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Kreis Ahrweiler | Flutopfer: "Wie viele ertrunken sind, wissen wir noch gar nicht"


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Flutopfer berichten im Video
"Begriffen haben wir das vielleicht in einer Woche"

  • Lars Wienand
  • Hanna Klein
  • Jonas Mueller-Töwe
Von Lars Wienand (Ahrweiler), Hanna Klein

Aktualisiert am 16.07.2021Lesedauer: 3 Min.
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"Man steht fassungslos da": Anwohner aus dem Kreis Ahrweiler berichten von ihrer Verzweiflung nach der Flutkatastrophe. (Quelle: t-online)

Die Flutkatastrophe hat den Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz besonders hart getroffen. Viele Menschen starben oder sind obdachlos, Häuser und Brücken zerstört. Hier erzählen Flutopfer ihre Geschichten.

Wer Glück hatte, wohnte oben auf dem Berg. Am Stadteingang von Bad Neuenahr hat Hermann Eichmanns sein Zuhause. Was Glück im Kreis Ahrweiler dieser Tage bedeutet, zeigte sich am Donnerstagmittag: Aus einem Rinnsal schöpfte Eichmann Wasser für die Toilette. Der Strom floss nicht, die elektrischen Rollos blieben unten, drinnen herrschte Finsternis, während die Nahrungsmittel in der Kühltruhe auftauten.

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Keinen Kreis in Rheinland-Pfalz hat die Flut wohl schlimmer getroffen. Zahlreiche Menschen sind gestorben, darunter zwölf in einem Lebenshilfe-Wohnheim in Sinzig, viele offenbar vermisst. Anwohner berichteten t-online von erschütternden Szenen. Brücken sind beschädigt oder zerstört, Krankenhauspersonal erreicht die Kliniken nicht mehr, wo Patienten auf die Evakuierung warten. Die Bundeswehr unterstützt Rettungskräfte aus der Luft. Es ist eine Katastrophe, wie sie Deutschland möglicherweise seit Jahrzehnten erspart blieb.

Eindrücke von der Lage vor Ort und wie die Menschen dort die Situation erleben und versuchen, damit zu Recht zu kommen, sehen Sie im Video hier oder oben im Artikel. t-online hat mit ihnen gesprochen und hat sie durch das Flutgebiet begleitet.

An einer zerstörten Brücke in Bad Neuenahr-Ahrweiler stand am Mittag Simone Schüler. Die Krankenschwester ist stellvertretende Pflegedienstleiterin einer Klinik auf der anderen Seite der Ahr, die in Folge des Unwetters im Wasser steht. Am Donnerstagmorgen wollte sie zur Arbeit. Doch für sie gibt es kein Durchkommen, sie kann die Kollegin aus dem Nachtdienst nicht ablösen – und man spürt, wie sehr sie das beschäftigt.

"Ich habe keine Möglichkeit, da im Augenblick zu helfen", sagte sie t-online. Rund 120 Patienten säßen dort fest, "ohne Essen, ohne alles", das Gebäude sei von Wasser eingeschlossen. Immerhin: Dort ist keiner der Patienten bettlägerig.

Viele haben keinen Strom und kein fließendes Wasser

Durch die Überflutungen haben derzeit zahlreiche Menschen im Kreis auch keinen Strom, kein fließendes Wasser und müssen ihre Wohnungen zum Teil verlassen. Bernd Walther, der seit 36 Jahren im Ortsbeirat des Stadtteils Bachem ist, schilderte t-online: "Man kann es gar nicht schätzen, ich sag jetzt mal eine Zahl. In Bad Neuenahr 10.000 Menschen, die obdachlos sind." Zwei Familien werde er jetzt selbst bei sich aufnehmen. Darunter eine mit einer 98 Jahre alten Frau, bettlägerig. "Ihr Sohn hatte sie in letzter Minute mit letzter Kraft ins obere Stockwerk getragen. "Und ich habe noch das Pflegebett von meiner Mutter." Er kenne viele weitere Menschen, die ihr Zuhause nun ebenfalls den Nachbarn öffnen. 3.500 müssen aber in Unterkünfte, so der Kreis. Und die Seite der Stadt Bonn will Menschen, die Unterkunft bieten, zusammenbringen mit denen, die eine brauchen.

Eine solche Flut habe die Stadt noch nie erlebt. Jedenfalls nicht seit dem Hochwasser im Juli 1804. Damals starben 102 Menschen – Bernd Walther ist auch Heimatkundler. "Und wie viele dieses Mal ertrunken sind, das wissen wir noch gar nicht", sagte er. "Wir haben vielleicht in drei Tagen den Überblick. Und begriffen, was passiert ist, haben wir dann vielleicht in einer Woche."

Am Donnerstagabend veröffentlichte die Kreisverwaltung eine erschreckende Zahl: 1.300 Menschen werden im Kreis noch vermisst. Der Notruf ist weiterhin überlastet. Deshalb hat die Polizei eine Hotline eingerichtet, an die sich besorgte Angehörige wenden können, wenn sie jemanden vermissen. Sie ist unter 0800/656565-1 zu erreichen. 1.000 Angehörige von Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, THW, DRK und weiterer Katastrophenschutzeinheiten sind noch im Einsatz.

Und die Menschen helfen sich gegenseitig. "Das Wichtigste ist jetzt, dass man so viel hilft, wie man helfen kann", sagte auch Bernd Walter. Im Ortsteil sei der Zusammenhalt groß. "Derjenige, der nichts hat, hilft dem, der gar nichts hat", sagte Walther. "Man greift sich einfach gegenseitig unter die Arme." Er hoffe nun auf die Bundeswehr. Vielleicht könne die ja mit Gulaschkanonen vorbeikommen. Nur für eine warme Mahlzeit. "Vielleicht sind die aber auch schon damit unterwegs. Wir bekommen ja nichts mit." Kein Strom, kein Handy-Netz.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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