch er. Mit so jemandem kann man keinen verlässlichen Frieden schließen, solange er sich im Vorteil wähnt. So einer wird Verhandlungen immer nur als Manöver nutzen, um den Gegner auszutricksen und ihm bei nächstbester Gelegenheit wieder in den Rücken zu fallen. "Appeasement-Politik gegenüber Aggressoren funktioniert nicht: Das ist die Lehre aus den Konflikten des 20. Jahrhunderts", schrieb ich kürzlich in einem anderen Tagesanbruch. Ich gehe nicht davon aus, dass Frau Wagenknecht ihn mochte. Vielleicht kann man von Personen, die vorwiegend um ihr eigenes Ego kreisen, einen Perspektivwechsel nicht erwarten.

Sicher aber gibt es Leser dieser Zeilen, die sich aufrichtig für die bedrängten Ukrainer interessieren. Denen empfehle ich diesen eindrucksvollen Text unserer Autorin Liane Bednarz, die tagelang durch die Ukraine gereist ist und allein durch ihre Schilderungen die Ignoranz der Briefschreiberinnen entlarvt.

Außerdem empfehle ich uns allen, wenigstens kurz das Schicksal der 13-jährigen Katia zu beachten: Vor knapp einem Jahr floh sie gemeinsam mit ihrer Familie aus dem Donbass Richtung Westen. Auf dem Bahnhof in Kramatorsk wollten sie Tee kaufen. Dann schlug eine von Putins Raketen ein. "Ich blickte auf mein Bein und sah, dass meine Jeans voller Blut war", erzählt Katia. "Ich schaute zu meiner Mutter neben mir. Ich dachte, sie wäre ohnmächtig geworden, und stieß sie an. Aber sie hat nicht reagiert." Stunden später erfuhr sie: Ihre Mutter war tot.

Mittlerweile wird Katia von Ärzten im Auftrag des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen gepflegt und lernt wieder laufen. "Aber emotional bin ich immer noch sehr verletzt", sagt sie. In einer Online-Konferenz berichten die Unicef-Leute heute von weiteren Kinderschicksalen in diesem furchtbaren Krieg.

Die Ukrainer brauchen mehr als bloße Solidarität. Sie brauchen Schutz vor Putins Mörderbanden. Dazu zählen neben Sanktionen und diplomatischem Druck auch mehr Waffen und vor allem Munition, und zwar schnell. Erst wenn der Kremlchef einsieht, dass er den Kürzeren zieht und seinen Thron zu verlieren droht, wird er sich auf ernsthafte Gespräche einlassen, ohne auf seinen absurden Maximalforderungen zu bestehen. Besser, das geschieht früher als später –im Interesse der Ukrainer und der Russen. Auch die wollen mehrheitlich nämlich sicher keinen Krieg.


Tödliches Versagen

Der Schock sitzt immer noch tief: Drei Wochen ist es nun her, dass bei einer Messerattacke im Regionalzug von Kiel nach Hamburg zwei junge Menschen ermordet und fünf weitere teils schwer verletzt wurden. Nun häufen sich die Anzeichen, dass in dem Fall multiples Behördenversagen zu beklagen ist. Nicht nur räumt Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein, dass der mutmaßliche Attentäter, der 33-jährige staatenlose Palästinenser Ibrahim A., mit einigem Aufwand womöglich doch hätte abgeschoben werden können.

Auch der Umgang der Hamburger Behörden mit dem Messermörder, der bis kurz vor der Tat in der Hansestadt in Untersuchungshaft saß, wirft Fragen auf. So bestätigten Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Billwerder dem NDR, dass Ibrahim A. während seiner Inhaftierung durchgehend psychisch auffällig gewesen sei und sich sogar mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz verglichen habe. Der behandelnde Psychiater wiederum wusste zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung am 18. Januar 2023 nicht, dass Ibrahim A. kurz vor der Entlassung stand. Und das Argument der Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, die sofortige Freilassung von Ibrahim A. sei nach Aufhebung der Untersuchungshaft zwingend gewesen, wirkt insofern fadenscheinig, als es neben dem Strafrecht noch eine weitere rechtliche Grundlage für einen Freiheitsentzug gegeben hätte: das Hamburgische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten.

