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SPD in Berlin: Niemand will Franziska Giffey stürzen – wie kann das sein?


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Franziska Giffey
Wie kann das denn bitte sein?


Aktualisiert am 15.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Franziska Giffey am Wahlabend: Die Zukunft der bisherigen SPD-Regierungschefin von Berlin ist ungewiss.
Giffey nach Berlin-Wahl: Die SPD will trotz Wahl-Schlappe die Hauptstadt regieren. (Quelle: Glomex)
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Die SPD in Berlin ist nach der Wahlniederlage in Aufruhr. Doch bislang will niemand Franziska Giffey stürzen. Denn für sie spricht etwas Entscheidendes.

Von einem Schock ist die Rede, von großer Wut und auch von Ratlosigkeit: Wer zu Beginn dieser Woche in der Berliner SPD herumtelefoniert, erlebt eine Partei in Aufruhr. Zehn Prozentpunkte hinter der CDU? Ein solches Wahlergebnis hatten nicht mal die miesesten Umfragen vorhergesagt.

Und wenn es in der Politik so richtig schiefgeht, dauert es meist nicht lang, bis ein Schuldiger gesucht wird. Oder in diesem Fall: eine Schuldige, die Regierende Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin Franziska Giffey.

Ist sie noch die Richtige, um die SPD aufzurichten? Um sie neu aufzustellen? In eine neue Regierung zu führen? Warum sollte ausgerechnet Giffey jetzt die Veränderung bringen können, die sie selbst noch am Wahlabend eingefordert hat?

Alle diese Fragen werden Anfang der Woche rauf- und runterdiskutiert. Und doch bleibt nun erst mal alles so, wie es ist. Franziska Giffey wird versuchen, die SPD in eine neue Regierung zu führen. Trotz all des Ärgers, trotz all der Wut. Auch weil Giffey derzeit einen großen Vorteil hat in der Berliner SPD: Sie ist tatsächlich alternativlos.

"Das Kapitel Franziska Giffey beenden"

Dabei scheint es am Montagvormittag so, als könne jetzt alles ganz schnell gehen. Noch als Franziska Giffey im Willy-Brandt-Haus sitzt, der Zentrale der Bundespartei, und im SPD-Präsidium die Wahl bespricht, setzen die ersten Parteifreunde aus der Landespolitik öffentlich den Ton. Und der ist nicht gerade erfreulich für Giffey.

Der stellvertretende Landesvorsitzende Kian Niroomand nennt die Wahl "eine Zäsur für die SPD" und fordert "einen Neuanfang". Landesvorstandsmitglied Kevin Hönicke sagt: "Es kann jetzt kein Weiter-so geben." Der "Spiegel" schreibt dazu, dass die beiden damit auch auf Giffey selbst zielen dürften.

Selbst wenn beide einen inhaltlichen Neuanfang gemeint haben sollten – die persönlichen Attacken gibt es auch. Die Berliner Jusos schreiben auf Twitter, das Ergebnis könne "nicht ohne personelle und inhaltliche Konsequenzen bleiben". Und ein anonymes Landesvorstandsmitglied wird im "Tagesspiegel" überdeutlich: "Wir müssen personelle Konsequenzen ziehen und das Kapitel Franziska Giffey beenden."

Der Wahlkampf sei schließlich stark auf Giffey zugeschnitten gewesen, heißt es auch unter der Hand immer wieder. Giffeys Co-Vorsitzender Raed Saleh habe zwar die Strategie mitbestimmt, öffentlich aber kaum eine Rolle gespielt. Das Scheitern der SPD, so sehen es einige, ist vor allem im Scheitern Giffeys begründet.

"Ganz, ganz herzlicher Dank"

Doch der Montag nach dem Schock verläuft für Franziska Giffey in Wellen. Die Stimmung wechsele gefühlt stündlich, sagt am Nachmittag jemand aus der Berliner SPD. Eine wohlig-warme Welle bekommt Giffey im SPD-Präsidium ab. Die Spitze der Bundespartei stärkt ihr demonstrativ den Rücken.

Als Franziska Giffey mittags im Willy-Brandt-Haus bei der Pressekonferenz neben Saskia Esken steht, dankt die SPD-Chefin ihr gleich zu Beginn "ganz, ganz herzlich" für den "sehr, sehr engagierten, sehr leidenschaftlichen Wahlkampf". Es sollen nicht die letzten warmen Worte bleiben. SPD-Chef Lars Klingbeil wirbt trotz des schlechten Ergebnisses für Giffey als Regierende Bürgermeisterin auch im nächsten Bündnis: "Sie ist die Richtige."

Selbst von ihrer politischen Gegnerin gibt es für Giffey an diesem Tag Lob. Das Ergebnis sei für die SPD "zweifellos bitter", sagt Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Deshalb wundere sie sich nicht über die "intensiven Debatten" in der SPD. Aber: "Ich kann nur sagen: Ich habe mit Franziska Giffey gut zusammengearbeitet und kann mir auch gut vorstellen, das weiterhin zu tun."

Ein wichtiges Argument der Giffey-Befürworter in der SPD ist simpel: Einer internen Analyse zufolge, die t-online vorliegt, hat die Regierende Bürgermeisterin ihrer Partei erneut viele Wähler beschert. 32 Prozent wählten die SPD demnach ausdrücklich wegen Giffey. Das ist trotz eines Verlusts von sechs Prozentpunkten im Vergleich zur ursprünglichen Wahl 2021 noch immer deutlich mehr als bei ihren Konkurrenten von CDU (16 Prozent) und Grünen (7 Prozent).

Will heißen: Ohne Giffey wäre das Ergebnis vermutlich noch mieser ausgefallen. Doch ist ein "Hätte noch schlimmer kommen können" allein schon ein Rezept für die Zukunft?

Und wie gehts jetzt weiter?

Im Berliner Landesvorstand jedenfalls ist am Montagnachmittag von einer Revolution nicht mehr viel zu spüren. In einer Sitzung des Vorstands wird emotional diskutiert, die Zukunft des Verbands und Koalitionsmöglichkeiten abgewogen. Nach Informationen von t-online bietet Franziska Giffey den Teilnehmern zwar an, Platz zu machen, wenn das jemand fordere. Doch das tut niemand.

Am Ende entscheidet der Vorstand: Giffey und Saleh sollen die Sondierungen und Koalitionsverhandlungen führen, wie auch schon bei der vergangenen Wahl. Alles beim Alten also, trotz aller Kritik.

Selbst Berliner SPD-Politiker vom linken Flügel, die der für Berliner SPD-Verhältnisse pragmatisch-konservativen Franziska Giffey nicht nahestehen, räumen in diesen Tagen offen ein: Es gibt schlicht keine Alternative zu Giffey, die sich aufdrängen würde.

Dort, am linken Flügel, sorgen sich einige jetzt vor allem, dass Giffey die angekündigte inhaltliche Neuausrichtung dazu nutzt, um die eher linke SPD in Berlin konservativer zu machen. Das werde allein wegen der möglichen Koalitionspartner von Grünen und Linken schwierig, lautet ein Argument.

Die zweite Sorge von links ist, dass es nach den quälenden Jahren der Großen Koalition im Bund nun auch auf Landesebene eine Koalition aus CDU und SPD geben könnte. Mancher bezweifelt gar, dass Giffey dafür auf einem Parteitag eine Mehrheit bekäme. Andere, auch im Vorstand, halten die "GroKo" für das kleinere Übel.

Denn was, wenn die Alternative die Oppositionsbank ist? Wenn die CDU einfach mit den Grünen regiert, falls die SPD nicht will? Mancher in der SPD fürchtet sich davor. Zu lange schon sitzt man im Roten Rathaus. Aber undenkbar ist selbst dieses Szenario für manchen nicht mehr.

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"Eine klare Tendenz"

Im Landesvorstand jedenfalls soll es nach t-online-Informationen keine offizielle Abstimmung über die Präferenz bei den Koalitionen gegeben haben. Nach der Sitzung sagt Franziska Giffey, es gebe "schon eine klare Tendenz" für die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot. Man nehme aber "natürlich auch sehr ernst", dass es "einen Wahlsieger" gebe, der "deutlich vor uns liegt".

So kolportieren es auch andere Vorstandsmitglieder anschließend. Giffey und Co-Chef Saleh werden nun zunächst mit der CDU und anschließend mit Grünen und Linken sprechen.

Dass sich unabhängig von der Regierungsbildung in der Berliner SPD etwas ändern muss – das sehen eigentlich alle so. Was aber genau? Das weiß noch niemand so richtig.

Einige wollen die Debatte weg vom Personal und hin zu den Inhalten und der richtigen Kommunikation lenken. Andere können sich kaum vorstellen, dass sich zumindest im Parteivorstand gar nichts ändert – ganz unabhängig davon, ob Franziska Giffey weiterregiert oder nicht.

Die politische Überlebenskünstlerin Franziska Giffey – sie hat es noch nicht hinter sich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche
  • Interne Wahlanalyse der SPD von infratest dimap
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