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Heute berät der Hamburger Justizausschuss erneut über den skandalösen Fall.
Hoffentlich hören die Behörden in der Hansestadt und in Schleswig-Holstein dann endlich auf, sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben. Es müssen jetzt alle Versäumnisse auf den Tisch. Und dann müssen Konsequenzen gezogen werden. Wie können die beiden Regierungschefs Peter Tschentscher und Daniel Günther eigentlich noch ruhig schlafen?


Eine Frau gegen Trump

Amerika ist schon wieder im Präsidentschaftsfieber: Mit einem Video hat Nikki Haley gestern ihren Einstieg in den Vorwahlkampf der Republikaner verkündet. Die frühere amerikanische UN-Botschafterin ist damit die erste offizielle Herausforderin von Ex-Präsident Donald Trump, der seine erneute Kandidatur schon angekündigt hat. Wer sich das Filmchen anschaut, in dem die 51-Jährige ganz im Stil ihres einstigen Förderers gegen das Washingtoner Establishment, die Linke, China und Russland vom Leder zieht, mag sich zwar vor allem freuen, dass sie nicht Trumps einzige Konkurrentin bleiben wird. Auch Floridas Gouverneur Ron DeSantis und dem früheren Vizepräsidenten Mike Pence werden Ambitionen nachgesagt. Doch heute richten sich die Blicke erst noch einmal auf sie: In ihrem Heimatstaat South Carolina will Frau Haley ihre erste große Wahlkampfrede halten.


Bunga Bunga und kein Ende

Italiens Politgreis Silvio Berlusconi macht immer noch Remmidemmi. Jüngst sorgte er mit prorussischen Äußerungen für Ärger, aber auch seine alten "Bunga Bunga"-Geschichten lassen ihn nicht los: Heute urteilen Mailänder Richter, ob der 86-Jährige junge Frauen bestochen hat, damit sie vor Gericht lügen. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat ihrem Koalitionspartner kurz vor dem Termin ein juristisches Geschenk serviert: Sie teilte mit, dass sich die Regierung als Zivilklägerin zurückziehe und keinen Schadenersatz mehr von Berlusconi verlange. Alles beim Alten also im Römer Mauscheleien-Zirkus.


Gelüftetes Geheimnis

Apropos Italien: Kennen Sie den wunderbaren Film "Il Postino"? Er erzählt die fiktive Geschichte des schüchternen Briefträgers Mario, der in den 1950er Jahren auf einer italienischen Insel den weltberühmten chilenischen Dichter Pablo Neruda kennenlernt. Zwischen den ungleichen Männern entwickelt sich eine rührende Freundschaft.

Die wahre Geschichte Nerudas endete brutaler: Nach dem rechtsextremen Militärputsch in seiner Heimat starb er. Damals wurde eine Krebserkrankung als offizielle Todesursache angegeben. Eine Expertenkommission hat das vor einigen Jahren jedoch ausgeschlossen und Hinweise auf eine mögliche Vergiftung gefunden. Wurde der Poet von Pinochets Militärs getötet? Heute stellt die Kommission ihre finalen Erkenntnisse vor.


Was lesen?

Die Berliner SPD ist nach der Wahlniederlage in Aufruhr. Doch bislang will niemand Franziska Giffey stürzen. Denn für sie spricht etwas Entscheidendes, berichten unsere Reporter Johannes Bebermeier und Annika Leister.


Das EU-Parlament hat das Aus für alle Verbrennungsmotoren beschlossen. Werden Benziner und Diesel bald aus dem Verkehr gezogen? Unser Autoredakteur Markus Abrahamczyk gibt Ihnen den Überblick. Und meine Kollegen Theresa Crysmann und Florian Schmidt tischen gute Argumente auf: pro und kontra Verbrennerverbot.


Was war?

Im Jahr 1898 lieferte ein gesunkenes Schiff den USA den Vorwand für einen Krieg gegen Spanien. Auf unserem Historischen Bild lesen Sie mehr.


Was amüsiert mich?

Ach ja, die Berliner.

Ich wünsche Ihnen einen gutgelaunten Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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